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Musikfestspiele
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Salzburger Pfingstfestspiele 2009

Demofoonte
Dramma per musica in drei Akten
Libretto von Pietro Metastasio (Fassung: Neapel 1770)
Musik von Niccolò Jommelli


Koproduktion mit dem Ravenna Festival und der Opéra National de Paris
Premiere im Haus für Mozart Salzburg am 29. Mai 2009
In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden 30 Minuten (eine Pause)


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Kleider machen Leute

Von Roberto Becker / Foto von Silvia Lelli


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Jungfrauen leben gefährlich - Dircea in Gefahr

Niccolò Jommelli ist ein Neapolitaner. Ganz so wie sein nachgeborener Landsmann Riccardo Muti. Der hat jetzt dessen opera seria Demofoonte jetzt für die Salzburger Pfingstfestspiele und gleich noch für Paris und Ravenna aus der Versenkung geholt. Der 1714 bei Neapel geborene und siebzig Jahre später dort gestorbene Komponist war durchaus weltläufig, wenngleich nicht ganz so exemplarisch wie Georg Friedrich Händel. Bologna, Venedig und Rom gehörten selbstverständlich zu den Stationen der künstlerischen Vita des Italieners. In Wien lernte er den Starlibrettisten seiner Zeit, Pietro Metastasio, kennen, von dem auch dieses angeblich über siebzig Mal vertonte Libretto stammt. Berühmt wurde Jommelli aber als Hofkapellmeister im Württembergischen Stuttgart, bis er sich mit Herzog Karl Eugen überwarf und nach Italien zurückging. Der Italiener gilt als ein Wegbereiter - etwa für Haydn oder Mozart. Doch wie alle Wegbereiter hat er bei der Nachwelt schlechte Karten, weil die es nun mal viel lieber mit den Ausnahmegenies und den innovativen Grenzüberschreitern hält.

Dass sich Riccardo Muti bei den diesjährigen Salzburger Pfingstfestspielen für Jommelli und seinen Domofoonte stark machte, ist also mit Blick auf die Vergangenheit verdienstvoll. Dass er sich dabei mit dem von ihm gegründeten und betreuten Jugendorchester „Luigi Cherubini“ zugleich auch noch (ganz ähnlich wie Claudio Abbado mit dem jungen Mahler Chamber Orchestra) um die Nachwuchsförderung kümmert, kommt als Blick in die Zukunft der Opernpraxis zu diesem Verdienst noch hinzu. Allerdings ist damit auch ein ästhetisches Statement verbunden, das in Zeiten sogenannter historischer Aufführungspraxis seltsam wirkt. Denn mit diesen glänzend einstudierten und perfekt spielenden Musikern verweigert sich Muti dezidiert der mittlerweile mehr oder weniger üblichen, auf jeden Fall aber zum Festivalstandard gewordenen Aufführungspraxis. Dadurch hat diese Produktion gerade da, wo sie der musikalischen Perfektion am nächsten zu kommen scheint, eine unbefriedigende Nachwirkung. Zumal die szenische Interpretation jenen Furor mit Widerhaken auch nicht nachliefert, den ein frohgemut aufgerautes, barockes Drauflosmusizieren ja allemal bietet.


Vergrößerung in neuem Fenster In der Todeszelle: Dircea und Timante

Die Gesichte, die verhandelt wird, ist so eine typische Metastasio-Vorlage: Haupt- und Staatsaktion sind mit persönlichen Intrigen auf eine Weise verwoben, die heute etwas mutwillig konstruiert und gewollt wirkt, aber den Zeitgenossen durchaus geläufig war. Dabei hangelt sich Jommelli entlang einer Perlenkette von Arien durch die abstruse Geschichte, auf deren spezifische familiäre Verwicklungen schon die Rollenbezeichnungen verweisen. Nicht nur, dass der vermeintliche Sohn des thrakischen Königs Demofoonte, Timante, gar nicht dessen leiblicher Spross, also der legitime Kronprinz ist. Er hat auch noch heimlich und verbotener Weise geheiratet und sogar einen Sohn. Da das aber noch nicht kompliziert genug ist, soll Timantes Frau Direcea als Jungfrau dem Gott Apoll geopfert werden, was aber ihr Vater Matusio (durch Flucht) ohnehin verhindern will. Timante wiederum soll aus Gründen der Staatsräson, in einer plötzlich angesetzten Blitzhochzeit, die phrygische Prinzessin Creusa heiraten! Erst versuchen alle im Rahmen ihrer „offiziellen“ gesellschaftlichen Positionen die sich anbahnenden Katastrophen abzuwenden, verfangen sich dadurch aber nur noch tiefer im Verhängnis.


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Heimliche Familie in Nöten

Am Ende des zweiten Aktes sind Timante und Dircea aufgeflogen und sitzen in der Todeszelle. Zum Glück aber hat der zweite Sohn Demofoontes, Cherinto, ein Auge auf Creusa geworfen, womit am Ende für eine geordnete Thronfolge gesorgt ist. Auch für Timante und Dircea geht alles gut aus. Nachdem sie sich zwischenzeitlich einmal für Geschwister halten mussten, klärt sich am Ende die verwickelte Genealogie so, dass durch einen alles klärenden und gerade zur rechten Zeit auftauchenden Brief, Dircea und Timante ihre Väter „tauschen“ und so zusammenbleiben können. Weil dieses Hin- und Her auch noch einen entsprechenden Orakelspruch erfüllt, kann als Zugabe auch die leidige Opferung der Jungfrauen abgeschafft werden und das übliche lieto fine hereinbrechen.


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Creusa und Cherinto

Regisseur Cesare Lievi beschränkt sich trotz dieser von Intrigen und jähen Wendungen nur so strotzenden Handlung auf eher brave Auf- und Abtritte und verordnet den Sängern ein Gesten flankiertes Abliefern der Arien. Er verzichtet aber nicht nur auf eine trashige Modernisierung oder auch parodierten Barock, sondern schöpft auch die Möglichkeiten des rätselhaft opulenten Bühnenbildes von Margherita Palli nur partiell aus. Denn der mit Säulen und einem unbestimmten Oben und Unten ausgestattete Raum gibt nicht nur den Blick auf ein romantisches Seepanorama, sondern auch den ins All frei.

Bei der Auswahl des jungen Sängerensembles hatte Muti durchweg eine glücklichere Hand. Der russische Tenor Dmitry Korchak ist ein kraftvoll geschmeidiger königlicher Titelheld Demofoonte. In der Hosenrolle des Timante macht Josè Maria Lo Monaco eine Achterbahn der Gefühle glaubhaft: vom heimlichen Ehemann, über den Bräutigam wider Willen, den vermeintlich inzestuösen Bruder bis hin zum letztlich glücklichen Ehemann. Dircea ist mit Maria Grazia Schiavo ebenso glücklich besetzt wie der Bruder des Prinzen mit Valentina Coladonato. Eleonora Buratto stattet die fremde Prinzessin Creusa mit entsprechendem Furor aus. Hinzu kommen der Counter Antonio Giovannini als besorgter Vater, und Valer Barna-Sabadus, der sich, bei einem kurzen Auftritt als Kommandant der Wache, in eine atemberaubende Höhe aufzuschwingen vermag.


FAZIT

Eine interessante Ausgrabung, der man gerne im Graben historischer und auf der Bühne wagemutiger interpretiert wiederbegegnen würde.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Riccardo Muti

Inszenierung
Cesare Lievi

Bühne
Margherita Palli

Kostüme
Marina Luxardo

Licht
Gigi Saccomandi



Orchestra Giovanile Luigi Cherubini


Solisten

Demofoonte
Dmitry Korchak

Timante
Josè Maria Lo Monaco

Dircea
Maria Grazia Schiavo

Matusio
Antonio Giovannini

Creusa
Valentina Coladonato

Cherinto
Eleonora Buratto

Adrasto
Valer Barna-Sabadus


Weitere Informationen
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