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Innsbrucker Festwochen der Alten Musik
10.08.2011 - 28.08.2011


Romolo ed Ersilia

Opera seria in drei Akten (TWV 21:15)
Libretto von Pietro Metastasio
Musik von Johann Adolph Hasse

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 20' (eine Pause)

Premiere im Tiroler Landestheater in Innsbruck am 26. August 2011




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Eine barocke Aida mit Happy End

Von Thomas Molke / Fotos von Rupert Larl (© Innsbrucker Festwochen)


Obwohl Johann Adolph Hasse zu seinen Lebzeiten als der wohl berühmteste und erfolgreichste Opernkomponist in Deutschland galt, sind seine Werke heute größtenteils vergessen, und man kennt seinen Namen nur noch im Zusammenhang mit einzelnen Arien, die namhafte Countertenöre und Mezzosopranistinnen auf CD-Einspielungen oder in Konzerten präsentieren. Die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik haben nun einen ganz besonderen Anlass im Rahmen des Festivals Hasses dritte Festoper für den Wiener Hof nach seiner 30-jährigen Amtszeit als Dresdner Kapellmeister als zweite große Opernproduktion zur Aufführung zu bringen. Vor 246 Jahren erlebte dieses Werk nämlich seine Uraufführung im Innsbrucker Hoftheater, wo heute das Landestheater steht. So handelt es sich also nicht nur um eine Wiederentdeckung eines Werkes, das fast ein Vierteljahrtausend vergessen in den Archiven schlummerte - es gab nämlich außerhalb Innsbrucks nur eine einzige Wiederaufnahme der Oper im Dezember 1765 in Neapel -, sondern diese Ausgrabung findet auch noch gewissermaßen an der Uraufführungsstätte statt, was für Innsbruck, das im 18. Jahrhundert in der Theaterlandschaft eher ein provinzielles Schattendasein fristete, durchaus eine Besonderheit darstellte, da es sich um die einzige belegte Innsbrucker Uraufführung des 18. Jahrhunderts handelte.

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Die Sabinerinnen werden mit den Römern verheiratet (vorne: Mitglieder des Ensemble NovoCanto Innsbruck, hinten auf den Podesten von links: Ostilio (Netta Or), Romolo (Marina de Liso), Ersilia (Eleonora Buratto) und Valeria (Robin Johannsen)).

Anlass für die Komposition waren die Hochzeitsfeierlichkeiten des Erzherzogs Leopold, des drittgeborenen Sohnes von Maria Theresia und Franz Stephan von Lothringen, mit Maria Luisa von Bourbon, der Tochter des spanischen Königs Karl III. aus seiner Ehe mit Maria Amalie von Sachsen. Die Heiratsdiplomatie der beiden Weltmächte spiegelt sich in der Opernhandlung über eine Erzählung der römischen mythologischen Frühgeschichte. Romolo wünscht, nach dem Raub der Sabinerinnen die sabinische Prinzessin Ersilia zu heiraten. Doch diese widersetzt sich ihm, da sie als pflichtbewusste Tochter nur den Mann ehelichen will, den ihr Vater Curzio für sie auswählt. Da dieser allerdings Romolo als feindlichen Barbar betrachtet, sieht sie für eine Verbindung mit dem römischen König keine Chance, obwohl sie im tiefsten Innern ihres Herzens eine starke Zuneigung für ihn empfindet. Ostilio, ein römischer Patrizier und Vertrauter Romolos, empfiehlt ihm, stattdessen die römische Adlige Valeria zu heiraten, um dem römischen Volk mit der lang ersehnten Eheschließung des Monarchen die Hoffnung auf einen Thronfolger zu geben und damit das Fortbestehen des Reiches zu sichern. Doch Romolo lehnt dieses Ansinnen ab, zumal Valeria in Acronte, einen Feind der Römer, verliebt ist. Nachdem dieser von Romolo beim Angriff auf die Stadt im Zweikampf besiegt worden ist und ein Fluchtversuch Curzios mit seiner Tochter vereitelt werden konnte, bittet Romolo Curzio erneut um Ersilias Hand. Als dieser ablehnt und Ersilia sich nicht bereit erklärt, sich dem Willen ihres Vaters zu widersetzen, ist Romolo willens, beide ziehen zu lassen. Von diesem Großmut überwältigt, ändert Curzio seine Meinung und gewährt Romolo die Hand seiner Tochter.

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Zarte Liebesbande im Duett zwischen Romolo (Marina de Liso) und Ersilia (Eleonora Buratto).

Aniara Amos, die neben der Regie auch für das Bühnenbild und die Kostüme verantwortlich zeichnet, konzentriert sich in ihrer Inszenierung auf den dezenten und im Fortgang der Handlung zunehmenden Einsatz der Farbe Rot mit symbolischer Bedeutung. Während die Kostüme zunächst nur in Schwarz und Weiß gehalten sind und auch die Gesichter maskenhaft weiß geschminkt sind, lässt ein roter Streifen am Haaransatz der schwarzen, streng zum Zopf gebundenen Haare der Sabinerinnen erkennen, dass diese für die Liebe zu ihren Entführern vielleicht nicht ganz unaufgeschlossen sind, wobei Amos in der ersten Chorszene, in der in der Musik die neu geschlossenen Ehen verherrlicht werden, gegen den Jubel inszeniert und die Vermählungen als das darstellt, was sie sind: ein taktischer Schachzug zur Sicherung des Fortbestands des eigenen Volkes. So tragen die römischen Männer unter ihrer schwarzen Jacke zunächst ein Kissen als Buckel, der sie für die in weiße Tücher gekleideten Sabinerinnen sehr unansehnlich macht. Der Liebesakt wird auch dementsprechend unromantisch gezeigt. Dabei legen die Männer die Kissen unter die Gewänder der Frauen, schwängern sie also, um die Kissen anschließend mit kleinen schwarzen Mützen als neue römische Erdenbürger zu präsentieren. Nur Romolo hebt sich als König mit seinem hellen Anzug von der dunklen Kleidung seiner Untertanen ab. Seine roten Schuhe deuten an, dass er zur wahren Liebe fähig ist und bei der Werbung um Ersilia eine andere Taktik anwenden wird. Das Leopardenfell, das er als Herrscherzeichen umgelegt hat, mag aber andeuten, dass er trotz allem auch ein Räuber ist.

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Curzio (Johannes Chum) ist gegen eine Verbindung seiner Tochter Ersilia (Eleonora Buratto) mit Romolo.

Eine deutliche Entwicklung ist bei der Sabinerin Ersilia zu erkennen. Ihre streng zum Zopf gebundenen Haare werden zunächst von Romolo gelöst, was sie für sein Werben durchaus aufgeschlossener macht. Auch sie erhält von Romolo ein Kissen gereicht, aus dem Romolo in ihrem gemeinsamen Duett ein langes rotes Stoffband herauszieht, mit dem die beiden die weißen Bühnenelemente wie ein Netz einbinden, was andeutet, dass die beiden in ihren Gefühlen füreinander gefangen sind. Nach der Pause ist auch Ersilias Ausschnitt in ihrem weißen Kleid rot eingefärbt, was symbolisiert, dass der römische König ihr Herz nun endgültig gewonnen hat, auch wenn sie sich immer noch weigert, gegen den Willen ihres Vaters einer Eheschließung zuzustimmen. Diese Haltung drückt sich auch in ihrer Körpersprache aus, die von gelegentlichem Kratzen als Zeichen dafür, dass sie sich in ihrer Haut unwohl fühlt, bis zum ständigen Glätten ihres Gesichtes und ihrer Haare Ausdruck davon gibt, dass sie nicht bereit ist, aus den für sie aufgestellten Konventionen auszubrechen. Anders verhält es sich bei Romolo, dessen Zelt nach der Pause aus vom Schnürboden herabhängenden roten Bändern besteht, da er sich nun völlig Ersilias Liebe verschrieben hat. Doch die Farbe Rot steht nicht nur für die Liebe. Wenn Acronte von Romolo im Zweikampf getötet worden ist und sein Leichnam auf die Bühne getragen wird, steht das ausgebreitete rote Tuch auf dem Boden sowie die roten Farbspritzer auf den Kostümen der Römer für das Blut, das bei diesem Kampf geflossen ist. Folgerichtig misstraut Amos auch dem versöhnlichen Schluss und zeigt die Vermählung zwischen Romolo und Ersilia als taktischen Schachzug Romolos und Curzios, bei dem sie ein Bündnis schließen, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Plötzlich nimmt Romolo die von ihm angebetete Frau kaum noch zur Kenntnis und betrachtet sie bloß noch als Mittel zur Stärkung seines Machtanspruches, wohingegen Ersilia von dem plötzlichen Wandel ihres Geliebten sehr irritiert scheint.

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Valeria (Robin Johannsen) verzweifelt inmitten ihrer zahlreichen Perücken bei der Nachricht, dass Acronte im Zweikampf gefallen ist.

Während Amos diesen Handlungsstrang logisch sehr nachvollziehbar inszeniert, gelingt ihr bei der Figur der Valeria kein verständliches Konzept. Warum sie permanent an einer langen Zigarettenspitze zieht und ständig wechselnde Perücken aufsetzen muss, bleibt unklar. Soll dieses Verhalten zeigen, dass sie sich ständig neuen Situationen anpassen und dazu gewissermaßen narkotisieren muss oder stets jemand anderes sein will? Eine Antwort darauf bleibt der Fantasie des Zuschauers überlassen. Noch unverständlicher ist ihre Körpersprache. Amos lässt sie ständig in vom Wahnsinn gezeichneten Bewegungen erstarren. Was sollen diese nervigen Gesten zeigen? Dass sie auf der falschen Seite der Macht steht, da sie in den feindlichen Acronte verliebt ist? Jedenfalls wird so nicht motiviert, warum sich Romolos Vertrauter Ostilio in unerfüllter Liebe zu dieser doch sehr seltsamen Frau verzehrt. Erst wenn sie nach Acrontes Tod ihre komplette Mundpartie mit rotem Lippenstift bemalt, wird deutlich, dass nun die rote Farbe vom Symbol der Liebe in ein Zeichen der Gewalt wechselt.

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Scheinbares Happy End für Romolo (Marina de Liso, Mitte) und Ersilia (Eleonora Buratto, Mitte), während vorne Valeria (Robin Johannsen) um den toten Acronte (Paola Gardina) trauert (im Hintergrund der Chor).

Musikalisch leitet das in den Arien streng der Opera seria behaftete Werk mit seinem Anfangs- und Schlusschor und den zahlreichen Accompagnato-Rezitativen den Beginn der Klassik ein und zeigt, dass Hasse in seinen späten Werken durchaus Glucks Reformideen in Ansätzen übernommen hat. Der musikalische Leiter Attilio Cremonesi, der die Aufführungsfassung für die Innsbrucker Festwochen erstellt hat, verfügte nicht nur über eine handschriftliche Partitur, sondern auch über das komplette Orchesterstimmenmaterial der Uraufführung, was ihm die Möglichkeit gab, eine Fassung zu rekonstruieren, die der Uraufführung musikalisch sehr nahekommen dürfte. Für die Umsetzung steht ihm das Café Zimmermann zur Verfügung, ein Ensemble, das sich nach dem Zimmermannischen Kaffeehaus in Leipzig benannt hat, in dem Johann Sebastian Bach von 1729 bis 1739 an die 500 Konzerte mit dem Collegium Musicum bestritt, und seit 1998 auf Orchestermusik aus jener musikalischen Epoche des Barock spezialisiert hat. Mit viel Gespür für die barocken Klangfarben führt Cremonesi dieses Ensemble sehr präzise durch die Partitur und arbeitet die Meriten der Musik sehr deutlich heraus. Genannt sei hier das grandiose Duett zwischen Romolo und Ersilia am Ende des ersten Aktes, in dem durch langsames Zusammenführen der Melodienbögen gezeigt wird, wie sich die beiden Titelfiguren allmählich näherkommen, und die mit halsbrecherischen Koloraturen gespickten vier Arien Ersilias, die Mozarts Koloraturen der Königin der Nacht an Virtuosität deutlich übertreffen.

Gesungen wird auf recht hohem Niveau, wobei auf den Einsatz von Countertenören verzichtet wird. Marina di Liso stattet die Titelfigur Romolo mit sehr dunklem Mezzo aus und zeigt sich in den zahlreichen Verzierungen stimmlich sehr beweglich. Mit glockenklarem Sopran überzeugt Netta Or als Romolos Freund Ostilio. Auch Robin Johannsen meistert die Rolle der Valeria mit großer beweglicher Stimme. Paola Gardina gibt den bösen Acronte sehr knabenhaft mit beweglichem Mezzo. Aufhorchen lässt Johannes Chum als Curzio, dessen strahlender Tenor auch in den Höhen stets leicht und beweglich klingt. Die größten Anforderungen hat Eleonora Buratto als Ersilia zu bewältigen. Hatte sie bereits bei den Salzburger Pfingstfestspielen in Mercadantes I due Figaro mit beweglichen Koloraturen überzeugt, gelingt ihr in Innsbruck noch eine Steigerung. Mit spielerischer Leichtigkeit lässt sie die halsbrecherischen Koloraturen nur so perlen, was das Publikum zu zahlreichen Bravorufen inspirierte. So gab es zum Abschluss der Innsbrucker Festwochen eine rundum gelungene Wiederentdeckung mit großem Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Es wäre schön, wenn auch Johann Adolph Hasse in der heutigen Zeit den Opernbesuchern wieder mehr ins Bewusstsein gerückt würde. Die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik haben zumindest einen Anfang gemacht.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Attilio Cremonesi

Regie und Ausstattung
Aniara Amos

Licht
Florian Weisleitner

Chorleitung
Wolfgang Kostner

 



Café Zimmermann

Ensemble NocoCanto
Innsbruck


Solisten

Romolo
Marina de Liso

Ersilia
Eleonora Buratto

Valeria
Robin Johannsen

Ostilio
Netta Or

Curzio, Ersilias Vater
Johannes Chum

Acronte
Paola Gardina


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