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Neuburger Kammeroper 2011
23.07.2011 - 31.07.2011


Männer! Augen auf!
(Mariti aprite gli occhi! ossia
La gelosia corretta)

Dramma giocosa per musica in zwei Akten
Libretto von Andrea Leone Tottola
Übersetzung und Bearbeitung von Annette und Horst Vladar
Musik von Michele Enrico Carafa


In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 25' (eine Pause)

Premiere im Stadttheater in Neuburg an der Donau am 23. Juli 2011
(rezensierte Aufführung: 29.07.2011)




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Das Problem mit der Eifersucht

Von Thomas Molke / Fotos von Ralph Pauli


Michele Enrico Carafa gehört zwar nach heutigem Stand der Musikwissenschaft nicht zur ersten Liga der zahlreichen Opernkomponisten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, kann jedoch als recht erfolgreicher Vertreter der italienischen Schule seiner Zeit angesehen werden, den nicht nur eine lebenslange Freundschaft mit Rossini verband, sondern der auch einige Musikstücke zu den Werken des erfolgreicheren Pesaresen beisteuerte. Nachdem 2006 bereits in Bad Wildbad seine Buffo-Oper I due Figaro mit großem Erfolg wieder entdeckt worden ist, stellt nun auch Horst Vladar mit der Neuburger Kammeroper ein weiteres Werk des Neapolitaners zur Diskussion, um dem größtenteils vergessenen Komponisten die Anerkennung zuteil werden zu lassen, die ihm gebührt, und vielleicht das Urteil über seine angeblich fast immer banale Melodienabfolge zu revidieren.

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Procopio Fracci (Michael Hoffmann, links) und sein Bruder Riccardo (Joachim Herrmann, rechts) untersuchen den liebeskranken Enrico Tottola (Matthias Heubusch, Mitte).

Die Oper handelt von den beiden Brüdern Procopio und Riccardo Fracci und ihren Problemen mit ihren frisch vermählten Ehefrauen. Während Bellinda Riccardos Eifersucht schürt, indem sie stets offen mit dem mittellosen Verehrer Don Marrazzo da Terrasecca flirtet, scheint Procopios Ehefrau Constanza das genaue Gegenteil zu sein. Schon wenn Procopio das Haus verlassen will, um seine Patienten zu besuchen, veranstaltet sie ein regelrechtes Drama und will ihn nicht gehen lassen. Dabei nutzt sie jede Gelegenheit, in Abwesenheit ihres Gatten dem jungen Dichter Enrico Tottola als geheimnisvolle Signora Andronica den Kopf zu verdrehen. Procopios und Riccardos Onkel Antonio beschließt, seinen beiden Neffen die Augen über ihre Ehefrauen zu öffnen, und rät den beiden, mit einer vorgetäuschten Abwesenheit die Gattinnen auf die Probe zu stellen. Während Riccardos Sorgen bei diesem Versuch sofort zerstreut werden, da Bellinda ihrem Verehrer eine deutliche Abfuhr erteilt und offen ihre Liebe zu ihrem Mann bekennt, traut Procopio seinen Augen nicht, wenn er beobachten muss, dass Constanza sofort Bellindas abgelegten Verehrer tröstet. Als dann Enrico erkennen muss, dass seine heimlich angebetete Signora Andronica nicht nur verheiratet ist, sondern auch anderen Verehrern ihre Gunst schenkt, kommt es zum Eklat. Reumütig bittet Constanza ihren Gatten um Vergebung. Es kommt zwar zu einer Aussöhnung und damit zum obligatorischen Happy End, inwiefern man den Treueschwüren der geläuterten Ehefrau jedoch Glauben schenken darf, bleibt fraglich.

Multitalent Horst Vladar, der als Regisseur und künstlerischer Leiter der Neuburger Kammeroper gemeinsam mit seiner Frau Annette auch das italienische Libretto ins Deutsch übertragen hat und selbst als Onkel Antonio auf der Bühne steht, verzichtet bei seiner Inszenierung auf eine moderne Verfremdung und belässt die Handlung des Stückes in einer nicht näher erwähnten Kleinstadt und der damaligen Zeit, ohne dabei an Aktualität einzubüßen. Das Bühnenbild von Ulrich Hüstebeck deutet dabei auf der rechten Seite das Haus Riccardos und auf der linken Seite das Haus Procopios an. Zu Beginn sieht vor beiden Türen je ein überdimensionales Konterfei eines Mannes, der wohl den jeweiligen Dottore darstellen soll. Hinter diesen beiden Köpfen sind jeweils in ganzer Größe die beiden Frauen gezeichnet. Schon die Körperhaltung der Damen zeigt an, wer in diesen Häusern das Sagen hat. Von den beiden Eingängen führt jeweils eine Treppe zu einer Empore, die in Form eines Balkons die beiden Häuser verbindet. Unter der Empore führt ein Durchgang in einen Garten beziehungsweise hinaus in die Stadt. Die Hauswände sind recht farbenfroh in rot, orange und blau gestaltet und vermitteln süditalienisches Flair. Ansonsten reichen auf der Bühne zwei Stühle und ein Tisch, um die Geschichte zu erzählen.

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Aus dem Versteck beobachten Riccardo (Joachim Herrmann, 2. von rechts) und Procopio (Michael Hoffmann, rechts) ihre beiden Frauen Constanza (Yvonne Steiner, links) und Bellinda (Annika Liljenroth, 2. von links).

Besondere Bedeutung kommt einem Schild zu, das in mehreren Szenen vom Schnürboden herabgelassen wird und den deutschen Titel des Stückes zeigt. Hier scheint Vladar die Zuschauer, zumindest die männlichen, direkt ansprechen und sie warnen zu wollen, auch das Verhalten der eigenen Ehefrauen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. So wird deutlich, dass die dargestellten Verhaltensweisen auch heute noch genauso funktionieren und die gleichen Probleme bestehen. Einen modernen Einfall erlaubt sich Vladar deshalb am Ende dann doch, wenn er das Dienstmädchen Marietta, nachdem sich die Paare erneut gefunden haben, eine Praxis für Eheberatung eröffnen lässt, da sie sich durch ihre ganzen Beobachtungen nun kompetent genug fühlt, auch anderen Paaren mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, um so ihren kärglichen Lohn ein bisschen aufzubessern. Auch scheint sie selbst an den beiden nun leer ausgegangenen Kavalieren nicht ganz desinteressiert zu sein.

Die Musik vernachlässigt nicht die harmonische und orchestrale Schönheit und ist keineswegs so banal, wie es das Musiklexikon "Die Musik in Geschichte und Gegenwart" attestiert. Bemerkenswert ist beispielsweise bei den wehmütigen Arien des unglücklich Liebenden Enrico der Einsatz der tiefen Streicher und der Klarinette, die die schmachtende Sehnsucht des Tenors adäquat untermalen. Wenn hingegen Riccardo seiner lebenslustigen Frau von seinen zügellosen Liebesabenteuern seiner Jugend erzählt, entlarvt das recht brave Thema der Musik seine Geschichte als einen verzweifelten Versuch eines Langweilers, sich interessant zu machen. Auch das Streitduett der beiden Ehefrauen im zweiten Akt, bei dem die beiden beinahe wie Furien aufeinander losgehen, zeigt Carafas kompositorische Fähigkeiten. Das Finale des ersten Aktes erinnert stark an Rossinis ein Jahr später entstandenes Barbiere - Finale des ersten Aktes. So dürfte es für Musikwissenschaftler durchaus interessant sein, Carafas Oeuvre einer umfangreicheren Analyse zu unterziehen.

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Constanza (Yvonne Steiner, Mitte) bittet ihren Mann Procopio (Michael Hoffmann, rechts vorne) um Vergebung und erhält Unterstützung von Onkel Antonio (Horst Vladar, vorne links), Bellinda (Annika Liljenroth, rechts daneben) und Riccardo (Joachim Herrmann, dahinter). Die geprellten Verehrer Don Marrazzo da Terrasecca (Wolfgang Veith, links hinten) und Enrico Tottola (Matthias Heubusch, rechts oben) beobachten mit Marietta (Elžběta Laabs, rechts vorne) das Geschehen.

Gesungen und musiziert wird auf recht gutem Niveau. Alois Rottenaicher führt den Akademischen Orchesterverband München zwar recht brav durch die Partitur und legt die musikalische Linie etwas breit an, vermeidet dadurch aber auch Ungenauigkeiten bei den Tempi und lässt den Solisten Luft zum Atmen. Yvonne Steiner überzeugt als scheinbar brave Ehefrau Constanza mit strahlendem Sopran besonders in ihrer mit Koloraturen gespickten Arie im ersten Akt, in der sie ihrer Bestürzung über eine mögliche Trennung von ihrem Gatten Ausdruck verleiht. Annika Liljenroth steht ihr als ihre Schwägerin Bellinda in nichts nach. Auch sie präsentiert ihre große Arie im zweiten Akt, wenn sie endlich ihrem Mann ihre treue Liebe eingesteht, mit kräftigem Sopran. Im Streitduett zeigen die beiden Frauen, wie viel Feuer in ihnen steckt. Elžběta Laabs sorgt als Dienstmädchen Marietta darstellerisch vor allem für die komischen Momente des Abends. Mit hervorragender Mimik präsentiert sie sich als kritische Beobachterin der Szenerie und darf zu Beginn des zweiten Aktes in einer sehr witzigen Arie gekonnt dem Publikum Ratschläge für das Eheleben erteilen.

Auch die beiden Brüder sind gut besetzt. Joachim Herrmann stellt den etwas langweiligen Riccardo mit überzeugendem Spiel dar und dreht bei seiner Arie im ersten Akt, wenn er mit seinen früheren Liebesabenteuern prahlt, richtig auf. Michael Hoffmann gibt den selbstsichereren Procopio mit großem komischem Talent, so dass man schon beinahe schadenfroh auf seine Wutarie im zweiten Akt reagiert, die er mit kräftigem Bariton schmettert. Auch im Duett mit Herrmann und im Terzett der beiden Brüder mit Matthias Heubusch als Enrico Tottola überzeugt Hoffmann auf ganzer Linie. Heubusch verleiht mit seinem weichen Tenor den Klagen Tottolas großen Ausdruck. Horst Vladar hat zwar als Onkel Antonio, der gemäß Vorlage eigentlich ein Cousin ist, wofür, so Vladar, er jetzt aber zu alt sei, nicht viel zu singen, präsentiert sich aber als kongenialer Spielleiter des Geschehens und erntet am Ende fast den größten Applaus, vielleicht aber auch mit Blick darauf, dass das Publikum damit gleichzeitig seine Begeisterung für die Inszenierung zum Ausdruck bringen will.

FAZIT

Wer Interesse an unbekannten Opern hat oder Musiktheater ohne moderne Regiemätzchen erleben möchte und nicht nur wegen namhafter Stars in die Oper geht, sollte der Neuburger Kammeroper im nächsten Jahr unbedingt einen Besuch abstatten.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alois Rottenaicher

Inszenierung
Horst Vladar

Bühnenbild
Ulrich Hüstebeck

 

 

 



Orchester des Akademischen
Orchesterverbandes
München e. V.


Solisten

Dottore Procopio Fracci
Michael Hoffmann

Constanza, seine Frau
Yvonne Steiner

Dottore Riccardo Fracci, sein Bruder
Joachim Herrmann

Bellinda, dessen Frau
Annika Liljenroth

Antonio Fracci, Onkel
Horst Vladar

Marietta, Dienstmädchen
El
žběta Laabs

Cavaliere Enrico Tottola
Matthias Heubusch

Don Marrazzo da Terrasecca
Wolfgang Veith

 


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