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Wo die Zeit zum Raum wirdVon Christoph Wurzel, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico NawrathSeit 2008 jährlich auf den Festspielplänen in Bayreuth wurde in diesem Jahr Stefan Herheims Inszenierung des Parsifal zum letzten Mal gegeben – und glücklicherweise auch zu sehen in zahlreichen Kinos der Republik (sowie Österreichs und der Schweiz) und millionenfach auch öffentlich rechtlich über arte. Dabei bestätigte sich erneut der exzeptionelle Rang dieser Produktion, die in der Geschichte der Wagner – Festspiele mit Sicherheit in ihrer Bedeutung dem Jahrhundert – Ring von Patrice Chéreau gleichkommt. Zu Recht mit Lobeshymnen überschüttet war Herheims Parsifal bisher nur im Festspielhaus zu sehen und gleichsam einer eingeschworenen Gemeinschaft vorbehalten. Nun wurde diese Inszenierung einem breiten Publikum zugänglich und von der hier besprochenen Aufführung wird zudem eine DVD entstehen, die Herheims überreichen Bilderbogen überhaupt erst in Gänze zu entschlüsseln möglich macht. Denn dieser Parsifal gehört zu den Erlebnissen, die nach dem Opernbesuch noch lange nachwirken, mit denen man nicht schnell und einfach fertig wird. Gurnemanz (Kwangchul Youn) und Kundry (Susan Maclean)
Parsifal (Burkhard Fritz) inmitten der Zaubermädchen (Julia Borchert, Martina Rüping, Carola Guber, Christiane Kohl, Jutta Maria Böhnert, Ulrike Helzel und Statisterie)
Aber die Inszenierung belässt es nicht bei der Ausdeutung der bloßen
Handlung, sondern fügt der Oper eine historisch kritische Dimension
hinzu, indem sie das Werk in den Zusammenhang seiner Rezeption stellt,
die in den Anfängen der frühen Kaiserzeit als nationalistisch und
sowohl rassisch als auch männlich-chauvinistisch ausgrenzende
Ideologie erscheint, deren politische Auswirkungen in die Gewalt des
Ersten Weltkriegs münden. So endet der erste Akt. Im zweiten Akt in
Klingsors Zauberschloss spielt die Szene in lasziv dekadenter Varieté –
Umgebung (opulent die Kostüme von Gesine Völlm), die dann in ein
Kriegslazarett umkippt mit den Blumenmädchen als Krankenschwestern, die
von den sechs Solistinnen ausnehmend schön und verführerisch
gesungen wurden. Aus dieser Verblendungsszene gleitet der
Bild-Hintergrund in die NS-Zeit über und das Parsifalkind, das stets im
Szenenraum präsent ist, erscheint als Hitlerjunge - ein Reflex
auf die verhängnisvolle Affinität der Wagnerrezeption zum
Nationalsozialismus. Über die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs,
versinnbildlicht durch Bilder der Zerstörung und abgestorbener Natur,
leitet der dritte Akt im letzten Bild über in den Plenarsaal des
Bundestages, der Mitte der Achtziger Jahre im Bonner Wasserwerk tagte.
Damit wäre die politische Konsolidierung eines demokratischen
Deutschlands mit dem Gedanken der Erlösung im „Karfreitagszauber“ der
Oper überblendet und die Rezeption von Wagners Werk von der ausgrenzend
aggressiven Ideologie des neunzehnten in das Denken der
bürgerschaftlichen Gesellschaft des ausgehenden zwanzigsten
Jahrhunderts überführt und Wagners Werk gleichsam vom Ballast der
Geschichte erlöst, so wie das elternlose Parsifalkind am Schluss von
Gurnemanz und Kundry in schützende Obhut genommen wird. Zugleich werden
durch einem großen Spiegel über der Bühne Publikum und auch das
Orchester mit in diesen Kreis genommen. „Zum Raum wird hier die Zeit“,
sagt Gurnemanz zum staunenden Toren Parsifal im ersten Akt. Stefan Herheim hat
diesen Satz verbildlicht. Wohl nie war er so augenfällig wie hier Amfortas (Detlef Roth) und die Gralsritter (Chor und Statisterie)
Der Eindruck dieser Produktion im Festspielhaus ist gewaltig und auch durch Kino oder DVD letzten Endes unersetzlich. Mit Spannung wird man dennoch die Konserve dieser Produktion erwarten können, da sie die singuläre Bildmacht dieser Inszenierung aufbewahrt. Schreiben Sie uns einen Leserbrief Weitere Rezensionen von den Bayreuther Festspielen 2012 |
Produktionsteam
Musikalische Leitung Regie
Bühnenbild
Kostüme Licht Video Chorleitung Dramaturgie Solisten
Amfortas
Titurel
Gurnemanz
Parsifal
Klingsor
Kundry
1. Gralsritter
2. Gralsritter
1. Knappe 2. Knappe 3. Knappe 4. Knappe
Klingsors Zaubermädchen Altsolo |
- Fine -