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Zwei Konzerte der Ruhrtriennale   

3. Oktober 2011    
Drumming 
Ein Schlagquartett und das unendliche Metrum der Welt

Schlagquartett Köln


6. Oktober 2011
When Past & Future Collide:
Paris 1919

John Cale & Band und die Bochumer Symphoniker

Logo: Ruhrtriennale 2011

Musikalische Anregungen aus den 1970ern

von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Ursula Kaufmann


"Wir Menschen können das Jetzt nicht fassen. Wenn wir uns des gegenwärtigen Augenblicks bewusst werden, ist er schon vergangen", schreibt Willy Decker in seinem Vorwort zum Themenschwerpunkt "Suche nach dem Jetzt" der diesjährigen Ruhrtriennale.

Wie sich die 1970er Jahre mit Musik als Zeitkunst auseinandergesetzt haben, beleuchteten zwei bejubelte Konzerte. Eines fand in der erstmalig bespielten Turbinenhalle an der Jahrhunderthalle Bochum statt, eines in der Lichtburg in Essen. Beide präsentierten Kompositionen der 1970 er Jahre bzw. in der Tradition derselben stehende. Beide spiegelten die Spannbreite eines fantasievollen, produktiven, von indischer Musik und Philosophie angeregten künstlerischen Lebensgefühls, wo Komposition und Improvisation manchmal nicht voneinander zu unterscheiden sind.

Foto 1Die Kunst des chinesischen Gongspiels in der Vivier-Komposition 

In Drumming, einer vielseitigen Konzert-Hommage an Steve Reich, der im September noch selbst bei einem Konzert in Bonn mitwirkte und an diesem Tag seinen 75. Geburtstag feierte, präsentierte das virtuose Schlagquartett Köln neben der eher meditativ wirkenden, 1973 entstandenen Komposition Music for Pieces of Wood auch den Power versprühenden ersten Teil der 1970/71 entstandenen, gleichnamigen Komposition.

Beide zeigen die Mitte der 1950er Jahre in den USA aufkommende, ähnlich der Bildenden Kunstrichtung ausgerichtete musikalischen Grundprinzipien der Neuen Einfachheit der Minimal Music: Metrumartig wiederholen die Musiker  einfache, formelhafte Motive und verändern sie  minimal durch Akzentverlagerungen oder hinzugefügte Motivabspaltungen, mal auf vier Paar gestimmten, mit Sticks bespielten Bongos oder mit Claves und Röhrentrommeln. Die aneinandergereihten, fast gleichförmigen Abschnitten wirken wie ein permanentes, immer leicht variiertes Klangkontinuum.

Daneben, in dem 1980 komponierten Werk von Claude Vivier, entfalten lange nachklingende, verschieden große Gongs ihre Raumwirkung, mischen sich mit einem ebenso aus dem Gamelan-Orchester stammenden, leicht verstimmten metallophonähnlichen Instrument und entführen melodisch-harmonisch in außereuropäische, balinesische, javanische Klangwelten.

Nach der Pause ertönte die strukturell und klanglich fantasievollste Komposition dieses Konzerts: Younghi Pagh-Paans 1994 enstandene Komposition Tsi-shin-kut, wo verschiedenste Holz-, Fellinstrumente, Chimes oder Steine aber auch Zuspielungen vom Band wie Klagegesang, eine mit Stereo-Raumeffekt von links nach rechts rollende Kugel ein farbenreiches atmosphärisch dichtes Erdgeist-Ritual illustriert.

Foto 2                                 Chimes und Didgeridoo bei Younghi Pagh-Paans Erdgeistritual  

Klug platziert erfolgte dann der ironische Cage-Kommentar aus dem Jahre 1980, wo u.a. der Klang elektrisch verstärkter Kaktusstacheln, Muscheln und Farngewächse unter die Lupe genommen wird. Witziger, auch schauspielerischer Höhepunkt war die Zugabe des Schlagquartetts, wo die Vier im Kreis stehen und mithilfe der rechts und links stehenden Kollegen-Köpfe eine mehrstimmige Boomwhackers-Komposition zum Klingen brachten.

Ein ganz anderer, künstlerischer Minimal Music-Ausflug in die 1970er war das Artrock-Konzert in der Essener Lichtburg. Die Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Harry Curtis und der 1942 geborenen John Cale und Band spielten Paris 1919 und andere Cale-Kompositionen teilweise für Ochester arrangiert von Randy Woolf.

Wie sehr das 1973 entstandene, bekannteste Soloalbum Paris 1919 damals schockte, lässt sich auch heute noch nachvollziehen, wenn man den in smart schillerndem Anzug mit grüner Krawatte auftretenden Künstler auf der Bühne erlebt. Ähnlich der Atmosphäre eines klassischen Konzertes präsentiert Cale seine Texte, in denen sich historische Persönlichkeiten, im weitesten Sinne Politisches und Privates surreal mischt, konzentriert und emotionslos. Trotz des symphonischen überwiegend aus Streichern bestehenden Orchesterglanzes im Hintergrund wirken die streng durchkomponierten, immer harmonischen Arrangements minimalistisch cool, manchmal - bis auf die hin und wieder wunderbar virtuos aufleuchtenden Gitarrensoli Dustin Boyers - merkwürdig monoton.

Zugabe und die Stücke nach der Pause komplettierten das breite, musikalische Spektrum des Meisters. Mit Rock 'n' Roll, Akkordgitarre und längeren Gitarrensoli Dustin Boyers wurde es einerseits deutlich energischer, rockiger, andererseits sind die Orchesterarrangements, die auch verschiedene Spielweisen und Blechbläser miteinbeziehen, deutlich ausgefeilter. Hier wäre eine differenziertere, deutlichere Abmischung vor allem des Orchesters wünschenswert gewesen.
 






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Drumming

Schlagquartett Köln
Thomas Witzmann 

Steve Reich:  
Music for pieces of wood

Claude Vivier:
Cinq chansons pour percussion

Komitas Vardapet:
Sharakans

Younghi Pagh-Paan:
Tsi-shin-kut (Erdgeist-Ritual)

John Cage:
Branches for amplified plants

Steve Reich:
Drumming Part I


When Past & Future Collide


John Cale & Band


Bochumer Symphoniker
unter der Leitung von  Harry Curtis


John Cale:
Paris 1919   

Weitere Cale-Highlights







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