Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
|
Die Reise ins NirgendwoVon Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival (studio amati bacciardi)
Madama Cortese (Carmen Romeu, Mitte) treibt das Personal zur Arbeit an (von links: Matteo D'Apolito, Marcos Carrero, Kanae Fujitani, Elena Tsallagova, Elier Mu ňoz, Caner Akin, Lu Yuan, Marina Pinchuk, Adriana di Paola, Vera Chekanova und Andrea Vincenzo Bonsignore).Die Inszenierung von Emilio Sagi aus dem Jahr 2001 bleibt dabei in jedem Jahr gleich und wird lediglich mit anderen Interpreten neu in Szene gesetzt. Da diese Inszenierung in den vergangenen Jahren aber an dieser Stelle noch nicht rezensiert worden ist, sollen zunächst ein paar Worte dazu geäußert werden. Die Geschichte handelt von einer illustren Reisegesellschaft, die im Kurhotel "Goldene Lilie" in Plombières abgestiegen ist, um von dort zu den Krönungsfeierlichkeiten Karls X. nach Reims zu reisen. Da diese Reise aber mangels Transportmittel nicht stattfinden kann, beschließt man, im Hotel zu bleiben und stattdessen dort zu feiern. Emilio Sagi siedelt die Szene auf einem Schiff an, wobei der blaue Hintergrund ein Zeichen dafür ist, dass die Reise nirgendwo hingeht. Das Schiff ist im ersten Akt mit neun weißen Liegestühlen und weißen Beistilltischchen vor einer weißen Reling ausgestattet. Das Personal wirkt in der weißen Pflegekleidung mit Namensschildern wie Krankenpfleger, während die Hotelgäste jeweils mit weißen Bademänteln und Handtüchern auftreten, was die Unterscheidung der einzelnen Figuren durch das einheitliche Dress zunächst etwas schwierig macht. Als dann klar wird, dass die Reise nach Reims nicht stattfinden wird, wechseln alle Figuren die Kostüme und legen schwarze Abendgarderobe an, um sich nach der Pause mit einer großen weißen Girlande über dem Schiff selbst zu feiern. Zefirino (John-Colin Gyeantey, Mitte) berichtet den aufgeregten Gästen, dass die Reise nach Reims leider nicht stattfinden kann (von links: Elena Tsallagova, Kanae Fujitani, Adriana di Paola, Maria Aleida, Caner Akin, Giampiero Cicino, Giorgio Misseri, Matteo D'Apolito, Lu Yuan, Elier Mu ňoz, Marco Carrero und Andrea Vincenzo BonsignoreEin witziger Einfall gelingt Sagi am Ende der Aufführung, wenn er zum feierlichen Schlussgesang Corinnas den König Karl X. als Kind mit Krone und drei Luftballons als Szepter durch den Zuschauerraum auftreten - laut Libretto ist es nur ein Gemälde der königlichen Familie, das auf der Bühne sichtbar wird - und zu der Gesellschaft auf die Bühne treten lässt. Während der König aber hofft, von der Gesellschaft feierlich begrüßt zu werden, ist diese mittlerweile so mit sich selbst beschäftigt, dass sie die Anwesenheit des eben noch besungenen Königs gar nicht bemerkt, so dass dieser sich völlig frustriert ein Butterbrot auspackt und es an der Bühnenrampe verspeist. Ansonsten lässt die Regie den Bühnenfiguren großen Freiraum, ihre Rollen im Rahmen des Regiekonzeptes nach eigenen Vorstellungen zu entwickeln. Yi-Chen Lin am Dirigentenpult. Das junge Ensemble besteht aus 16 Sängerinnen und Sängern, die auch die Chorpartien übernehmen. So fällt zunächst im Chor und später in der kleineren Rolle der Modestina, der Zofe der Contessa di Folleville, Kanae Fujitani mit schönem Sopran und expressivem Spiel auf. Mit ihrem Spielwitz wirkt sie bereits wie eine Susanna aus Le nozze di Figaro. Den ersten Szenenapplaus kann Vera Chekanova als Madama Cortese für sich verbuchen. Mit sehr beweglichem Sopran mahnt sie in ihrer ersten Szene ihr Personal, dem guten Ruf des Hotels Ehre zu machen. Es folgt der Auftritt Maria Aleidas als Contessa di Folleville, die in ausdrucksstarkem Spiel diesem Namen alle Ehre macht. Mit divenhaften Allüren verleiht sie ihren Sorgen um die noch nicht eingetroffenen Kleider Ausdruck und trällert dabei mit sauberen Koloraturen ihre Verzweiflungsarie über den Verlust ihres Gepäckes, bis sie sich durch einen von Modestina geretteten Hut beruhigt. Finale mit König Karl X. (vorne links an der Rampe), den keiner bemerkt (von links: vordere Reihe: Marcos Carrero, Vera Chekanova, Elena Tsallagova, Andrea Vincenzo Bonsignore, Giorgio Misseri, Maria Aleida, Kanae Fujitani, John-Colin Gyeantey, Li Yuan, Carmen Romeu, Caner Akin und Adriana di Paola, hintere Reihe von links: Giampiero Cicino, Marina Pinchuk, Elier Mu ňoz und Matteo D'Apolito).Die nächste Szene präsentiert Adriana di Paola, die als polnische Witwe Marchesa Melibea mit sehr wohl timbriertem Mezzo gleich zwei Herren um den Verstand bringt: zum einen Elier Mu ňoz als optisch sehr überzeugenden spanischen Edelmann Don Alvaro, dessen Bass schon über ein recht volles Volumen verfügt, in den Tiefen aber noch etwas reifen kann, und zum anderen Caner Akin als russischen Conte di Libenskof, dessen Tenor in den Mittellagen bereits sehr schön klingt, in den Höhen aber noch einige Probleme aufweist, was Akin dazu bringt, zu stark zu forcieren, um die Töne zu treffen. Ergänzt werden die drei in einem Sextett von Giampiero Cicino, der mit weichem Tenor den Barone di Trombonok als eine Art Spielleiter gibt, dem Buffo-Bass Matteo D'Apolito, der als Literat Don Profondo für komische Momente sorgt, und der bereits erwähnten Vera Chekanova. Beruhigt wird diese recht aufgeheizte Szene von dem glockenklaren Gesang Elena Tsallagovas als Corinna aus einer Loge im Publikum. Zur Harfe lässt sie ihren wunderbaren Sopran strömen und macht deutlich, dass hier eine Ausnahmesängerin zu hören ist, die übrigens schon als Creusa in Mayrs Medea in Corinto in der Bayerischen Staatsoper glänzen konnte. Das Publikum belohnt ihren Auftritt mit nicht enden wollendem Applaus. Auch der nun auftretende Andrea Vincenzo Bonsignore überzeugt mit profundem Bariton als Lord Sidney, obwohl er bei den schnellen Tempi mit dem Orchester nicht immer sauber mithalten kann. Seine Arie, in der er seine unerhörte Liebe zu Corinna besingt, wird mit großen roten Papierherzen von Chekanova, Fujitani und Marina Pinchuk als Maddalena begleitet.
Zu einem weiteren Höhepunkt der Vorstellung gerät das
Duett zwischen Tsallagova und Lu Yuan als Cavalier Belfiore, der zwar eigentlich
zur Contessa gehört, nun aber Corinna schöne Augen macht. Mit sehr kräftigem
Tenor, der auch in den Höhen bereits die erforderliche Durchschlagskraft
besitzt, gibt Yuan darstellerisch mit vollem Körpereinsatz einen eitlen Geck,
der für sehr komödiantische Momente sorgt. In der folgenden Buffo-Arie Don
Profondos, in der D'Apolito alle Erfordernisse für die Reise bezogen auf die
nationalen Eigenheiten noch einmal zusammenfasst, gelingt dem jungen Bass ein
Glanzstück in dem er noch einmal sein ganzes komödiantisches Talent zur Schau
stellen kann, mit dem er bereits in Bad Wildbad in diesem Sommer als Tobia in
Pavesis Oper Ser Marcantonio glänzte. Bei den abschließenden
Feierlichkeiten kann dann jeder der genannten Interpreten noch einmal in einer
kleinen Gesangsdarbietung zeigen, wie Rossinis Musik die verschiedenen
nationalen Musikstile zu karikieren vermag. Ganz großes Lob ist auch der jungen
Dirigentin Yi-Chen Li auszusprechen, die das Orchestra Sinfonica G. Rossini mit
fein abgestimmten Tempi durch die Partitur führt und die Vormittagsvorstellung zu
einem Ereignis abrundet, das musikalisch und darstellerisch durchaus mit den
Abendveranstaltungen mithalten kann.
FAZIT
Dieses Projekt des Rossini Opera Festivals ist auf jeden Fall
empfehlenswert und wird auch im nächsten Jahr mit neuen Sängerinnen und Sängern
wieder zu erleben sein.
Weitere Rezensionen zu dem Rossini
Opera Festival 2011 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungYi-Chen Li Regie und Bühne Szenische Leitung Kostüme
Solisten*rezensierte Aufführung Corinna
Marchesa Melibea
Contessa di Folleville
Madama Cortese
Cavalier Belfiore
Conte di Libenskof
Lord Sidney /
Antonio Don Profondo Barone di Trombonok Don Alvaro / Don Prudenzio
Don Luigino
Delia Maddalena
Modestina
Zefirino
Gelsomino |
- Fine -