Neue "Alte
Musik" bei den Aschaffenburger Gitarrentagen
Das Trio
Nuove Musiche zu Gast in der Städtischen Musikschule
Von
Ingo
Negwer
Nach längerer Pause gab es
am Sonntag, dem 20. Februar 2011, wieder einmal ein Konzert mit "Alter
Musik" bei den Aschaffenburger Gitarrentagen, die in diesem Jahr zum
32. Mal stattfanden. Zu Gast im Konzertsaal der Städtischen
Musikschule war das norwegische Trio Nuove Musiche mit Rolf
Lislevand (Laute, Barockgitarre, Theorbe), Thor Harald Johnsen (Laute,
Barockgitarre) und Björn Kjellemyr (Colascione). Unter dem Motto
"Barocke Klänge am Mittelmeer" präsentierten sie italienische
und spanische Barockmusik und Improvisationen: ein
außergewöhnliches Ensemble, gleichsam gerüstet mit den
Vorfahren der modernen Gitarre und mit einem extavaganten Programm im
Gepäck. - Die Veranstalter bewiesen eine gehörige Portion
Mut, diesen Beitrag auf den traditionellen Platz des Familienkonzerts
der Gitarrentage zu stellen. Doch der Mut wurde mit einem voll
besetzten Konzertsaal und von einem begeisterten Publikum, darunter
viele Kinder und Jugendliche, belohnt.
Das Trio Nuove Musiche
leitet seinen Namen von Giulio Caccinis 1601 und 1614 in Florenz
erschienen Werksammlungen "Le Nuove Musiche" (Die neue Musik) ab. In
ihnen manifestierte Caccini den zu seiner Zeit neuartigen, geradezu
revolutionären Gesangstil des italienischen Frühbarock. Auch
in der Instrumentalmusik fand der epochale Stilwandel an der Wende von
der Renaissance zum Barock seinen Niederschlag. Zudem lebt diese Musik
von einer experimentellen Gratwanderung zwischen höfischer
Kunstmusik, Folklore und Improvisation. All diese Tendenzen hörbar
zu machen, hat sich das Trio Nuove Musiche gleichsam auf die
Fahne geschrieben. Rolf Lislevand und seinen Mitstreitern gelingt es,
ihr Publikum unmittelbar in den Bann dieses mehr als vierhundert Jahre
alten Repertoires zu ziehen. Dabei geht es ihnen nicht um
vordergründige Effekthascherei. Vielmehr erwecken sie das alte,
längst tot geglaubte Material im Sinne der historisch informierten
Aufführungspraxis höchst kompetent, aber vor allem mit einer
großen Portion Spielfreude zu neuem Leben.
Anhand von Tänzen, wie
Canarios, Ciaccona, Passamezzo etc., die sich im 16./17. Jahrhundert
großer Beliebtheit erfreuten, demonstrierten die drei
hervorragenden Musiker, wie dicht Kunst- und Volksmusik in Spanien und
Italien beieinander waren und sich gegenseitig befruchteten, wie sie in
Kompositionen etwa von Giovanni Girolamo Kapsberger oder Gaspar Sanz
ihren Niederschlag fanden und, davon ausgehend, jeder Zeit live
auf der Bühne weiterentwickelt werden können. Solowerke
für Laute, Gitarre oder Theorbe, bereichert das Trio Nuove
Musiche mit einer Generalbassbegleitung von Barockgitarre und
Colascione (einer Basslaute) und führt sie schließlich in
freier Improvisation weiter. Dass man auch um 1600 so verfuhr,
berichten unzählige Quellen, dass es auch heute noch funktioniert,
konnte man in der Aschaffenburger Musikschule erleben.
Um den Stilwandel von der
Renaissance zum Frühbarock hörbar zu machen, ließen die
Musiker immer wieder ältere Musik aus dem frühen 16.
Jahrhundert, etwa von Joanambrosio Dalza und Francesco da Milano, in
das Programm einfließen. Nicht nur die Gitarrenexperten unter den
Zuhörern dürften außerdem über Rolf Lislevands
höchst virtuose Interpretation des bekannten "Canarios" von Gaspar
Sanz auf einer Barockgitarre ins Staunen geraten sein. Eine Suite
spanischer, afrikanischer und italienischer Tänze, die sich in
einem mexikanischen Manuskript mit Werken des Spaniers Santiago de
Murcia (1682-1732) befinden, rundete das sehr unterhaltsame Konzert ab.
Zu wünschen bliebe nur noch, dass das diesjährige gelungene
Experiment mit "Alter Musik" bei den 33. Aschaffenburger Gitarrentagen
einen Nachfolger findet!
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