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Musiktheater
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Pfingstfestspiele 2012

L’elisir d’amore

Melodramma giocoso in zwei Akten
Text von Felice Romano nach dem  Libretto von Augustin Eugène Scribe zu Aubers Oper „Le Philitre“ (1831)
Musik von Gaetano Donizetti

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: ca 3 Stunden – eine Pause

Premiere im Festspielhaus Baden-Baden am 28. Mai 2012
(rezensierte Aufführung: 03.06.2012)

 
 


Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)


Der Clown im Sänger

Von Christoph Wurzel / Fotos: Andrea Kremper

Wer einmal zuvor die Besetzungsliste studiert, wird feststellen, dass solches Personal unmöglich in einer Oper von Donizetti auftauchen kann: Filmstars, Komparsen und Stuntmen sind Anachronismen in einer Oper der italienischen Romantik. Dennoch sind die Namen  authentisch, es handelt sich hier tatsächlich um Donizettis Liebestrank. Aber Rolando Villazón hat sich als Regisseur die Freiheit erlaubt, die Handlung ein wenig zu verlegen und zwar in ein Filmstudio der dreißiger Jahre; eigentlich nichts Ungewöhnliches zu Zeiten des Regietheaters, aber in diesem Fall ist das mehr als nur modischer Gag. Der Kniff besitzt viel Raffinesse, weil der Regisseur dadurch höchst elegant die Klippen solcher Opern umschifft, die in deren zumeist aberwitzigen Handlungskonstruktionen lauern.

Bild zum Vergrößern Am Set: Regisseur (Ildebrando D’Archangelo) und Assistenten drehen einen Film.

Dadurch, dass Villazon die ganze Oper nicht nur im Filmstudio ansiedelt, dem Zentrum also einer Traumfabrik, sondern den Plot in zwei Realitäten splittet – Film und Leben -, gelingt ihm ein höchst geistreiches Spiel zwischen Illusion und Wirklichkeit, so wie es auch das Thema dieser Oper ist. Erzählt wird nämlich die Geschichte von dem schüchternen Bauern Nemorino (welch Selbstironie: Villazón als mexikanischer Film-Komparse), seiner koketten Angebeteten Adina (Filmstar), dem feschen Hauptmann Belcore (US-Sergant) und dem Quacksalber Dulcamara (Regisseur und reitender Indianerhäuptling) als Beiprogramm am Set. Gedreht wird ein Westernmovie, wobei gleich alle Klischees dieses Genres ironisch verwurstet werden: von der Schlägerei im Saloon über den Bankraub samt Festnahme der Übeltäter bis hin zur schmalzigen Liebesgeschichte zwischen der Dorfschönheit und einem Offizier. Dabei wirken außer den Genannten ebenfalls mit: ein Sheriff, die Daltons, ein Apache, ein Chinese, Can-Can-Tänzerinnen, Fred Astaire und King Kong.

Bild zum VergrößernEinsam in der Hütte: Rolando Villazón bei der berühmtesten Arie der Oper

Neben dieser „Hauptsache“ wird die eigentliche Opernhandlung also zur „Nebensache“. Nemorinos Schmachten für Adina und vor allem seine Eifersucht auf Belcore sind hier die störenden Begleiterscheinungen beim Dreh. Vor allem ist die Romanze zwischen Adina und dem Hauptmann nur Film-Fiktion, was aber der verliebte Nemorino nicht so recht kapiert, wie er offenbar den ganzen Film nicht so recht von der Realität unterschieden kann. So entstehen komische Verwechslungen zuhauf und sowohl im „wahren“ Leben wie im Film gehen der Regie die witzigen Einfälle nicht aus. Meisterlich spielt Villazón mit ironischen Zitaten von Lucky Luke bis Charlie Chaplin, das Timing der Pointen ist exzellent, die zahlreichen Kleindarsteller schaffen professionelle Kintoppatmosphäre und das ganze Ensemble spielt mit größtem Vergnügen ein höchst unterhaltsames Stück. Als Sahnehäubchen am Schluss bekommt das Publikum die Highlights als verschnipselten Stummfilm samt Zwischentiteln zur wiederholten Ouvertüre vorgeführt.

Vergrößerung in neuem FensterTolle Stimmung im Haifisch-Saloon: Ensemble

Rolando Villazón jongliert drei Opernstunden lang souverän mit allen Bällen: als Regisseur, als Sänger und als clownesker Darsteller. Hinter all der Komik lässt er auch den Tiefsinn, die Melancholie seiner Rolle berührend hervor scheinen. Wenn er in seiner Hütte, anscheinend einsam und verlassen, von der Sehnsucht nach der Geliebten singt (Una furtiva lagrima), dann ist er wieder auf der Höhe der früheren Jahre. Mit unbändiger Spiellaune hat er offensichtlich auch die anderen Akteure angesteckt: Miah Persson (Adina) ist das zuerst kratzbürstige, dann doch zugeneigte Ziel seiner Wünsche. Als Dulcamara glänzt Ildebrando D’Arcangelo im Häuptlingsfederschmuck als Frauenverführer und urkomisches Kontrastprogramm zum linkischen Protagonisten. Roman Trekel karikiert treffend den Hüter der Staatsmacht in Uniform. Gesungen wird allseits vortrefflich und im Orchester sprühen die musikalischen Funken. Die historischen Instrumente, vor allem die Bläser, untermalen die Szene mit warmem Klangkolorit. Pablo Heras-Casado dirigiert höchst sängerfreundlich das bestens aufgelegte Balthasar-Neumann-Ensemble.

Vergrößerung in neuem Fenster
Im Film: Der Marshal (Roman Trekel) und das Westerngirl (Miah Persson)

Enorm lebendig agiert der von Nola Rae bewegungsmäßig gecoachte Chor in zahllosen Rollen. Dem turbulenten Treiben kommen nicht zuletzt die opulent entworfenen Kostüme zugute, die in der Filmschneiderei Tirelli in Rom entstanden. Johannes Leiacker hat auch hier wieder ein Bühnenbild geschaffen, das Staunen macht. So musste diese Produktion einfach zum Riesenerfolg geraten und wurde entsprechend mit endlos langen Beifallsstürmen vom Publikum gefeiert.



FAZIT

Mit seiner zweiten Opernregie (nach Werther in Lyon im letzten Jahr)  trifft Villazón ins Zentrum wahrer Opernkomik. Alles gelingt wie am Schnürchen, die Bühne ist eine Augenweide. Gesungen wird herausragend, das Orchester bietet mehr als nur Begleitung. Kurzum: ein Opernvergnügen der Sonderklasse!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Pablo Heras-Casado

Inszenierung
Rolando Villazón

Bühnenbild
Johannes Leiacker

Kostüme
Thibault Vancraenenbroeck

Choreinstudierung
Detlef Bratschke

Licht
Davy Cuningham

 

Balthasar-Neumann-Chor

Balthasar-Neumann-Ensemble



Solisten

Adina, eine Filmdiva
Miah Persson

Nemorino, ein Komparse
Rolando Villazón

Belcore, ein Filmstar
Roman Trekel

Dulcamara, Regisseur und
Schauspieler im eigenen Film
Ildebrando D’Arcangelo

Gianetta, seine Assistentin
Regula Mühlemann

Co-Star im Film (Stunts)
Robert Schenker

Kleindarsteller
der ANILENZ Komparsen- und
Kleindarstellervermittlung
 



Eine Aufzeichnung wird
am Silvesterabend 2012
auf arte gesendet.



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)









Da capo al Fine

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