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Stockstädter Musiktage 
14.05.-16.05.2010 
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Sockstädter Musiktage

(Homepage)

Seit 26 Jahren ein Festival für Blockflöten-Fans

Il Flauto dolce in Stockstadt am Rhein

Von Ingo Negwer

Am Wochenende nach Christi Himmelfahrt fanden sich Freunde der Alten Musik und der Blockflöte gleichermaßen in Stockstadt am Rhein ein, um die 26. Auflage des Festivals "Il Flauto dolce" zu erleben. Die Dimensionen sind kleiner, als man es von den Tagen Alter Musik in Herne, Regensburg oder gar Utrecht/NL gewohnt ist: ein zweistündiger Meisterkurs mit Dorothee Oberlinger, sieben Konzerte in der Altrheinhalle und eine beachtlich umfangreiche Verkaufssaustellung in der Sporthalle nebenan. Nichtsdestotrotz trafen sich mit Flautando Köln, Dorothee Oberlinger und ihrem Ensemble 1700, dem Duo David Bellugi (Blockflöte) und Ivano Batiston (Akkordeon), dem Ensemble Caprice, mit Ars Musica Zürich, Maurice Steger, dem Duo Sabine Federstein (Blockflöte) und Maja Mijatovic (Cembalo) sowie mit dem Ensemble Red Priest auch in diesem Jahr große Namen in Stockstadt.

Vergrößerung in neuem Fenster Flautando Köln
(Foto: Ingo Negwer)

Flautando Köln reiste mit englischer Musik der Renaissance an. "Ye sacred Muses. Musik aus dem Hause Tudor" lautete das Motto des Eröffnungskonzerts, das Katharina Hess, Susanne Hochscheid, Ursula Thelen und Kerstin de Witt zusammen mit dem Countertenor Franz Vitzthum, Andrea Baur (Laute, Renaissancegitarre) und Katrin Krauss (Blockflöte) gestalteten. Musik von König Heinrich VIII. und vom Hofe Elisabeths I. stand im Mittelpunkt; folkloristisch Anmutendes aus John Playfords "The English Dancing Master" rundete das Programm ab. Flautando Köln präsentierte sich einmal mehr als ein Ensemble hervorragend aufeinander abgestimmter Blockflötistinnen. In den Consortsätzen von Henry VIII, William Byrd, Anthony Holborne und Augustine Bassano verschmelzen die vier bis fünf Flötenstimmen zu einer homogenen Einheit. Die musikalischen Miniaturen werden mit Liebe zum Detail gestaltet. Und in Playfords "Tunes" lässt Flautando Köln mit viel Spielwitz die Finger und Töne tanzen.

Franz Vitzthum sang mit seinem feinen, lyrischen Countertenor John Dowlands "Go nightly cares" und William Byrds "Ye sacred Muses". Außerdem interpretierte er zusammen mit Andrea Baur zwei Lautenlieder: "Have you seen" von Robert Jones und das anonyme "Sing aloud". Das Programm endete mit zwei ebenfalls anonym überlieferten Liedern, die Franz Vitzthum und Ursula Thelen, begleitet von Blockflöten und Laute, gemeinsam sangen. Abschließend bedankten sich die Akteure mit Diego Ortiz' "Recercada segunda" für die Ovationen des Publikums.

Vergrößerung in neuem Fenster Ensemble 1700
(Foto: Ingo Negwer)

Nach dem englisch geprägten Auftakt setzte das Ensemble 1700 den Konzertreigen am Abend mit Barockmusik aus Frankreich fort. Unter dem Motto "Les Saisons Amusantes" entführten Dorothee Oberlinger und ihr Ensemble das Publikum in ein idyllisches Arkadien, wie man es sich am Hofe Ludwigs XIV. zur kurzweiligen musikalischen Unterhaltung ersonnen hatte. Zum Auftakt erklang "La Noce Champêtre ou l'Himen Pastoral" von Jean Hotteterre, die musikalische Schilderung einer Hirtenhochzeit in der Bearbeitung von François Lazarevitch. In Nicolas Chédevilles Sonata g-Moll aus "Il Pastor Fido" herrscht unverkennbar der italienische Stil. Hier grüßt, wie auch in den zwei Werken aus "Les Saison Amusante", an jedem Notenschlüssel das große Vorbild Antonio Vivaldi. Unverkennbar französisch ging es hingegen bei Jacques Hotteterre Le Romain (Les Delices, ou le Fargis - Rondeau. Le Champêtre), Jaques Christoph Naudot (Modérement aus op. 8) sowie in den abschließenden "Airs champêtres" von Michel Pignolet de Montéclair zu.

Das Ensemble 1700 erwies als kompetenter Sachwalter dieser kurzweiligen höfischen Unterhaltungsmusik, die von Dorothee Oberlinger (Blockflöte), François Lazarevitch (Musette, Traversflöte) und Monica Waisman (Violine) mit frischen Tempi stilsicher wiedergegeben wurde. Der Basso continuo war bei Vittorio Ghielmi (Viola da Gamba), Alexander Puliaev (Cembalo) und Luca Pianca (Laute) in besten Händen. Das Duo Ghielmi/Pianca wusste zudem mit vier Charakterstücken von Marin Marais einen ganz besonderen Glanzpunkt in diesem Konzert zu setzen.

Vergrößerung in neuem Fenster Maurice Steger, Sabrina Frey, Vital Julian Frey
und Marco Frezzato (Ars Musica Zürich)

(Foto: Ingo Negwer)

"Eine musikalische Reise von Darmstadt nach London" unternahm am Samstag Abend das sechsköpfige Ensemble Ars Musica Zürich um die Blockflötistin Sabrina Frey. Als prominente Reisebegleitung stand ihnen Maurice Steger zur Seite, der zusammen mit Sabrina Frey eingangs das Duo Nr. 5 C-Dur von Georg Philipp Telemann spielte. Von Telemann, der während seiner Frankfurter Zeit (1712-1721) auch am Darmstädter Hof tätig war, erklangen außerdem das Concerto d-Moll für Sreicher und Basso continuo sowie - mit der ausgezeichneten Sabrina Frey als Solistin - die Suite a-Moll für Blockflöte, Streicher und Basso continuo. Von Christoph Graupner, der in Darmstadt als Kapellmeister wirkte und dort vor genau 250 Jahren gestorben ist, spielten Maurice Steger und Sabrina Frey die außergewöhnliche Sonata canonica g-Moll für zwei Blockflöten, Viola (Stefano Marcocchi) und Basso continuo.

In London gab es um 1730 - also lange nach dem Tod des Maestro - eine wahre Corelli-Mode. Die Werke Arcangelo Corellis wurden geradezu Pflichtprogramm in öffentlichen und privaten Aufführungen, wie Maurice Steger vom Podium herab erläuterte. Zahlreiche Bearbeitungen Corellischer Werke entstanden und sind heute in verschiedenen zum Teil handschriftlich überlieferten Quellen erhalten. Maurice Steger und Ars Musica Zürich präsentierten dem Stockstädter Publikum die Fassung eines Concertos nach der Violinsonate F-Dur aus op. 5, dessen geradezu irrwitzig virtuosen Solopart Maurice Steger mit Bravour meisterte.

Natürlich darf im barocken London auch George Friedrich Händel nicht fehlen, dessen Sonata D-Dur op.5/2 für zwei Violinen und B.c. das Programm abrundeten. Die Solostimmen spielten Fiorenza de Donatis und Andrea Rogagni; sie wurden von Marco Frezzato (Violoncello) und Vital Julian Frey (Cembalo) begleitet. Den festlichen Schlusspunkt bildete das Concerto D-Dur op.6/4 von Arcangelo Corelli in einer "Cover-Version" (wie man es heute nennen würde) für zwei Blockflöten, Streicher und B.c.

Vergrößerung in neuem Fenster Ensemble Red Priest
(Foto: Ingo Negwer)

Das britische Ensemble Red Priest ist bekannt dafür, dass es die Grenzen zwischen Barockmusik und Popkultur zu überwinden trachtet. Historische Aufführungspraxis ist für Piers Adams (Blockflöten), Julia Bishop (Violine), Angela East (Violoncello) und Howard Beach (Cembalo) kein staubtrockenes akademisches Recherchieren. Sie wollen das Alte im neuen Gewand zum Leben erwecken und einem Publikum von heute nahe bringen. Mit "Johann, I'm Only Dancing" wagten sie sich nun gleichsam an das "Allerheiligste" der Barockmusik - an Werke von Johann Sebastian Bach in Arrangements von Red Priest. "Darf man das?" fragte sich der eine oder andere in der Konzertpause. Wer weiß? Aber die vier Briten können!

Bekanntes in ungewohnter Besetzung, wie beispielsweise das virtuose Preludio aus der Partita E-Dur BWV 1006 für Violine Solo, klang als wenn es so sein müsste (Bach hat die Partita übrigens selbst - wahrscheinlich für sein Lautenklavier - arrangiert). Dass sie darüber hinaus auch das Original beherrschen, zeigte Angela East mit ihrer Interpretation des Prelude aus der Cellosuite G-Dur BWV 1007. Lyrische Klänge gab es im Arioso aus dem Cembalokonzert f-Moll und im Largo des Doppelkonzerts für zwei Violinen und Orchester. Red Priest spielt sein komplettes Programm auswendig; die Kommunikation untereinander und mit dem Publikum ist den Musikern wichtig. So sprang der Funke unmittelbar über. Insbesondere wenn Bachs 3. Brandenburgisches Konzert im rasanten Tempo gespielt, mit Glissandi gewürzt, der (aus zwei Akkorden bestehende) Mittelsatz parodisisch in die Länge gezogen wird, ist auch dem letzten Zuhörer klar, dass es hier um den Spaß an der Musik geht. Das ist ba-rockig und gelungen. Nach einer ebenso frech wie bizarr wiedergebenen "Toccata und Fuge d-Moll" (Piers Adams: "Das Beste soll man für den Schluss aufheben.") feierte das Publikum die Akteure mit Ovationen.

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