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Die Lombarden

Dramma lirico in vier Akten
Text von Temistocle Solera nach Tommaso Grossi
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 55' (eine Pause)

Koproduktion mit den St. Galler Festspielen

Premiere auf den Domstufen am Domberg in Erfurt am 12. Juli 2012
(rezensierte Aufführung: 17.07.2012)


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Kreuzzug endet im Regen

Von Thomas Molke / Fotos von Lutz Edelhoff


Giuseppe Verdis vierte Oper Die Lombarden auf dem ersten Kreuzzug (I Lombardi alle prima crociata) markiert den Beginn seiner von ihm selbst bezeichneten "Galeerenjahre", in denen er innerhalb von zehn Jahren insgesamt dreizehn Opern zu Papier brachte und die sich an den grandiosen Erfolg seines in drei Monaten komponierten Werkes Nabucco anschlossen. Dabei übertraf der Erfolg der Uraufführung der Lombarden noch den Eindruck des Vorgängers Nabucco, wobei sich zahlreiche Parallelen zwischen diesen beiden Werken feststellen lassen, die von der religiösen Thematik über einen Geschwisterstreit - in Nabucco sind es zwei Schwestern, die den gleichen Mann lieben, in den Lombarden ist es die Liebe zu einer Frau, die zwei Brüder entzweit - bis hin zu großen eingängigen Chorszenen reichen. Dass Die Lombarden trotzdem heutzutage eher selten aufgeführt werden, mag an den dramaturgischen Schwächen des Librettos liegen, das mit seinem episodenhaften, wenig stringenten Aufbau und zahlreichen Orts- bzw. Szenenwechseln die Theater von einer Inszenierung Abstand nehmen lässt. Nach dem Theater Kiel, das die vergangene Spielzeit mit diesem Werk eröffnet hat (siehe auch unsere Rezension), hat sich das Theater Erfurt im Rahmen der DomStufen-Festspiele in Koproduktion mit den St. Galler Festspielen dieser Herausforderung gestellt und sich dabei auch für unvorhersehbares Wetter gewappnet.

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Pagano (Tigran Martirossian, vorne links) plant mit Pirro (Wieland Lemke, vorne rechts) das Attentat auf seinen Bruder Arvino (im Hintergrund: Herrenchor).

Die Handlung der Oper geht zurück auf ein Epos von Tommaso Grossi über den ersten Kreuzzug von 1096 bis 1099. Pagano kehrt in seine lombardische Heimat zurück, aus der er einst verbannt worden ist, weil er im Streit um Viclinda versucht hat, seinen Bruder Arvino zu töten. Doch beim Anblick der ehemaligen Geliebten, die mittlerweile mit Arvino verheiratet ist und eine erwachsene Tochter, Giselda, hat, keimen die alten Gefühle wieder auf, und Pagano unternimmt einen erneuten Mordanschlag, dem allerdings sein Vater zum Opfer fällt. Erneut geht er in die Verbannung und lebt fortan als Eremit in einer Höhle in Antiochia. Als Giselda, die auf dem Weg nach Jerusalem von Acciano, dem Herrscher über Antiochia, gefangen genommen worden ist, ebenfalls dorthin gelangt, beschließt er, den Kreuzrittern die Tore zur Stadt öffnen zu lassen und seinen Bruder somit bei der Einnahme Antiochias zu unterstützen. Giselda hat sich mittlerweile in Accianos Sohn Oronte verliebt, der ihretwegen zum christlichen Glauben konvertiert und tödlich verwundet von Pagano die heilige Taufe empfängt. Als Geist erscheint er den von Hunger und Durst erschöpften Kreuzfahrern, weist ihnen den Weg zu einer Quelle und gibt ihnen die Kraft, ein letztes Mal den Sturm auf Jerusalem zu wagen. Im Kampf wird auch Pagano tödlich verletzt, gibt sich seinem Bruder und seiner Nichte zu erkennen und bittet um Vergebung für seine Schuld.

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Giselda (Claudia Sorokina, Mitte hinten) verhindert einen Kampf zwischen ihrem Vater Arvino (Marwan Shamiyeh, links) und seinem Bruder Pagano (Tigran Martirossian, rechts) (vorne: Viclinda (Susann Vent) mit dem ermordeten Vater (Statist)).

Hank Irwin Kittel hat über die unteren Domstufen eine imposante wellenförmige Bühne in Gelb gebaut, die den Solisten bei den Auf- und Abgängen neben den langen Wegen auch eine gewisse Schwindelfreiheit abverlangt. Unterhalb der Welle befindet sich in der Mitte ein schwarzer Eingang in eine Höhle. Dieses imposante Bild mit dem Mariendom und der St. Severi-Kirche im Hintergrund lässt sich natürlich nicht auf einer Bühne in einem Theater einfangen, birgt aber auch ein gewisses Risiko, was die Abhängigkeit vom Wetter betrifft. Und dies meinte es an diesem Dienstag nicht gut mit den Darstellern und den Zuschauern. Während es bis zur Pause immer wieder nieselte, wovon sich die Sänger aber nicht beeinflussen ließen und unbeirrt auf der Welle agierten, wurde der Schauer zu Beginn des dritten Aktes so heftig, dass die Inszenierung abgebrochen werden musste, in Windeseile jedoch eine riesige Plane über den Höhleneingang gespannt wurde, von wo aus der Chor und die Solisten das Werk dann konzertant zu Ende brachten. Das Publikum trotzte dem heftigen Guss mit Regencapes und Wolldecken und blieb mit wenigen Ausnahmen bis zum Ende, zumal der Himmel mit Orontes Taufe im dritten Akt dann auch buchstäblich Frieden schloss und es dann bis zum Ende mehr oder wenig trocken blieb.

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Giselda (Claudia Sorokina) mit dem schwer verletzten Oronte (Gabriele Mangione) auf der Flucht.

Zum besseren Verständnis wurde vor jedem Akt kurz der Inhalt der Handlung eingesprochen. Des Weiteren stellten Statisten große schwarze Buchstaben vor der Bühne auf, mit denen die Szene bezeichnende Schlagwörter wie "Mord", "Hass", "Fremde" und schließlich "Frieden" gebildet wurden. Ute Meenen stattete den Chor und die Solisten mit historisierenden Kostümen aus, die eine reine Augenweide waren. Beeindruckend gelang ihr auch Paganos Wendemantel, der den Wandel vom schwarzen Mörder zum geläuterten weißen Eremiten unterstrich. Guy Montavons Personenregie hingegen war nicht in allen Punkten ganz nachvollziehbar. Wenn Pagano zu Beginn des ersten Aktes erneut den Brudermord plant, setzen die Herren des Chores gemeinsam mit ihm und Pirro weiße Augenmasken auf. Lässt sich diese Maskierung noch verstehen, bleibt unklar, warum im Folgenden der Chor mit Arvino, seinem Vater, Viclinda und Giselda um ein gewaltiges weißes Podest, das im ersten Akt auf der Welle aufgebaut ist, herumgehen muss, bis Pagano den Vater herausgreift und absticht. Auch warum im Schlussbild zwei riesige Skulpturen auf die Bühne gefahren werden, die sich über der aufgespannten Plane die Hand reichen, bleibt ein Rätsel, was sich aber vielleicht gelöst hätte, wenn der dritte und vierte Akt nicht durch den Regen nur konzertant geboten worden wäre. Die Köpfe und Hände der Skulpturen wären nämlich nach der Pause in der Auseinandersetzung der Kreuzritter mit den Moslems wieder aufgegriffen worden, so dass diese beiden Skulpturen wahrscheinlich den Friedensschluss zwischen den beiden Religionen manifestieren sollen.

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Schlussbild der Oper (Ensemble)

Die konzertante Umsetzung des zweiten Teils nach der Pause hätte man fast gar nicht bemerkt, wenn der Chor nicht auf der Bühne gesessen hätte, da ein Großteil der Handlung sowieso in der Höhle spielt und die aufgebaute Plane diese angedeutete Höhle lediglich erweiterte. Auch zahlreiche Standbilder des Chors vor der Pause gelingen Montavon recht beeindruckend. An den Klang über die Lautsprecher muss man sich erst einmal gewöhnen. Natürlich hat man auf den Domstufen keine vergleichbare Akustik zu einem Amphitheater. Auch das Orchester, das unter der Bühne versteckt ist und somit nicht dem permanenten Regen ausgesetzt wird, wäre ansonsten wahrscheinlich gar nicht zu hören gewesen. Dennoch klingt es für einen Theaterbesucher gerade zu Beginn fremd, den Chor nicht von der Seite zu hören, auf der er steht. Auch in den schnellen Passagen gibt es im Zusammenspiel zwischen Chor und Orchester einige Ungenauigkeiten in den Tempi, die wohl dem fehlenden Sichtkontakt geschuldet sind. Da reichen auch die aufgestellten Bildschirme nicht aus. Besonders deutlich wird dies im Finale des ersten Aktes zwischen Arvino und Pagano. Im konzertanten zweiten Teil funktionieren die Abstimmungen zwischen Chor und Orchester hingegen wesentlich besser. Beeindruckend gelingt auch der Chorgesang im ersten Akt, in dem Arvino zum Anführer der Kreuzritter ernannt wird und der durch einen aufgestellten Lautsprecher direkt aus dem Dom herüberzuschallen scheint. An dieser Stelle sind die räumlichen Begebenheiten hervorragend ausgenutzt.

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau. Gabriele Mangione stattet Oronte mit einem klangschönen Tenor aus, der in den Höhen zu überzeugen vermag. Gleiches gilt für Marwan Shamiyeh als Arvino. Claudia Sorokina meistert die anspruchsvolle Partie der Giselda mit großem Sopran. Star des Abends ist Tigran Martirossian, der mit fulminantem Bass und bewegendem Spiel den Wandel vom Vatermörder Pagano zum geläuterten Eremiten vollzieht. Auch die kleineren Partien sind gut besetzt. Vom Chor, den Andreas Ketelhut einstudiert hat, bleiben vor allem der oben erwähnte Gesang "A te nell' ora infausta" aus der dritten Szene des ersten Aktes und die Kreuzfahrer-Hymne "O Signore, dal tetto natio" aus dem dritten Akt im Ohr, wobei letztere den berühmten Gefangenenchor "Va pensiero" aus Nabucco aufgreift. Francesco Bottigliero leitet das Philharmonische Orchester Erfurt lebhaft durch einen frühen Verdi, so dass es am Ende großen Applaus für eine gelungene Aufführung gibt, die dann selbst das schlechte Wetter vergessen lässt.

FAZIT

Die Idee, für die DomStufen-Festspiele ein relativ unbekanntes Werk auszuwählen, erweist sich als durchaus tragfähig. Zu wünschen bleibt nur, dass den folgenden Aufführungen besseres Wetter beschert wird. (Termine noch bis zum 29. Juli 2012)

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Samuel Bächli /
*Francesco Bottigliero

Inszenierung
Guy Montavon

Szenische Einstudierung
Patrick Bialdyga

Bühnenbild
Hank Irwin Kittel

Kostüme
Uta Meenen

Chor
Andreas Ketelhut

Dramaturgie
Berthold Warnecke


Opernchor des Theaters Erfurt

Philharmonischer Chor Erfurt

Statisterie des Theaters Erfurt

Philharmonisches Orchester Erfurt


Solisten

*rezensierte Aufführung

Arvino, Sohn des Folco
Gabriele Mangione /
*Marwan Shamiyeh

Pagano, sein Bruder
Vazgen Ghazaryan /
*Tigran Martirossian

Viclinda, Arvinos Gattin
*Jie Zhang /
Susann Vent

Giselda, Arvinos Tochter
Louise Hudson /
Katia Pellegrino /
*Claudia Sorokina

Pirro, Arvinos Waffenknecht
*Wieland Lemke /
Sebastian Pilgrim

Mailänder Prior
Saya Lee

Acciano, Tyrann von Antiochia
Juri Batukov /
*Manuel Meyer

Oronte, sein Sohn
Richard Carlucci /
Stéphane Sénéchal /
*Gabriele Mangione

Sofia, Gattin des Tyrannen
*Daniela Gerstenmeyer /
Hyun Jin Park


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