Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
|
|
Zum Jubiläum wieder ein Konzertreigen mit vielen Höhepunkten Von Ingo Negwer
Mit einer "Aschaffenburger
Gitarrenwoche" im Jahr 1980 fing alles an. Inzwischen sind die
"Aschaffenburger Gitarrentage" ein Musikfestival von internationaler
Bedeutung. Die Liste der herausragenden Gitarristen, die in der
unterfränkischen Stadt ihre künstlerische Visitenkarte abgegeben haben,
ist lang; kaum ein renommierter Name fehlt. David Russel ist sowohl auf
der Bühne als auch als Dozent seit vielen Jahren Stammgast der
"Gitarrentage". Neben der klassischen Musik finden stets auch andere
Sparten, wie Flamenco oder Jazz, ihr Podium. Bezeichnend ist die
konsequente Einbindung der Städtischen Musikschule, die die 30. Auflage
des Festivals unter dem Motto "An die Saiten, fertig, LOS!" eröffnete.
Des Weiteren standen vier Gitarrenkonzerte von Joaquín Rodrigo, Kammerkonzerte mit Gabriel Bianco und dem Duo Melis sowie ein Familienkonzert mit dem Schweizer Musikschulensemble "La Volta" auf dem Festivalprogramm. Die Musikschule, deren Fachbereich "Gitarre" aufgrund der Erkrankung des langjährigen Organisators, Werner Wunderlich, dieses Mal auch an der Planung und Durchführung intensiv beiteiligt war, steuerte ein Gesprächskonzert "Die Gitarre in der Kammermusik im frühen 20. Jahrhundert" bei. David Russel und Ivo Kaltchev waren die Dozenten der Meisterkurse. Den fulminanten Schlusspunkt setzte das "Trio Merengue de Córdoba". Die Kompositionen von Joaquín
Rodrigo (1901-1999) gehören seit langem zum Standardrepertoire der
"klassischen Gitarre". Doch wann hat man schon einmal die Gelegenheit,
gleich vier Gitarrenkonzerte des spanischen Meisters an einem Abend zu
hören? In der quasi ausverkauften Aschaffenburger Stadthalle eröffnete
das Kaltchev Guitar Duo und die Thüringer Philharmonie Gotha-Suhl unter
der Leitung von Hermann Breuer den außergewöhnlichen Konzertreigen mit
dem "Concierto Madrigal" für zwei Gitarren und Orchester. In diesem
Werk aus dem Jahr 1966 zeigt sich einmal mehr Rodrigos Affinität für
die Musik vergangener Epochen. Das thematische Zentrum des Konzerts
bildet das Renaissancemadrigal "O felici occhi miei" von Jakob
Arcadelt. Die zehn kurzen Sätze in Form einer Suite bilden eine Folge
abwechslungsreicher Charakterstücke, die von Ivo und Sofia Kaltchev in
beeindruckend homogener Manier mit Leben erfüllt wurden. Die Thüringer
Philharmonie Gotha-Suhl fügte sich insbesondere in der reizenden
Arietta dezent und subtil in das Klangbild ein.
Zoran Dukic war der Solist der "Fantasia para un gentilhombre", die Rodrigo 1954 für Andrés Segovia, den Altmeister der Gitarrenvirtuosen des vergangenen Jahrhunderts, komponiert hatte. Wieder entspricht die Form dieses Solokonzerts, dessen motivisches Material aus der Feder von Gaspar Sanz (1640-1710) stammt, eher den Konventionen der Suite. Zoran Dukic verzichtete bei seiner Interpretation auf oberflächlich auftrumpfende Virtuosität und ließ statt dessen die Klangfarben seines Instruments in vielfachen Nuancen leuchten. Nach der Pause ging es mit
dem "Concierto d'Aranjuez" (1939) - einem Evergreen der
Konzertliteratur - weiter. Sein erstes Gitarrenkonzert schuf Joaquín
Rodrigo nach den Regeln der klassisch-romantischen Solokonzerts; die
drei Sätze sind eine Hommage an den Sommerpalast der spanischen Könige
südlich von Madrid. David Russel nahm sich des Soloparts mit großer
Souveränität, brillantem Ton und geradezu stupender Virtuosität an. Die
Thüringer Philharmonie Gotha-Suhl unter der Leitung von Hermann Breuer,
der man ansonsten einige Male anmerkte, dass sie mit dem
folkloristisch-spanischen Idiom Rodrigos nicht ganz vertraut ist, lief
an Russels Seite zur Hochform auf.
Spielfreude pur von allen Akteuren gab es schließlich im abschließenden "Concierto Andaluz", das Rodrigo 1966 für das legendäre Quartett "Los Romeros" geschrieben hatte. Zoran Dukic, das Kaltchev Guitar Duo sowie der junge Sebastián Montes als vierter im Bunde entzündeten ein gitarristisches Feuerwerk und wurden am Schluss vom Publikum mit Ovationen gefeiert. Gabriel Bianco (Foto: Ingo Negwer) Sein Debüt bei den
"Aschaffenburger Gitarrentagen" gab der junge Gabriel Bianco mit einem
Solo-Recital im Konzertsaal der Städtischen Musikschule, einem idealen
Raum für die differenzierte und sensible Klangwelt der Gitarre. Gabriel
Bianco legte bei seiner Werkauswahl den Schwerpunkt auf die virtuose
Musik des 19. Jahrhunderts und begann mit Fernando Sors berühmten
Variationen über ein Thema von Mozart. Seine große Souveränität, mit
der er bei durchweg frischen Tempi voran schritt, ließ von Anfang an
aufhorchen. Mit deutlichen dynamischen Kontrasten und einer bei aller
Virtuosität sehr gesanglicher Anschlagskultur gelang ihm eine
überzeugende Interpretation des wohlbekannten Werks. Franz Schuberts
Lied "Lob der Tränen" in einer Bearbeitung des Zeitgenossen Johann
Kaspar Mertz zeichnete Bianco anschließend mit facettenreichen
Klangfarben als lyrisches Charakterstück.
Den ersten Teil des Abends
schloss Gabriel Bianco mit Nikita Koshkins hoch expressiver Sonate für
Gitarre solo ab. Nach diesem Ausflug in die Moderne folgte Johann
Sebastian Bachs Sonate C-Dur BWV 1005 für Violine solo in einer Fassung
für Gitarre und zwei Kompositionen aus der Feder von Giulio Regondi
(1822-1872): Etüde Nr. 6 und "Introduction et caprice" op. 23. -
Gabriel Bianco, der seine außerordentlichen gitarristischen Fähigkeiten
ganz in den Dienst der musikalischen Gestaltung stellt, hinterließ bei
seinem ersten Auftritt in Aschaffenburg einen durchweg überzeugenden
Eindruck. Der hohe Grad an technischer und interpretatorischer
Souveränität war bemerkenswert. Ein weiterer Beweis, dass man sich um
Nachwuchs erstklassiger junger Künstler keine Sorgen machen muss -
sofern man ihnen, wie in Aschaffenburg, ein entsprechendes Podium
bietet!
(Foto:
Ingo Negwer)
Der künsterlische Nachwuchs
stand auch im Mittelpunkt des Konzerts "Gitarren der Welt". Wieder
einmal war das Ensemble "La Volta" der Musikschule Reinach/Basel-Land
zu Gast bei den "Aschaffenburger Gitarrentagen". Unter der Leitung von
Jürgen Hübscher stellte es dem überdurchschnittlich jungen Publikum
sein neues Programm mit Folklore aus Lateinamerika, Irland und der
Schweiz, sowie mit Barockmusik von Silvius Leopold Weiss, Gaspar Sanz
und Giovanni Antonio Brescanello vor. Die sieben zwischen 10 und 18
Jahre alten Instrumentalisten spielten eine schier unglaublich große
Anzahl an Zupfinstrumenten, wie Gitarre, Guitarron, Charango,
Barockgitarre, Mandoline, Barockmandoline, Erzlaute, Banjo u.v.a.
Außerdem erklangen eine Querflöte und über 25 verschiedene
Percussion-Instrumente. Am Ende des sehr unterhaltsamen Konzertabends
wurden die Musikerinnen und Musiker mit Begeisterung gefeiert und
konnten erst nach mehreren Zugaben ihre Instrumente verstauen und zum
wohlverdienten Abendessen übergehen...
"Trio Merengue de Córdoba" in der Kleinkunstbühne Hofgarten (Foto: Ingo Negwer) Ein Flamenco-Abend der
Extraklasse mit dem "Trio Merengue de Córdoba" beschloss die
"Aschaffenburger Gitarrentage". Die Kleinkunstbühne Hofgarten, erstmals
Konzertstätte des Festivals, bot das passende Ambiente für die
temperamentvollen Darbietungen auf höchstem Niveau. Gitarrist Rafael
Rodríguez Fernández zeigte in seinem nuancenreichen Spiel eine
erstaunlich breite Palette an Klangfarben und dynamischen Abstufungen.
Desire Rodríguez Calero "Merenguita" ist eine charismatische, höchst
virtuose Tänzerin, und Rafael Espero Moreno "Churumbaque" lotete mit
seinem expressiven Gesang die emotionalen Tiefen des Flamenco aus. Ein
würdiger Abschluss der diesjährigen "Aschaffenburger Gitarrentage", die
auch in ihrer 30. Auflage eine gelungene Werbung für die Gitarre und
ihre Musik waren.
|
|
- Fine -