Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Salzburger Festspiele 2010

Elektra
Tragödie in einem Aufzug
Text von Hugo von Hofmannsthal nach der Tragödie von Sophokles
Musik von Richard Strauss


Premiere am 8. August 2010 im Großen Festspielhaus

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 45' (keine Pause)


Homepage

Salzburger Festspiele
(Homepage)

Klanggewitter und Textnebel

Von Joachim Lange / Foto von Salzburger Festspiele / Hermann und Clärchen Baus
Vergrößerung in neuem Fenster

Elektra (Iréne Theorin) allein

So rechte Fortune haben die Salzburger Festspiele mit ihren Opernproduktionen im Großen Festspielhaus auch in diesem Jahr nicht. Schon Riccardo Mutis und Dieter Dorns Gluck Orfeo geriet eher fad. Die eigentlichen Opernereignisse gab es nebenan, im Haus für Mozart, mit Rihms Dionysos-Uraufführung und in der Felsenreitschule mit Vera Nemirovas streitbarer Lulu. Diesmal wäre bei der neuen Elektra sogar Festspielgründer Hugo von Hofmannsthal fast völlig unter die Räder gekommen, wenn nicht dessen Text als Übertitel mitgelaufen wäre.

Elektra gehört schon deshalb im 90. Jubiläumsjahr nach Salzburg, weil dieser Wurf das erste erfolgreiche Monument der kongenialen Symbiose des Librettisten Hugo von Hofmannsthal und des Komponisten Richard Strauss war. Der Palasthof-Kasten, mit dem Raimund Bauer die Bühne für Regisseur Nikolaus Lehnhoff vollgebaut hat, ist etwas aus der Balance. Zwei Dutzend unregelmäßig große Fensteröffnungen in den grauen Mauern, ein Tor, der Boden aufgeworfen. Betonte Archaik mit Spielraum für Rachepsychologie.


Vergrößerung in neuem Fenster Elektra (Iréne Theorin) und Chrysothemis (Eva-Maria Westbroek)

Der renommierte Regisseur hat guten Mittelklassestandard abgeliefert. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Die Schlusspointe seiner Inszenierung ist ein weiß gekacheltes Schlachthaus hinter dem Palasttor. Dort hängt kopfüber die tote Klytämnestra. Für Aegisth war wohl kein Haken frei. Und aus allen Löchern kriechen, schwarzgefiederte Rachemonster, die Orest wohl nicht mehr los wird. Ein Interpretationsschlenker am Ende der Nacherzählung, der etwas plötzlich kommt, aber funktioniert.

Das eigentliche Problem ist an diesem Abend ausgerechnet die Musik. Denn auch die ist aus der Balance. Im Grunde haben Daniele Gatti und die Wiener Philharmoniker etwas Neues kreiert. Was sie bieten, ist eine Elektra-Orchestersuite mit einigen verbalen Störversuchen und Übertiteln. Am reinsten, als Aegisth (laut Übertitel) hinter der Szene ruft: „Hört mich niemand?" und Robert Gambill tatsächlich nicht mal ansatzweise zu vernehmen ist. Was freilich auch an ihm liegt. Der war ohnehin wie eine grobe Fehlbesetzung, in die Bodenlöcher seines eigenen Palasthofes gestolpert. Die Diva aber, die sich an diesem Abend ungezügelt spreizt, ist das Wiener Starorchester. So auf sich fixiert und geradezu eitel, so hemmungslos selbstverliebt, so völlig ohne Rücksicht auf die Sänger hört man ein Orchester selten. Dass die Wiener Philharmoniker zugleich auch das Opernorchester der Wiener Staatsoper sind, hört man ihnen an diesem Abend jedenfalls nicht an.


Vergrößerung in neuem Fenster

Elektra (Iréne Theorin) und Klytämnestra (Waltraud Meier)

Andererseits: was sie an Partitur-Studium betreiben, das ist schon grandios. So transparent, so emotional aufgewühlt und dramatisch beredt und laut (!) hat man, den Orchesterpart der Musik für sich genommen, wohl noch nie gehört. Wenn sich hier der Rachetanz aufbäumt, klingt Strauss wie ein Über-Bruckner. Sonst aber fasziniert dieser Wurf der Moderne noch immer. Doch Gatti ruiniert die Oper als Gesamtkunstwerk auf diese Weise ziemlich konsequent. Kann ja sein, dass er, als Ausgleich zu seinem gedeckelten „Parsifal“ in Bayreuth, jetzt in Salzburg die Dezibel-Sau heraus lassen wollte. Die Tontechniker vom ORF, die das für ihre Aufzeichnungen mischen müssen, sind jedenfalls nicht zu beneiden.


Vergrößerung in neuem Fenster Das Finale – Orest vor dem Schlachthaus

Im Großen Festspielhaus konnten der, wie erwartet, phänomenale, mit ruhig strömender Kraft und tadelloser Diktion aufwartende Orest von René Pape und die klugdosierte, in der Erscheinung und auch in ihrem Gesang geradezu elegante Waltraud Meier als Klytämnestra zwar ihre Partien in die Wahrnehmbarkeit retten, aber fürs Ganze nichts ausrichten. Eva-Maria Westbroeks lodernde Chrysothemis kämpft da vergebens, und bei der ohnehin überfordert wirkenden Iréne Theorin kommt hinzu, dass ihre Elektra auch ein verbal ziemlich wortnebliges „Hofmannsthal“ durchwandert.


FAZIT

Auch bei der akustisch aus der Balance geratenen Premiere jubelte das Festspielpublikum entschlossen, mit ein paar Buhs für den Über-Strauss von Daniele Gatti. Dem Vernehmen nach zügelte er in den Folgevorstellungen die Orchesterlautstärke deutlich.






Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Daniele Gatti

Inszenierung
Nikolaus Lehnhoff

Szenische Mitarbeit
Daniel Dooner

Bühne
Raimund Bauer

Kostüme
Andrea Schmidt-Futterer

Licht
Duane Schuler

Choreographie
Denni Sayers

Video
Martin Kern

Chöre
Thomas Lang



Konzertvereinigung
Wiener Staatsopernchor

Wiener Philharmoniker


Solisten

Klytämnestra
Waltraud Meier

Elektra, ihre Tochter
Iréne Theorin

Chrysothemis, ihre Tochter
Eva-Maria Westbroek

Aegisth
Robert Gambill

Orest
René Pape

Der Pfleger des Orest
Oliver Zwarg

Ein junger Diener
Benjamin Hulett

Ein alter Diener
Josef Stangl

Die Aufseherin
Orla Boylan

Erste Magd
Maria Radner

Zweite Magd
Martina Mikelic

Dritte Magd
Stephanie Atanasov

Vierte Magd
Eva Leitner

Fünfte Magd
Anita Watson

Die Vertraute
Arina Holecek

Die Schleppträgerin
Barbara Reiter

weitere Berichte von den
Salzburger Festspielen 2010


Zur Homepage der
Salzburger Festspiele




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2010 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -