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Zwei Konzerte des Hilliard Ensembles

15. September 2011
Litany for a Whale
Sui-Zen trifft John Cage
The Hilliard Ensemble mit Tadashi Tajima


14. 9. 2011 und 16.9.2011
 In Paradisum
Rezensierte Vorstellung am 16. 9. 2011

Logo: Ruhrtriennale 2011

Klangreise ins Innere

von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Michael Kneffel

  The Hilliard EnsembleFoto

Zwei im weitesten Sinne geistliche, musikalisch aber sehr unterschiedliche Konzerte präsentierte das Hilliard-Ensemble im Rahmen der  Ruhrtriennale 2011: Litany for the whale ist eine Auftragsproduktion der Ruhrtriennale, wo teilweise für das Hilliard-Ensemble komponierte A-Capella-Werke des 20. und 21. Jahrhunderts auf zen-buddhistische Klangmediationen des japanischen Shakuhachi-Meister Tadashi Tajima trafen. In Paradisum ist ein auch auf CD vorliegendes Konzert, das verschiedene Messteile des Requiem als gregorianische, antiphonale Gesänge mit mehrstimmigen, liturgischen Vertonungen der beiden maßgeblichen Renaissance-Komponisten, Tomás Luis de Victoria und Giovanni Pierluigi da Palestrina mischt.

Um es gleich vorweg zu nehmen, die spannungs- und abwechslungsreiche Interpretation künstlerisch-geistlicher Improvisation und Musik des 20./21. Jahrhunderts hat mir wesentlich besser gefallen als die Darbietung der verschiedenen Requiemgesänge. Lag es am Konzertzeitpunkt? Meine In Paradisum-Vorstellung war das dritte Konzert des Hilliard-Ensembles in Folge. Lag es am pausenlosen Verlauf des Konzertes, der den Sängern in diesen beginnenden Grippezeiten offensichtlich zu wenig Ruhe- und Erholungsmomente bot? Lag es an dem an diesem Abend nicht eingelösten Ideal einer Interpretationskunst, die jenseits expressiver Beseeltheit den ätherisch entrückten, fließenden, hin und wieder aufblühenden Wohlklang kultiviert? 

FotoTadashi Tajima

Im Unterschied zu Litany for the whale fehlte diesem Abend auch die am Interpretationsideal gemessene nötige stimmliche Ausgewogenheit. Countertenor David Gold, der sich  kurzfristig bereit erklärt hatte, die Partie des erkrankten David James zu übernehmen, überstrahlte mit seiner schlanken, kräftigen, in der Höhe manchmal geradezu schneidend wirkenden Stimme das übrige Ensemble auch an Stellen, in denen der Cantus Firmus nicht in der Oberstimme liegt. Und trotzdem, das Programm war vor allem musikhistorisch eine Bereicherung. Nur selten bietet sich die Gelegenheit, so tief in die Anfänge der schriftlich überlieferten, mehrstimmigen, abendländischen Komposition einzutauchen, die vielfältigen Verknüpfungen von einstimmiger, an der Wortsilbe orientierter gregorianischer Gesangslinie, melismatischer Ausdeutung und polyphoner Mehrstimmigkeit zu erleben.

Abwechslungsreicher und die besonderen akustischen Bedingungen der Industriekathedrale aufgreifend war das Konzert Litany for the whale. Als der leicht variierende Wechselgesang wie ein den Schlaf beschwörendes unrhythmisiert fließendes, einfaches, aus langen Notenwerten bestehendes Kinderlied durch den weiten Raum der Jahrhunderthalle wanderte und die Kernphrase des gleichnamigen Cage-Ohrwurms (reduziert auf die 5 Töne d, c, h, g, a - auf  zwei Sekundschritte abwärts folgt eine Terz, anschließend die Sekunde aufwärts zum a) litaneiartig wiederholt und prozessionsartig von zwei Sängern durch den Raum getragen wurde, war es mehr als still. Statt ruhestörendem Hüsteln, Schniefen, Klingeln und  Klappern  herrschte konzentrierte Aufmerksamkeit. Schloß man die Augen zentrierte sich diese ganz auf den sich nähernden und entfernenden, emotionslos strömenden Raumklang der beiden Stimmen.

Auf diese Darbietung des Hilliard-Ensembles folgte die dritte, vorletzte zen-buddhistische Klangmeditation des japanischen Künstlers und Shakuhachi-Meisters Tadashi Tajima. Im Unterschied zu den anderen drei Meditationsmelodien, die getragen vom gleichmäßigen Atemstrom die Grenzen von Ton und Geräusch ausloten, zeichnete Tadashi Tajima in Nistende Kraniche in rhythmisch bewegten, kunstvollen Verzierungen und virtuos aufeinanderfolgenden Spielweisen ein phasenweise sogar mehrstimmiges Klangbild zum Thema "barmherzige Liebe", das - jenseits meditativer Versenkung - Kranicheltern bei ihrer Fürsorge für die Jungen musikalisch vor Augen führte. 

FotoAus den Höhen der Jahrhunderthalle gesungen: Belcastros "La Voce delle Creature"

Wie kunstfertig der Meister seine Längsflöte aus Bambus beherrscht, wird besonders deutlich, wenn man die begrenzte Tonskala und harmonischen Möglichkeiten des Instruments bedenkt. Die hauchige Klangfarbe - insbesondere des Bassinstrumentes - schillerte in der Industriehalle manchmal wie Gebläse imitierende Winde  und es ist eigentlich heute nicht mehr nachvollziehbar, dass sich das Flötenspiel ursprünglich auf meditative Übungen, "Brücken zur Erleuchtung", beschränkte, bei denen Zuhörer unterwünscht waren.

Luca Belcastros La voce delle creature erklang als leicht ironisch wirkender, kunst- und phantasievoller Seitenblick von oben. Symbolhaft für die Suche nach dem Ursprung und die Schönheit der Natur wechselten hier gesprochene Wörter, auch Sätze mit  harmonisch vielfältigen Vokal- Klangkonstellationen und zischenden, knackenden, geräuschhaften Lautpassagen.



FAZIT

Die Auftragsproduktion der Ruhrtriennale Litany for the Whale begeisterte, während In Paradisum  die Erwartungen nicht einlösen konnte.




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Litany for the Whale

The Hilliard Ensemble
Tadashi Tajima

Heinz Holliger:
Jisei I.

Tadashi Tajima:
Honkyoku San'ya

Komitas Vardapet:
Sharakans

Tadashi Tajima:
Honkyoku Daha no kyoku

John Cage:
Litany for the Whale

Tadashi Tajima:
Honkyoku Tisuru no sugomori

Luca Belcastro:
La Voce delle Creature

Tadashi Tajima:
Honkyoku Kokû

Ken Ueno:
Shiroi Ishi

In Paradisum

The Hilliard Ensemble

Tomás Luis de Victoria:
Taedet animam meam


Introitus
Requiem aeternam, Kyrie


Giovanni Luigi da Palestrina:
Domine, quando veneris


Graduale
Requiem aeternam


Tomás Luis de Victoria:
Libera me Domine


Tractus
Absolve Domine


Giovanni Luigi da Palestrina:
Ad Dominum cum tribulare


Sequenz
Dies irae


Giovanni Luigi da Palestrina:
Miserere mei Deus


Offertorium
Domine Jesu Christe


Tomás Luis de Victoria:
Peccantem me quotidie


Sanctus
Benedictus


Giovanni Luigi da Palestrina:
Heu mihi Domine


Agnus Dei
Communio
Lux aeterna


Giovanni Luigi da Palestrina:
Libera me domine



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