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Musikfestspiele
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The Giacomo Variations   

Ein Musiktheaterprojekt von Michael Sturminger und Martin Haselböck 

Texte von Lorenzo da Ponte, Giacomo Casanova  
Musik: W.A. Mozart, Bernhard Lang

in englischer und italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln   

Aufführungsdauer: ca. 2 h 40' (eine Pause)

Premiere am 3. Mai 2011 im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen
Rezensierte Aufführung am 4. Mai 2011


Logo: Ruhrfestspiele Recklinghausen

Ruhrfestspiele Recklinghausen
(Homepage)

Viva la libertà    

Von Ursula Decker-Bönniger   / Fotos von Nathalie Bauer   

Die Ruhrfestspiele Recklinghausen eröffneten die diesjährige Spielzeit mit der Deutschlandpremiere der Giacomo Variations. - eine mit den Vereinigten Bühnen Wien koproduzierte Kammeroper, in der -  in Verbindung mit Ausschnitten aus berühmten Mozart-Opern - der legendäre Frauenliebhaber und Libertin Chevalier de Seingalt Giacomo Girolamo Casanova einen Rückblick auf seine gelebten Ideen und sein bewegtes Leben wirft.


SzenenfotoGiacomo (John Malkovich) lässt sich von Gräfin Isabella (Ingeborgha Dapkunaite) gerne verwöhnen.

Sieht man einmal von den unverbesserlichen John-Malkovich-Fans ab, so meinen einige, man hätte den Saal getrost nach der ersten Actionszene, einer Herzattacke des alternden Libertin, verlassen können. Viel sei von der Charakterisierungskunst des Hollywoodstars John Malkovich anschließend nicht mehr zu sehen gewesen. Andere wiederum vermissen bei der revueartigen Aneinanderreihung bekannter Mozart-Da Ponte- Opernhits einen bei guter Opernregie deutlich werdenden dramatischen Aufbau, Spannung und interpretatorische Auseinandersetzung mit Mozarts musikalischer Charakterisierungskunst. Die Idee, witzige, teilweise tragisch-komische Szenen aus den Mozartopern Cosi fan tutte, Figaro und Don Giovanni mit denen des Freigeists Casanova zu verknüpfen, entstand während der Ruhrfestspiele 2010 anlässlich der bejubelten Musiktheaterkreation The Infernal Comedy. Während Malkovich damals einen Frauenserienkiller verkörperte, soll er nun in die Rolle des aufgeklärten Verführers und Libertins schlüpfen.

Ziel des Textautors und Regisseurs Michael Sturminger und des auch für das Musikkonzept verantwortlichen musikalischen Leiters Martin Haselböck ist es außerdem, eine "zeitgemäße Annäherung" an die Aufklärung, das ausgehende 18. Jahrhundert, Mozarts Da Ponte-Opern und freigeistigen Ansichten Casanovas zu zeigen. Bei den Klängen des 1. Satzes der Prager Sinfonie als Ouvertüre, dem neckischen Versteckspiel, der romantisch verliebten, sehnenden Cherubino-Arie Non so piu cosa son, cosa faccio ahnt man noch nicht, dass mit Mozartinischer Leichtigkeit auch Tabuthemen wie Inzest, Vergewaltigung, Sex mit Minderjährigen etc. angesprochen werden. Malkovich kommentiert diese Passagen aus Casanovas Lebenswerk mit einem bedächtigen Auf und Ab des alternden Bohemien, trocken-sarkastischem Kommentar oder breitem, ironischen Grinsen. Entsprechend auch die Arien- und Ensembleauswahl. Auf der einen Seite erklingen bspw. die Champagnerarie, das  Ballfinale aus dem ersten Akt der Oper Don Giovanni, um Casanovas Verführungskünste zu untermalen. Auf der anderen Seite werden z. B. die Folgen eines Liebesabenteuers für die Frauen mit Abschiebung ins Kloster und Fehlgeburt benutzt, um Mozarts intendierte Anspielungen z.B. in der Arie der Barbarina L'ho perduta me meschina aus dem 4. Akt des Figaro zu erhellen. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass viele der gewählten Musikbeispiele wie bspw. aus Don Giovanni die Registerarie, die Canzonette Deh, vieni alla finestra, o mio tesoro musikalische Kommentare sind, in denen Mozart selbst mittels einer anderen Figur das dramatische Geschehen schamlos, frech und musikalisch leicht zuspitzt. Ergebnis ist ein inhaltlich ausgerichtetes, sehr intellektuelles Spiel zwischen Mozart, Da Ponte und Casanova, das auf der Bühne trotz des fürstlichen Kostümrausches nicht seine darstellerische Entsprechung findet.

Szenenfoto                                                                                                       John Malkovich als Giacomo Casanova

Das Bühnenbild des Tourneetheaters sind drei unterschiedlich großen Krinolinen, die - abgesehen von kleinen Lichteffekten - wie unveränderte Zelte die Lebensräume Casanovas auf Schminktisch, Bett und Schreibtisch darstellen. Sieht man einmal von zeitweisen Liebesakten im Bett und Malkovichs Sitzen hinterm Schreibtisch ab, bleiben sie schmückendes Beiwerk und werden selten in das Beziehungsspiel mit einbezogen.

Schauspielerisch überzeugend ist vor allem Ingeborgha Dapkunaite als zarte, sophistische Lady, mitfühlende Gräfin Isabella, die wirklichkeitsnah zwischen Neugierde, erobern und erobert werden pendelt. Der kurzfristig eingesprungene, lyrische Bariton Markus Eiche stellt überzeugend die Rolle des Giacomo II in den verschiedenen Opernhits dar, auch wenn es ihm bei der Champagnerarie ein wenig an Kraft und Spritzigkeit im Ausdruck bei dem vom Orchester vorgegebenen Tempo fehlte. Ausdrucksvoll und differenziert gestaltend übernimmt Martene Grimson mit klarem, lyrisch schwingendem Sopran die verschiedenen Frauenrollen. Sprechend auch das kleine, etwa 35 Mitglieder umfassende, an historischer Aufführungspraxis orientierte Orchester Wiener Akademie unter der Leitung Martin Haselböcks.


FAZIT

ein interessantes Konzept, das - nicht zuletzt wegen mangelnder Dramaturgie und vielen Wiederholungen - in seiner Bühnenwirksamkeit weder als Schauspiel noch als Oper überzeugen kann.                                                        



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Martin Haselböck

Inszenierung
Michael Sturminger   

Bühnenbild und Kostüme:  
Andreas Donhauser,
Renate Martin



Orchester Wiener Akademie


Solisten
* Besetzung der rezensierten Aufführung

Giacomo I:
John Malkovich

Giacomo II:
Florian Boesch/
 *Markus Eiche

Isabella I:
Ingeborgha Dapkunaite     

Isabella II:
Eva Liebenau/
*Martene Grimson
  




Weitere Informationen
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Ruhrfestspielen Recklinghausen
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