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Musikfestspiele
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Tamerlano

Oper in drei Akten (HWV 18)
von Georg Friedrich Händel

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere am 26. Mai 2009
im Deutschen Theater Göttingen
Weitere Aufführungen am 28. Mai, 30. Mai, 1. Juni, 2. Juni und 3. Juni 2009


Göttinger Händel Festspiele - Homepage

Das Ende ist alles andere als happy

Von Michael Schäfer / Fotos von Theodoro da Silva

Bei Tamerlano ist alles etwas anders. Der Freund barocker Opern weiß, dass allen Intrigen, falschen Namen, Verkleidungen und Ränkespielen zum Trotz am Ende sich die Liebenden in Paaren zusammenfinden und in einem Friede-Freude-Eierkuchen-­Schlusschor ihr Glück in die Welt hinaussingen. Zwar finden sich auch bei Tamerlano Paare zusammen, doch der Schlusschor steht in Moll, im klagenden Ton bestärkt durch zwei sanfte Traversflöten.

Vergrößerung in neuem Fenster Asteria
Kristina Hansson

Bajazet
Thomas Cooley


Die schwedische Regisseurin Johanna Garpe hat diese Andersartigkeit des Sujets in einer Inszenierung für die Göttinger Händel-Festspiele umgesetzt, die auf barocken Prunk, bunte Ausstattung und sonstigen Zierrat verzichtet. Sehr heutig sind die Kostüme (Erika Landertinger). Das Bühnenbild (Martin Kukulies) ist bestimmt von zwei abstrakten turmartigen Gebilden aus gelochtem Metall, die hier Türen, dort Wand sein können und dank ihrer düsteren Höhe auch immer eine gewisse Bedrohlichkeit ausstrahlen. Ein bisschen erinnern sie an die New Yorker Twin Towers, die Szenerie erlaubt auch Assoziationen an die jüngste US-amerikanische Vergangenheit. Dass dies nicht näher ausgeführt wird, ist klug: Eine eindeutig bebilderte Analogie zur Gegenwart wäre denn doch allzu platt.

VergrößerungTamerlano
Christopher Ainslie


In den Rezitativen, die die Opernhandlung tragen, führt Garpe eine psychologisch sehr stimmige, genaue Regie. Vor allem für die Arien nimmt sie sich aber Freiheiten heraus, die nicht immer leicht zu entschlüsseln sind. Oft sind Menschen einander zugetan, die sich eigentlich hassen, hier und da werden auch Kleidungsstücke aus- und wieder angezogen, ohne dass der Sinn dieser Aktion klar wird.

Vielleicht müsste man tiefer in die Psychoanalyse der handelnden Personen eindringen, um derlei Rätsel zu lösen. Doch auch wenn manche Fragen offenbleiben, ist die dramatische Wirkung der Inszenierung sehr eindringlich. Allein die nur von wenigen Lichtblitzen erhellte (konsequenterweise nicht in Tag verwandelte) Dunkelheit des Finales hinterlässt einen tief berührenden Eindruck.

Vergrößerung in neuem Fenster
Tamerlano
Christopher Ainslie

Irene
Franziska Gottwald



Daran hat auch die Musik gewichtigen Anteil. Sie ist beim Dirigenten Nicholas McGegan in allerbesten Händen, der auch die kleinste Nuance mit Leben erfüllt, sie liebevoll nachzeichnet, ohne die großen musikalischen Entwicklungslinien aus dem Auge zu verlieren. Zu tanzen und zu lachen – diesen Affekt mag McGegan besonders gern – gibt es im Tamerlano weniger als sonst bei Händel – doch auch für Trauer, Verzweiflung, Wut und Rachedurst findet der Dirigent stets den angemessenen Ton, lässt den Emotionen bei aller barocken Gebundenheit viel Raum zur Entfaltung.


Diese Möglichkeiten nutzen die Akteure mit Wonne. Christopher Ainslie in der Titelrolle des Mongolenherrschers ist nicht nur ein unglaublich virtuoser, stimmschöner Altus, sondern auch ein facettenreicher Darsteller, dem man die Wendung vom freundlich zugewandten, seinen Gegnern verzeihenden Sieger zum tödlich beleidigten, jäh auffahrenden Tyrannen abnimmt. In Bajazet hat Tamerlano einen ausgesprochen stolzen Feind. Den stellt Thomas Cooley mit beeindruckender Würde und  Größe dar, wobei er seinen wunderbar unangestrengt fließenden Tenor blühen lasst.

VergrößerungTamerlano
Christopher Ainslie

Andronico
Clint van der Linde
Bajazet
Thomas Cooley

Einen auch in höchsten Lagen sehr weich ansetzenden Sopran bringt die junge schwedische Sängerin Kristina Hansson für die Rolle der Asteria mit, verleiht ihr aber trotz stimmlicher Zartheit Kraft und Charakterstärke. Seinen sehr flexiblen, im Vergleich zu Ainslie noch kernigeren Altus setzt Clint van der Linde für die Rolle des Andronico bewegend und virtuos ein. Eine ganz besondere Note verleiht Franziska Gottwald als Irene dieser Inszenierung: Selten hat man in einer barocken Oper einen derart perfekten Vamp erlebt. Gegen diese Bühnenpräsenz können sich ihre Partner nicht immer behaupten. Dazu verfügt die Sängerin über einen bis in ungewöhnlich tiefe Lagen vollklingenden, dennoch koloraturenfreudigen Alt, der nirgends roh, sondern immer geschmeidig und locker eingesetzt ist. Lars Arvidson (Leone) überragt seine Kollegen mindestens um Haupteslänge – das hat die Regisseurin zu etlichen kleinen stummen Spielchen auf der Bühne genutzt, die heitere Kontrapunkte setzen. Dass Arvidson überdies einen sehr kraftvollen, markanten Bass besitzt, kann er in zwei Arien zeigen.

Das virtuose, klangschön musizierende Festspielorchester zeigte sich in Bestform, ging konzentriert und voller Spielfreude mit. In den beiden Pausen der knapp vierstündigen Aufführung hörte man von vielen Zuhörern Kritik an der Regie. Doch beim zehnminütigen Schlussapplaus wurden nicht nur alle Musiker, sondern auch die Regisseurin und ihr Team ohne Einschränkung bejubelt. Tamerlano ist eben eine etwas andere Oper.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Nicholas McGegan

Inszenierung
Johanna Garpe

Bühnenbild und Licht
Martin Kukulies

Kostüme
Erika Landertinger

FestspielOrchester
Göttingen

Solisten

Tamerlano
Christopher Ainslie
  Altus

Bajazet
Thomas Cooley
  Tenor

Asteria
Kristina Hansson
  Sopran

Andronico
Clint van der Linde
  Altus

Irene
Franziska Gottwald
  Alt

Leone
Lars Arvidson
  Bass




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