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Musikfestspiele
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Salzburger Osterfestspiele 2011

Salome
Monodrama in einem Aufzug Musik von Richard Strauss
Text von Richard Strauss nach Oscar Wildes gleichnamiger Dichtung
in deutscher Übersetzung von Hedwig Lachmann


Gemeinschaftsproduktion der Osterfestspiele Salzburg und des Teatro Real Madrid,
in Koproduktion mit Den Norske Opera & Ballett, Oslo

Premiere am 16. April 2011 im Großen Festspielhaus

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 45' (keine Pause)


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Salzburger Festspiele
(Homepage)

Der Mond sieht alles

Von Roberto Becker / Foto von Osterfestspiele Salzburg/ Forster


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Hofgesellschaft unter Mond

Salome war und ist vor allem ein Opernschocker. Obwohl es das Stück von Oscar Wilde ja auch gibt. Es ist heute kaum noch vorstellbar, mit welcher Souveränität des Künstlers Richard Strauss da in den Morgenstunden der Moderne in ein Wespennest von Verdrängtem gestochen haben muss. Daran änderten weder die große Distanz zwischen der Uraufführungszeit 1905 und dem Geschehen am Hofe des Herodes, noch ihre sozusagen biblische Legitimierung etwas. Lange vor den vermeintlichen Eskapaden des sogenannten Regietheaters waren es das Stück selbst, die geniale Musik mit ihrem schwülstig aufgeladenen Fin de Siecle-Flirren, die kühnen Schritte, mit denen sich Richard Strauss hier auf die nachwagnersche Moderne zu bewegte, ja sogar ganz vorne mit marschierte, die aufregten. Dass Strauss diesen Weg nach dem tödlichen Jubeltanz seiner Elektra verließ und sich mit dem Rosenkavalier sein eigenes Reich eines spätromantisch schwelgenden Nachlauschens schuf, ist das eine. Seine beiden frühen Frauenopern aber bleiben das andere. Neben den Libretto-Dichtungen, die Hugo von Hofmannsthal für den bajuwarischen Genussmenschen schuf, gehört die Salome-Textvorlage nach Oscar Wilde wohl zu den besten, selbst schon musikalischen Vorlagen, die Strauss vertont hat. Der überwältigende Eindruck einer Schauspielversion hatte beim Komponisten bereits den Impuls ausgelöst, der Prinzessin von Judäa ein musikalisches Kleid zu verpassen bzw. ihre sieben Schleier fallen zu lassen.


Vergrößerung in neuem Fenster Salome und Jochanaan

Das Stück an sich wird heute, in Zeiten nahezu tabufreier öffentlicher Diskurse über sämtliche Spielarten menschlicher Obsessionen, nicht mehr in Frage gestellt. Außerdem genießt der Einakter durch seine erfolgreiche, über einhundertjährige Rezeptionsgeschichte beim Publikum längst so etwas wie Bestandsschutz. Um eine Ahnung der Kühnheit von Strauss' zu vermitteln, muss sich die Regie heutzutage schon etwas einfallen lassen, um, jenseits von purem Bühnenvoyerismus, in die tieferen unabgegoltenen Dimensionen vorzudringen. Nach der jüngsten Inszenierung von Thilo Reinhardt an der Komischen Oper Berlin muss wohl auch in Stefan Herheims Deutung bei den Salzburger Osterfestspielen davon etwas durch gedrungen sein, denn es gab in beiden Fällen zum Teil heftige Reaktionen bei den Zuschauern und bei der Kritik.

Da gerade bei einer so komplex durchpsychologisierten Musik und mörderischen Titelpartie die musikalische Seite schon die halbe Miete ist, hatte man in Salzburg gute (und, was die Zuschauer betrifft, mit in der Spitze bis über 500 Euro für einen Platz im Großen Festspielhaus auch ziemlich teurere) Karten. Die Berliner Philharmoniker sind unter Sir Simon Rattle bei ihrem aktuellen Abstecher in die Oper auch tatsächlich eine Offenbarung. Sie bieten nicht nur eine exemplarisch ausdifferenzierte Transparenz und Leuchtkraft, sondern faszinieren auch mit Präzision und suggestivem Klang. So war viel zu hören, was sonst einfach untergeht. Simon Rattle gelang es aber auch, über die Szene zu triumphieren und das Ganze zumindest zu einem unstrittigen Graben-Ereignis zu machen.


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Sieben Schleier – Sieben Salomes

Problematischer war die Besetzung. Wenn die Salome von Emily Magee von der immer noch grandiosen Hanna Schwarz als Herodias souverän ausgestochen wird, sich der Herodes von Stig Andersen als schwach und profillos durch die Partie rettet, Iain Paterson als Jochanaan allenfalls solide ist und neben Hanna Schwarz nur Pavol Bresliks Narraboth und Rinat Shahams Page auf Festspielniveau agieren, dann belegt das die Tatsache, dass es für den musikalischen Gesamteindruck eben nicht immer nur aufs Geld ankommt, das für eine Produktion in die Hand genommen wird.

Die Stärke des Regisseurs Stefan Herheim besteht in seiner Bildermacht und der Fähigkeit stringente und im besten Falle sogar gleich mehrere Geschichten zu erzählen. Dafür stehen Don Giovanni (Essen), Tannhäuser (Oslo), der Bayreuther Parsifal und seine Rusalka (die jetzt in Dresden angekommen ist). Wenn er und sein Dramaturg sich aber mit opulenter Metaphorik auf die Umsetzung eines Konzeptes verlegen, können sich diese Bilder auch schnell verselbständigen. Weil in der Salome viel und doppeldeutig vom Mond und vom (gierigen) „Ansehen“ die Rede ist hat Heike Scheele daraus ein Bühnenbild gemacht, das von einem Riesenmond und einem ebenso gewaltiges Teleskop beherrscht wird. Dieser Mond muss sich dann nicht nur effektvoll verfärben, sondern er bekommt auch Risse und kann vielen und dann mit einem Auge selbst auf das Gewimmel zu seinen Füßen schauen, um am Ende zu zerspringen.


Vergrößerung in neuem Fenster Der Kuss (Salome im Kopf des Jochnaan)

Und das Teleskop steht nicht nur als optisches Hilfsgerät im Raum, sondern auch als Phallus-Symbol, als Kanone oder als Laufsteg. Das kulminiert beim Tanz, wenn sich Salome ein Loch in den Mond schießt, dort nach und nach insgesamt sechs Salome-Doubles auftauchen und via Kanonen-Teleskoplaufsteg unter das Personal von Herodes Hofstaat mischen. Der wiederum ist - in gut Herheimscher Manier und von Gesine Völlm mit exquisiten dunkel funkelnden Edelkostümen versehen - eine illustre Ansammlung von religiösen und weltlichen Diktatoren quer durch die Weltgeschichte. Da schwingt Hitler das Tanzbein mit einem Rabbi, da tummeln sich Napoleon, Stalin und Gott weiß wer. Beim Tanz werden die Salome-Doubles zu einer rächenden Amazonentruppe, die den erst kirre gemachten männlichen Tyrannen die Kehlen durchschneidet. Wenn der Kopf des Jochanaan fallen soll, stehen sie alle wieder auf und vollziehen kollektiv den Tötungsbefehl des Herodes und machen damit sozusagen Jochanaan zum Sündenbock.

Wenn am Anfang die drei Paare im Stück, Herodias und Herodes, Salome und Jochannan sowie Page und Narraboth in einem ähnlichen Habitus auftreten und die Wechselwirkung von Verlangen und Abweisung in verschiedenen Varianten nahezu synchron optisch verdeutlicht wird, ist das spannend. Doch jenseits dieser durch die Personenregie sichtbar gemachten Konstellationen fällt mit dem hemmungslos entfesselten Bildertheater die Spannungskurve deutlich ab.

Und wenn der bühnenbeherrschende Riesenmond am Anfang noch mit metaphorischer Bedeutung aufgeladen ist und eine Weile durchaus fasziniert, so wird die Grenze der Karikatur deutlich geschrammt, wenn die Salome-Double herniedersteigen, und der Mond gar auf einen so großen Jochanaan-Kopf blickt, dass Salome in seinen geöffneten Mund steigen muss, um ihn zu küssen. Dieser ziemlich abgedrehte Oralverkehr wird nur noch vom finalen Schuss der Herodias aus der Teleskopkanone auf Herodes übertroffen, bei dem gleich noch der Mond mit zu Bruch geht.


FAZIT

Bei den Salzburger Osterfestspielen haben Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker aus Salome ein Graben-Ereignis gemacht. Leider war die vokale Ausstattung dieser Produktion nicht durchgängig überzeugend. In seiner Inszenierung gelingen Stefan Herheim interessante Momente. Mit seinem entfesselten Bildertheater kann er diesmal aber weder das durchscheinende ambitionierte Konzept überzeugend beglaubigen, noch die Spannung durchgängig halten, die Rattle im Graben bietet.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Simon Rattle

Inszenierung
Stefan Herheim

Bühne
Heike Scheele

Kostüme
Gesine Völlm

Licht
Joachim Klein

Video
fettFilm
(Momme Hinrichs,
Torge Møller)

Dramaturgie
Alexander Meier-Dörzenbach



Berliner Philharmoniker


Solisten

Salome
Emily Magee

Herodes
Stig Andersen

Herodias
Hanna Schwarz

Jochanaan
Iain Paterson

Narraboth
Pavol Breslik

Page der Herodias
Rinat Shaham

Erster Jude
Burkhard Ulrich

Zweiter Jude
Bernhard Berchtold

Dritter Jude
Timothy Robinson

Vierter Jude
Marcel Beekman

Fünfter Jude
Richard Wiegold

Erster Nazarener
Reinhard Hagen

Zweiter Nazarener
Andrè Schuen

Erster Soldat
Oliver Zwarg

Zweiter Soldat
Wilhelm Schwinghammer


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