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Wexford Festival Opera
21.10.2011 - 05.11.2011


Gianni Schicchi

Komische Oper in einem Akt
Libretto von G. Forzano nach dem Canto XXX of "Hell", Teil 1 der Divina Comedia von Dante Alighieri
Musik von Giacomo Puccini

In italienischer Sprache mit italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h (keine Pause)

Premiere im Whites Hotel in Wexford am 26. Oktober 2011
(rezensierte Aufführung: 28.10.2011)

 


 

 

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Göttliche Komödie mit jungem Ensemble

Von Thomas Molke   


Auch wenn Giacomo Puccini immer der Meinung war, dass seine drei Einakter Il tabarro, Suor Angelica und Gianni Schicchi eine Einheit bildeten, die er unter dem Titel Il trittico zur Aufführung gebracht sehen wollte, musste er dennoch einsehen, dass die komische Oper dieses Dreiteilers größeren Anklang beim Publikum fand als die beiden anderen recht dramatischen Werke, so dass er letztendlich zustimmte, Gianni Schicchi auch losgelöst von den beiden anderen Einaktern inszenieren zu lassen. So ist an zahlreichen Bühnen die berühmte Geschichte über den gewitzten Schicchi, der in die Rolle des verstorbenen Buoso Donati schlüpft und die Verwandten mit der Änderung des Testamentes prellt, mit einem anderen Einakter, in Gelsenkirchen und Wuppertal beispielsweise in den letzten Jahren auch mit Zemlinskys florentinischer Tragödie, kombiniert worden. Des Weiteren bietet diese kurze Oper auch die Möglichkeit, sie im Rahmen der Short Works zu präsentieren, zumal sie über eine Vielzahl von Rollen verfügt, die insbesondere jungen Sängern die Möglichkeit gibt, Erfahrungen zu sammeln und nicht im Schatten von einigen wenigen dominierenden Hauptrollen unterzugehen.

Regisseur Roberto Recchia gönnt sich bei dieser Inszenierung den Spaß, selbst in die stumme Rolle des Buoso Donati zu schlüpfen, und schlurft bereits vor Beginn der Oper in langer weißer Unterwäsche, der obligatorischen Schlafmütze und einem Morgenmantel auf die Bühne, die Kate Guinness sehr detailverliebt mit einem großen alten Radio im Stil der 60er Jahre, einer Essecke mit antiken Holzstühlen, einem großen Himmelbett in der Mitte und einer Anrichte mit zahlreichen alkoholischen Getränken eingerichtet hat. Im Hintergrund ermöglichen je nach Lichteinfall durchsichtige schwarze Paravents, auch Szenen hinter dem Zimmer spielen zu lassen. Zwei Gemälde rechts und links von der Bühne, auf denen später die Übertitel eingeblendet werden, zeigen ein altes Gemälde von Florenz mit Dante Alighieri, der in der Hand seine Divina Comedia hält, der die Geschichte um Gianni Schicchi entstammt. Während die Zuschauer noch ihre Plätze suchen, nimmt Recchia am Esstisch Platz und gönnt sich ein Nickerchen. Rechtzeitig zu Beginn der Vorstellung erwacht Recchia dann, um sich eine Suppe zu gönnen, die er aber so stark nachwürzt, dass man der Ansicht sein könnte, dass diese versalzene Suppe der Grund für sein Ableben ist. Die Komödie kann beginnen.

Andrea Grant ersetzt am Klavier das fehlende Orchester und schafft es, mit ihrem temperamentvollen Spiel den Zuschauer nahezu vergessen zu lassen, dass die orchestrale Fülle in der Begleitung fehlt. Der recht familiäre Rahmen im Whites Hotel trägt dazu sicherlich aber auch das Übrige bei. Nun erscheinen nacheinander die Verwandten und spielen passend zur Musik geheuchelte Trauer, dann Panik über das mutmaßlich geänderte Testament und schließlich Verzweiflung über die Enterbung. Dabei gelingt es den Solisten, jedem einzelnen Charakter sehr individuelle Züge zu geben. Daniel Joy und Sarah Power, die als Gherardo und Nella als erste den Raum betreten, treiben in ihrem Spiel die Scheinheiligkeit dieses jungen Paares auf die Spitze. Dabei überzeugt Daniel Joy mit einem kräftigen Tenor und Sarah Power mit einem schönen Sopran. Eleanor Jean Greenwood und Stephen Jeffery wirken als La Ciesca und Marco mit ihren braunen Lederjacken und den Sonnenbrillen schon ein wenig cooler, sind aber genauso habgierig wie die anderen. Marcin Gesla gibt dem Betto di Signa mit fundiertem Bass sehr finstere Züge. Man möchte nicht wissen, an welchen dunklen Geschäften dieser dubiose Verwandte beteiligt ist. Alessandro Spina gelingt als Familiensenior Simone eine sehr würdige Darstellung. Mit geringen Gesten und wenigen Blicken spielt er die eiskalte Berechnung dieser Figur hervorragend aus. Hinzu kommt sein sehr dunkler Bass. Alexandra Cassidy wirkt in der Rolle der Zita fast noch zu jugendlich. Da hätte die Maske ruhig noch ein wenig nachhelfen können. Im Spiel und im Gesang überzeugt aber auch sie auf ganzer Linie.

Ugo Kim gibt einen sehr leidenschaftlichen Rinuccio, der sich vor allem durch seine Naivität von den übrigen Familienangehörigen abhebt. Des Weiteren betrachtet seine Familie auch seine Liebe zu Lauretta als nicht standesgemäß. In seiner recht anspruchsvollen Arie schlägt Kim sich tapfer, wobei seine Stimme aber noch ein wenig reifen muss. Man hat das Gefühl, dass er teilweise an seine Grenzen stößt, so dass er mit größeren Partien noch etwas warten sollte, um sich die Stimme nicht zu ruinieren. Gleiches gilt für die noch sehr junge Marcella Walsh als Lauretta. Bei "O mio babbino caro" beweist sie zwar, dass sie in den Höhen über ausreichendes Volumen und eine schöne Stimmführung verfügt. Der Übergang zur Mittellage klingt aber noch ein wenig belegt. Dennoch geben beide ein entzückendes Paar in dieser ansonsten von Gier besessenen Gesellschaft ab.

Star der Vorstellung ist der Bariton Alessandro Luongo. Auch wenn er optisch für die Titelrolle fast noch zu jung wirkt, immerhin soll er eine nahezu erwachsene Tochter haben, zeigt er mit kräftigem Bariton und sehr zynischem Spiel, was er von den Donatis hält. Wenn er den verstorbenen Buoso mit näselnder Stimme imitiert, ruft er beim Publikum zahlreiche Lacher hervor. Auch wie genüsslich er sich von Sarah Power, Alexandra Cassidy und Eleanor Jean Greenwood umgarnen lässt, die durch ihre weiblichen Reize hoffen, den Löwenanteil des Erbes zu erhalten, zeigt großes komödiantisches Talent. Die Szene, in der er Koji Terada als Notar das Testament verliest, spickt er mit zahlreichen Kabinettstückchen, um die Verwandtschaft, die entsetzt feststellen muss, dass sie um ihr Erbe geprellt wird, in Schach zu halten. Hinzu kommt, dass auch Thomas Faulkner und Piran Legg als Lehrbuben Pinellino und Guccio, die das Testament beglaubigen sollen, aus ihren kleinen Rollen durch große Bühnenpräsenz und neugieriges Herumschnüffeln im Haus des Buoso beziehungsweise großes Interesse an den alkoholischen Getränken in der Bar für Begeisterung im Publikum sorgen.

Wenn Luongo die habgierige Verwandtschaft nach der Änderung des Testaments wütend aus dem Haus gejagt hat, nachdem diese noch gierig an sich gerafft haben, was sie in die Hände bekommen konnten, blickt er doch etwas skeptisch auf das junge Liebesglück seiner Tochter. Den Glauben an das Gute hat er wohl verloren. Den Schlussmonolog der Titelfigur präsentiert Luongo dann auf Englisch, wobei es im Schlussbild aber nicht Schicchi selbst zu sein scheint, der in der Hölle schmort, sondern die gierigen Verwandten, die hinter den schwarzen Paravents in infernalem rotem Licht sichtbar werden. Große Begeisterung und lang anhaltender Applaus für alle Beteiligten, vor allem auch für den Regisseur, der von den Sängern an den Beinen unter dem Bett hervorgezogen wird, wo er einen Großteil der Aufführung als verblichener Buoso verbringen musste.

FAZIT

Große Spielfreude und eine stimmige Inszenierung lassen diese Oper auch ohne großes Orchester zu einem Genuss für Augen und Ohren werden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andrea Grant

Regie
Roberto Recchia

Bühne und Kostüme
Kate Guinness

Licht
David Stuttard

Dramaturgie
Aisling Fitzgerald



 


Solisten

Gianni Schicchi
Alessandro Luongo

Lauretta
Marcella Walsh

Simone
Alessandro Spina

Zita
Alexandra Cassidy

Rinuccio
Ugo Kim

Gherardo
Daniel Joy

Nella
Sarah Power

Gherardino
Francesca Romana Saracino

Betto di Signa
Marcin Gesla

Marco
Stephen Jeffery

La Ciesca
Eleanor Jean Greenwood

Maestro Spinelloccio
Ricardo Panela

Ser Amantio di Nicolao
Koji Terada

Pinellino
Thomas Faulkner

Guccio
Piran Legg

 


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