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Musikfestspiele
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Die Händel-Festspiele 2009

In der Geburtsstadt von Georg Friedrich Händel Halle an der Saale
vom 4. Bis 14. Juni 2009, im Festjahr anlässlich seines
250. Todestages am 14. April 2009


Die Jubiläumsfestspiele
in Händels Geburtsstadt:
"Händel der Europäer"


Von Joachim Lange

Sowohl mit der doppelten Schirmherrschaft der britischen Königin, Elizabeth II., und des deutschen Bundespräsidenten, Horst Köhler, als auch mit dem Motto "Händel der Europäer" und einer groß angelegten wissenschaftlichen Konferenz zu diesem Thema, versuchte man in Halle dem Jubiläumsjahr 2009 gerecht zu werden. Mit 80 Veranstaltungen, mit 2000 Mitwirkenden an über 30 Orten und einer Bilanz von 57.000 Besuchern ist das quantitativ unstrittig auch gelungen.

Die künstlerische Bilanz fällt naturgemäß etwas differenzierter aus. Immerhin gab es mit "Floridante" im Opernhaus und "Serse" im Goethetheater Bad Lauchstädt zwei Neuproduktionen und mit "Ariodante" die hauseigene Übernahme einer Festspielproduktion von 2007, sowie der Potsdamer "Alcina", also einer weiteren Übernahme in Bad Lauchstädt, vier, rechnet man den szenisch eingerichteten "Belshazzar"- aus dem Vorjahr noch dazu, sogar fünf szenische Produktionen, unter denen die Festspielgäste in diesem Jahr wählen konnten.

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Die Zauberoper am zauberhaften Ort:
Alcina in Bad Lauchstädt
Foto: Thomas Aurin

Da der geniale Opernkomponist Händel (auch dank des über Jahrzehnte unverdrossenen, kontinuierlichen Einsatzes der Festspiele in Göttingen, aber eben auch in Halle) längst aus einer elitären Abgeschiedenheit befreit wurde, muss das laufende Jubeljahr nicht mehr für einen Rezeptionsschub in Anspruch genommen werden. Aktuelle Produktionen in Halle (und anderswo) geben eher einen schlaglichtartigen Einblick in den mittlerweile üblichen Umgang mit Händels Opernschaffen. Dafür hat eher selten Gespieltes eine Chance. Was für eine gewachsene Neugier und Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem gesamten, über 40 Werke umfassenden Opernschaffen Händels spricht.

So bot das Jubiläumsjahr bislang nicht etwa nur neue Versionen der Spitzenreiter der gesamten Aufführungsgesichte "Giulio Cesare" oder "Serse", sondern beispielsweise "Ezio" (Schwetzingen), "Admeto" (Göttingen) oder eben "Floridante" in Halle. Dabei ist das Spiel spezialisierter Orchester mit historischen Instrumenten ebenso selbstverständlich, wie auch eine jüngere Generation von versierten Barock-Sängern, inklusive verschiedener Spielarten von Countertenören, zur Verfügung steht. Beim szenischen Umgang mit der opera seria Form und ihren Da-capo Tücken ist man nicht nur über jene peinliche Unbeholfenheit hinaus, die bei einer nur halbherzigen Abkehr vom Gesten-Kanon des Barocktheaters entsteht. Es bedarf auch nicht mehr eines besonders ausgeflippten Zugangs, um die barocke Melange aus Beziehungsintrigen und Haupt- und Staatsaktion, mit einem lieto fine als Clou, auf einen heutzutage repertoiretauglichen Nenner zu bringen.

Vergrößerung in neuem Fenster Auch ohne Königin:
ein gelungener Auftakt in
der Händel-Halle (Festakt)
Foto: Thomas Ziegler

Als es in Halle mit den Festspielen Anfang Juni ernst wurde, waren zwar weder die Queen noch der Bundespräsident angereist. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vertrat, neben der Landes- und Stadtprominenz, den Bund. Aber immerhin war das Händelhaus zum eigentlichen Gedenktag am 14. April innen mit neuem Ausstellungsarrangement und außen ohne Baugerüste wieder zugänglich gemacht worden, der romantische Innenhof der Neuen Residenz (haarscharf am guten Geschmack vorbei) als Barockgarten gestaltet und das Händeldenkmal auf dem Markt mit einem Stück ziemlich englischem Rasen eingerahmt worden. Ansonsten war business as usual angesagt und die Festspiele verliefen in den gewohnten Bahnen, inklusive des Riesenfeuerwerkes zur entsprechenden Musik des Meisters beim Freiluftkonzert in der Galgenbergschlucht als Abschluss. Immerhin mit dem, wenn auch etwas enttäuschenden Stargast Jennifer Larmore.

Beim Programm blieb Halle auch im weltweit zelebrierten 250. Todesjahr Händels mit seinen zehntätigen Festspielen auf seinem Kurs einer selbst gesteuerten Kontinuität und guten Willens und wich etwa nicht auf ein Feuerwerk des Außergewöhnlichen aus. Die 1,8 Millionen Euro des Festspieletats werden hier mehr für ein regional, allerdings gut verankertes Musikfest mit Breitenwirkung ausgegeben, als mit dem Ehrgeiz, an der Spitze mitzumischen oder gar Trends für die Rezeption zu setzen.

"Floridante" - der Hauptbeitrag des Opernhauses Halle

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Floridante
Mariselle Martinez, Virpi Räisänen, Raimund Nolte
Foto: Gert Kiermeyer

Beim alljährlichen Beitrag des Opernhauses fällt das besonders auf. Nicht nur, weil sich das Konkurrenzfestival in Göttingen mit der Regisseurin Doris Dörrie für die "Admeto" Produktion zumindest einen Aufmerksamkeitsvorsprung verschafft hatte. Sondern auch, weil es Peter Konwitschny war, der vor 25 Jahren mit seinem unkonventionell respektlos inszenierten Vorgänger-"Floridante" im historischen Goethetheater Bad Lauchstädt aus dem Osten Deutschlands einen Beitrag für den alsbald einsetzenden Händel- und Barockboom beisteuerte. An Regie-Namen dieses Kalibers ist in Halle allerdings schon seit Jahrzehnten nicht mehr zu denken. Das aktuelle, wie jedes Jahr ziemlich spät berufene, Produktionsteam um Regisseur Vincent Boussard geht eher vorsichtig mit der typisch barocken Story um, versucht sich recht halbherzig, in einem mehr behauptenden, als wirklich inhaltlich reflektierenden, verspiegelten Raum an einer Art Kammerspiel der Obsessionen.

Vergrößerung in neuem Fenster Floridante
Sonya Yoncheva, Mariselle Martinez, Virpi Räisänen
Foto: Gert Kiermeyer

Dabei bietet "Floridante" szenisch durchaus eine "Beziehungskiste" mit Soap-Qualitäten. Da begehrt nämlich der persische König Oronte (solide: Raimund Nolte) plötzlich seine vermeintliche Tochter Elmira (etwas allzu kleinformatig: Virpi Räisänen) zur Frau. Die liebt aber den verdienstvollen Prinzen und Feldherrn ihres Vaters (als Floridante der Mezzolichtblick: Mariselle Martinez), während gleichzeitig die Schwester und damit einzige leibliche Königstochter Rossane (koloraturleicht: Sonya Yoncheva) den Inkognito-Prinzen der Gegenpartei, Timante (mit Hosenrollenverve: Elin Rombo), liebt. Das geht erst alles fürchterlich schief, weil der König verrückt spielt, endet dann aber natürlich, bei fast heruntergelassenem Eisernen Vorhang, in einem von der Regie halbwegs als Show kommentierten lieto fine. Sonst bleibt es bei einem mit Action-Gesten unterlegten Illustrieren in historisierenden Kostümen. Szenisch bleibt diese Beziehungskiste also eher zu.

Beim Sängerensemble erstaunte, warum man einer eher mittleren Besetzung den Vorzug vor der ausgewiesenen Händelkompetenz im eigenen Hause (man denke nur an Romelia Lichtenstein und Ulrike Schneider) gab. Mit mehr Dramatik und Lust ging das Händelfestspielorchester (als der mit viel Erfahrung und mit historischen Instrumenten bestückte Teil der Staatskapelle) unter dem Gastdirigenten Christopher Moulds zu Werke.

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Stoff für Kontroverse - eine flott modernisierte
"Serse"-Produktion im historischen
Goethe Theater Bad Lauchstädt
Foto: Jens Schlüter

In dieser Hinsicht haben die Händelfestspiele ohnehin längst ein konkurrenzfähiges Niveau. Das gilt besonders für Wolfgang Katschners Lautten Compagney und einem von Andre Bücker flott modernisierten (u.a. mit Herrenhausen koproduzierten) "Serse" und für die eingeladene "Alcina" der Kammerakademie Potsdam, die 2008 im Schlosstheater in Sanssouci Premiere hatte und jetzt unter Andrea Marcon auch in Bad Lauchstädt reüssierte.

Vergrößerung in neuem Fenster Theodora in der Marktkirche
Foto: Jens Schlüter

Doch als dann der Counter-Star Lawrence Zazzo eine konzertante "Theodora" Aufführung in der Marktkirche unter Trevor Pinnock stimmlich adelte, oder sein Kollege Bejun Mehta, allein mit einer kleinen Händelfestspielorchester-Besetzung in den aufgemöbelten historischen Franckeschen Stiftungen, mit ansteckendem Furor und technischer Perfektion mit eine Perlenketten von Bravourarien brillierte, da gab es auch in der Händelstadt Halle ganz unmittelbar jene Glücksmomente, die der Musik ihres großen Sohnes zu verdanken sind.

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Operngala / Bejun Mehta
Foto: Jens Schlüter


FAZIT

Die Händelfestspiele in Halle sind fest in der Region verwurzelt und haben sich auch in diesem Jahr als ein Musikfest mit Breitenwirkung bewährt. Die Chance allerdings, zum Zentrum des Jubiläumsjahres zu werden, die die Geburtsstadt des Barockstars ja hätte, wurde nicht ausgeschöpft. Eher enttäuschend geriet der Hauptbeitrag des heimischen Opernhauses. Die Höhepunkte waren daher eher anderen Ensembles und Solisten vorbehalten.




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Händel-Festspiele Halle
(Homepage)

Georg Friedrich Händel:
Il Floridante
Beitrag des Opernhauses Halle zu den Händelfestspielen
Premiere am 5. Juni 2009

Musikalische Leitung:
Christopher Moulds
Inszenierung:
Vincent Boussard
Bühne:
Vincent Lemaire
Kostüme
Stéphanie Zani
Video:
Anke Tornow

Floridante, Prinz von Thrakien, Feldherr des persischen Heeres:
Mariselle Martinez
Oronte, König von Persien:
Raimund Nolte
Elmira, vermeintliche Tochter Orontes:
Virpi Räisänen
Rossane, leibliche Tochter Orontes:
Sonya Yoncheva
Timante, Prinz von Tyros, Gefangener unter dem flaschen Namen Glicone:
Elin Rombo
Coralbo, hoher Offizier im Dienste Orontes;
Ki-Hyun Park

Händelfestspielorchester

Weitere Informationen
Opernhaus Halle
(Homepage)


Serse
Oper in drei Akten
von Georg Friedrich Händel
Libretto nach Silvio Stambiglias Bearbeitung des Textes von Nicolò Minato zur gleichnamigen Oper von Francesco Cavalli, Venedig 1655

Premiere am 6. Juni 2009
im Goethe Theater Bad Lauchstädt
(Koproduktion mit den Händel-Festspielen Halle, den Festwochen Hannover Herrenhausen und dem Festival Bayreuther Barock)

Musikalische Leitung:
Wolfgang Katschner
Inszenierung:
André Bücker
Ausstattung:
Imme Kachel
Video:
Frank Vetter

Serse (Xerxes), König von Persien:
Susanne Kreusch
Arsamene, Serses Bruder:
Jean-Michel Fumas
Amastre, Serses Braut:
Luciana Mancini
Ariodate, Fürst und General Serses:
Matthias Vieweg
Romilda, Tochter Ariodates:
Paula Turcas
Atalanta, Romildas Schwester:
Heidi Maria Taubert
Elviro, Arsamenes Diener:
Florian Götz

Lautten Compagney Berlin


Alcina
Dramma per musica in drei Akten
Von Georg Friedrich Händel
Text nach dem Libretto zur Oper "L´Isola di Alcina" von Riccardo Broschi nach Motiven aus dem Versepos "Orlando furioso" von Ludovico Ariosto

Premiere am 10. Juni 2009
im Goethe-Theater Bad Lauchstädt,
(Koproduktion mit der Kammerakademie Potsdam, des Hans Otto Theaters Potsdam, KULT Brain e.V. und den Händelfestspielen Halle)
Premiere der Produktion im Rahmen der Potsdamer Winteroper am 30. Oktober 2008 im Schlosstheater im Neuen Palais Potsdam Sanssouci

Musikalische Leitung und Cembalo:
Andrea Marcon
Regie:
Ingo Kerkhof
Bühne:
Anne Neuser
Kostüme:
Stephan von Wedel
Choreinstudierung:
Ud Joffe

Alcina:
Maria Laura Martorana
Ruggiero:
Franziska Gottwald
Bradamante:
Hilke Andersen
Morgana:
Melanie Hirsch
Oberto:
Olivia Vermeulen
Oronte:
Thomas Michael Allen
Melisso:
Marián Krejcik

Neuer Kammerchor Potsdam
Kammerakademie Potsdam



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