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Sommerfestspiele 2012

Valery Gergiev
mit Solisten, Chor und Orchester des Mariinsky – Theaters St. Petersburg

Werke von Mahler, Rachmaninow und Mussorgsky/Ravel
Denis Matsuev, Klavier

Aufführungen im Festspielhaus Baden-Baden am 21. und 23. Juli 2012

 
 


Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)


Orchestrale Wucht

Von Christoph Wurzel / Foto: Andrea Kremper

Mit den mächtigen Glockenschlägen des Großen Tors von Kiew ging in Baden – Baden eine sowohl künstlerisch wie auch an den Besucherzahlen gemessen höchst erfolgreiche Spielzeit zu Ende. Zu den diesjährigen Sommerfestspielen waren Chor, Orchester und zahlreiche Solisten des Mariinsky – Theaters aus St. Petersburg angereist – über 300 an der Zahl. Damit setzten sie den Rahmen für die gesamte Saison, denn zum Spielzeitstart im Herbst 2011 hatten die St. Petersburger bereits mit allen Sinfonien sowie einigen Solokonzerten von Tschaikowsky in Baden – Baden Station gemacht (siehe unsere Rezensionen). Die enge Kooperation der beiden Häuser und die persönliche Freundschaft beider Chefs bringt es schon seit Jahren mit sich, dass die zweite führende russische Opernbühne (die Konkurrenz mit dem Bolschoitheater in Moskau ist ja nach wie vor unentschieden) mindestens einmal jährlich in Baden – Baden gastiert. Daraus erwächst vor allem immer dann eine richtige Offenbarung, wenn die St. Petersburger sich mit einem Programm vorstellen, das hierzulande nicht so geläufig ist oder einfach angesichts der langen Tradition des Mariinsky-Theaters als besonders authentisch interpretiert erscheint. Unvergessen sind die Konzertreihen mit Schostakowitsch- Sinfonien oder die Aufführungen der auch weniger bekannten Opern von Tschaikowsky. Diesmal hatte Gergiev mit seinen Ensembles  für den Saisonabschluss in Baden-Baden ein Programm vorbereitet, das schon eher Bekanntes enthielt: eine Neuinszenierung von Mussorgskys Boris Godunow (siehe unsere Rezension), die im Frühjahr in St. Petersburg Premiere hatte, sowie 2 Konzerte mit Werken von Mahler, Rachmaninow und Mussorgsky.

Mahlers zweite, die Auferstehungssinfonie, erhielt unter Valery Gergievs Stabführung ausgeprägt dramatische, im letzten Satz fast theatralische Züge. Geschickt waren die Bläser der Fernmusik hinter der Bühne platziert (Mahler: „In weiter Entfernung aufgestellt“) und Gergiev fügte sie  effektvoll ins Klanggeschehen ein. Der Chor durchmaß in der Schlusssequenz eine eindrucksvolle Steigerung der dynamischen Intensität vom extremen Pianissimo bis zum extremen Fortissimo, leider jedoch nicht durchweg homogen genug, dafür aber kraftvoll und in guter Deklamation. Auch im ersten Satz modellierte Gergiev die Kontraste scharf heraus, was dort mitunter das sinfonische Gefüge strapazierte. Nach wuchtigem Beginn nahm Gergiev das E-Dur–Seitenthema sehr breit, zerdehnte es fast. Entgegen derart  interpretatorischer Entschiedenheit in den Ecksätzen, blieb in den Mittelsätzen die spezifisch mahlersche Diktion nur zaghaft ausgeprägt. Zwar wurde schön gespielt (Holzbläser!), doch dem Ländler mangelte es an nostalgischer Grazie und dem Scherzo mit dem Kernmotiv der zwecklosen Fischpredigt des Hl. Antonius fehlte doch der sarkastische Unterton. Die zwei Gesangssolistinnen des Mariinsky-Theaters gestalteten ihre Partien mit nachhaltigem Eindruck: die Mezzosopranistin Zlata Bulycheva mit großem Ausdruck („Je lieber möcht ich im Himmel sein!“) und klangsatter Stimme. Geschmeidig mischte Anastasia Kalagina  ihren hellen Sopran wie Engelsgesang in die Verheißung des Schlusschorals hinein: „Aufersteh’n wirst du“. Insgesamt blieb von dieser Interpretation von Mahlers zweiter Sinfonie der Eindruck  manch schön gelungener Stellen, aber weniger der eines geschlossenen sinfonischen Großbauwerks.

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Es knallte gewaltig: Denis Matsuev und Valery Gergiev mit dem Orchester des Mariinsky-Theaters bei Rachmaninows 2. Klavierkonzert.

Wer sich mehr an orchestraler Kleinteiligkeit erfreut, konnte am zweiten Abend bei den von Maurice Ravel in brillante Instrumentalfarben getauchte Bilder einer Ausstellung erfreuen, die Mussorgsky im selben Jahr der Uraufführung von Boris Godunow ( 1874 am Mariinsky-Theater) als genialen Klavierzyklus entwarf. Hier zeigte das Orchester der St. Petersburger Oper, was es an Virtuosität und Flexibilität zu bieten hat. Vor allem in den großflächigen Klangtableaus gelang eine packende Wiedergabe, aber auch die Silberstift- Zeichnungen der Küklein in ihren Schalen oder die feinsinnige Karikatur der beiden Städtel-Juden Samuel Goldenberg und Schmuyle gerieten zu eindrucksvollen Miniaturen. Da brauchte es nur noch des triumphalen Einzugs durch das Große Tor von Kiew, um diese Wiedergabe zum glänzenden Abschluss der Saison werden zu lassen. Nicht freilich ohne dass im ersten Programmteil mit Rachmaninows 2. Klavierkonzert, einem solistischen Klavierkoloss par excellence, schon ein erstes Aufbäumen klanglicher Wucht über das Publikum hereingebrochen war, das in schöner Eintracht gleichermaßen Gergiev mit seinem Orchester und der russische Pianist Denis Matsuev verursachten. Rachmaninows Konzert ging an die Grenzen differenzierenden Hörens, der Pianist knallte die Akkorde, Kadenzen und Tastenläufe regelrecht in den Saal, die schwermütigen melodischen Bögen malte das Orchester mit dicken Pinselstrichen aus. Kaum Erholung gönnten Solist und Dirigent dem Publikum im 2. Satz, einem fließenden Adagio von durchaus intimer, lyrischer Stimmung, bis es in dessen Mittelteil und dann im 3. Satz schon wieder heftig zur Sache ging. Nach solchen Kraftausbrüchen wirkten die Mussorgsky'schen Bilder anschließend als mentale Ruhepunkte. Glücklicherweise beließen es sowohl der Pianist als auch das Orchester nicht beim musikalischen Muskelspiel. In den Zugaben zeigte sich Matsuev in den filigranen Variationen über Rossinis Barbier-Arie als geistreich witziger Klangkünstler und das Orchester stimmte mit Anatol Lyadows impressionistischer Skizze  Der verzauberte See auf einen sanften Ausklang des Tages ein.

FAZIT

Immer wieder gern zu hören ist in Baden – Baden das Orchester des Mariinsky-Theaters! Vor allem, wenn sie es nicht so arg knallen lassen.

Weitere Rezension zu den Sommerfestspielen 2012: Boris Godunow


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Die Programme


21. Juli 2012

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 2 c-Moll
 „Auferstehungssinfonie“

Anastasia Kalagina, Sopran
Zlata Bulycheva, Alt



23. Juli 2012
Sergej Rachmaninow
Klavierkonzert Nr. 2
c-Moll op. 18
Modest Mussorgsky
Bilder einer Ausstellung
In der Orchesterfassung von Maurice Ravel

Denis Matsuev, Klavier

Chor und Orchester
des Mariinsky – Theaters St. Petersburg
Leitung: Valery Gergiev



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)









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