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Musikfestspiele
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3. Internationales Gitarrenfestival
Münster 2008

Konzerte in
Münster, Ahlen, Oelde,
Rheine und Stadtlohn

& Workshops, Austellungen
& Meisterklassen



22. Oktober - 9. November

Homepage

3. Internationales Gitarrenfestival Münster 2008
(Homepage)
Die Vielfalt der klingenden Stille

Von Ursula Decker-Bönniger

Wem fällt nicht zum Stichwort Konzertgitarre der warme, melancholisch leidenschaftliche Gitarrenklang im zweiten Satzes des "Concierto d'Aranjuez" ein? Lässt man die vielen Konzerte, Vorträge und Eindrücke des dritten, 19 Tage dauernden, internationalen Gitarrenfestivals in Münster und Umgebung Revue passieren, so scheint diese besondere Klangqualität des Instruments, deren Anziehungskraft laut Emilio Pujol im "ausgewogenen Gleichmaß" und der "bezaubernden Intimität" liegt, nach wie vor eine der überzeugensten zu sein - auch wenn man das erweiterte Spektrum an Spielweisen und Ausdrucksmöglichkeiten neuer Musik berücksichtigt.

Für das Eröffnungskonzert wurden gleich vier Kompositionen für Gitarre und Streichorchester in Auftrag gegeben - kleine, etwa 15 Minuten dauernde Solokonzerte, die von Reinbert Evers, Professor für Gitarre an der Musikhochschule Münster interpretiert wurden. Xavier Dayers Komposition "cena de le ceneri" stellt eine nicht enden wollende, auch explosionsartig einbrechende Klangvielfalt der Streichinstrumente neben einen, manchmal fast kantabel wirkenden Gitarrenklang. In Pèter Köszeghys "Door" ließen die lauten Klangbänder und -schichten das Soloinstrument überwiegend verstummen, während die Gitarre in Madeleine Rugglis Komposition "perspectives" kleine, manchmal zu Vierton-Motiven erweiterte, sehr effektvoll gestaltete Klangimpulse auf einen zarten, sich hin und wieder vereinzelnden Streicher-Klangteppich setzt. Ähnlich wie Roland Freisitzer stellt Ruggli die "Klanglichkeit" der Gitarre in den Vordergrund, begreift das konzertante Miteinander von Solo und Orchester als Reflektion und Erweiterung der Streichinstrumente auf den Klangimpuls der Gitarre. Ergebnis ist eine im Sinne Anton Weberns klangfarblich und motivisch ausdifferenziertes, mal mehr mal weniger dichtes Klangnetz, das die poetische Flüchtigkeit des Augenblicks in den Vordergrund rückt. Im Unterschied dazu wirkte Roland Freisitzers durchsichtige Formsprache mit einem an Motiventwicklung erinnernden Melos und variierten Wiederholungen angenehm traditionell.

In einem weiteren Konzert, dem Komponisten-Porträt, stellten Jürgen Ruck und Elena Càsoli virtuos, perfekt aufeinander eingestimmt und musikalisch einfühlsam eigene Bearbeitungen für zwei Gitarren von bzw. aus Musiktheaterwerken Hans Werner Henzes vor - zunächst eine von Henze autorisierte Fassung der drei ursprünglich für Sologitarre komponierten Stücke aus der 1979/80 entstandenen Kinderoper "Pollicino", wobei im Unterschied zum Original in dieser Version auch die Passagen notengetreu gespielt werden können, die bisher auf einer Sologitarre nicht ausführbar waren. Besonders beeindruckend war die 1995 auf Anregung Henzes entstandene Fassung für Gitarrenduo von "El Cimarrón". Basierend auf den Lebenserinnerungen des entlaufenen, kubanischen Sklaven Estéban Montejo schrieb Henze diese teils durchkomponierte, teils improvisierte Musik ursprünglich für die Besetzung Bariton, Flöte, Gitarre und Schlagzeug. Für Henze, das wird auch in seiner eigenen Bearbeitung der Arien und Duette der Hauptfigur "Minette" aus der Oper "Die englische Katze" deutlich, verfügt die Gitarre "über einen klanglichen reichtum, der alles zu umfassen vermag, was ein modernes instrumentarium besitzt, man muss nur, um das bemerken zu können, in die stille kommen, warten, und den lärm gründlich ausschließen".

In einem weiteren, von Dr. Erich Frantz, dem stellvertretenden Leiter des Westfälischen Kunstmuseums eingeleiteten Konzert stellten Jürgen Ruck und Jens Wagner Kompositionen für Gitarre solo nach den Radierungen "Los caprichos" von Francesco Goya vor. 1799 entstanden nehmen die 80 Radierungen Goyas kritisch Bezug auf die damalige Gesellschaftsmoral. Biographisch bedingt fließen eigene quälende Fantasien ein. Vermutlich ist es das satirische Aufgreifen des dunklen Reiches der Dämonen, Hexen und Geister oder die Darstellung des Nicht-Sichtbaren in der Wirklichkeit, die Jürgen Ruck veranlasst haben, seit 2003 Kompositionsaufträge zu den Radierungen Goyas zu vergeben. Ruck wusste die zahlreichen Spielanweisungen wie wischen, reiben, klopfen, tappen, gleiten, mit dem Bogen streichen, rhythmisch auf den Gitarrenkörper klopfen, singen etc. virtuos zu inszenieren, sodass facettenreiche Bilder sowohl zeitgenössischer solistischer Gitarrenmusik als auch moderner musikalischer, häufig humorvoller Bildinterpretationen Goyas entstanden. Jens Wagner stellte den zeitgenössischen Kompositionen die den ausgewählten Radierungen entsprechenden Sätze aus Castelnuovo-Tedescos gleichnamigem Zyklus gegenüber - ein musikalischer Kontrapunkt, wo der Komponist in historisch-geographischer Anlehnung Elemente barocker Suitensätze, Polyphonie mit folkloristischen, an Flamenco erinnernden Elementen verbindet.

Das waren 3 von 20 Konzerten! Daneben gab's Jazz, Improvisation, Konzerte mit historischen Instrumenten, internationalen Gitarrenquartetten, Neuheiten im Instrumentenbau wie das Daxophon und die indische "Slide Guitar", Meisterkurse mit Roberto Aussel, Jürgen Ruck und Hopkinson Smith u.v.a.m.. Irgendwie war für jeden musikalischen Geschmack etwas dabei, was Musikwissenschaftler Wolf Moser dazu veranlasste, von der Gefahr einer "profilierten Profilunschärfe" zu sprechen. Für ihn sei diese, die Konzertgitarre im allgemeinen betreffende Entwicklung ein Zeichen fehlender Maßstäbe, die das Instrument an den Rand der Selbstverleugnung bringe!




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Besuchte Konzerte:

Mittwoch, 22. Oktober 2008
Münster, Konzertsaal Musikhochschule,
Ludgeriplatz 1
Reinbert Evers & St. Christopher
Chamber Orchestra Vilnius
Uraufführungen von
Xavier Dayer, Madeleine Ruggli,
Roland Freisitzer und
Pèter Köszeghy

Montag, 27. Oktober 2008
Münster, Erbdrostenhof Salzstraße
Maximilian Mangold - Gitarre
(Gitarre nach A. Stauffer, Wien ca. 1840)
Kristian Nyquist - Fortepiano
(Joseph Brodmann, Wien 1828)
Kammermusik aus Klassik und Romantik

Sonntag, 2. November 2008
Ahlen, Kunstmuseum, Museumsplatz1
Hans Werner Henze
Jürgen Ruck und Elena Càsoli
(Deutschland/Italien)

Montag, 3. November 2008
Münster, Westfälisches Landesmuseum -
Vortragsaal, Domplatz 10
"Goyescas"
Jürgen Ruck
(Neue Werke / UA)
Jens Wagner
(Werke von Castelnuovo- Tedesco)
Einführung: Dr. Erich Franz

Sonntag, 9. November 2008
Münster, Konzertsaal Musikhochschule,
Ludgeriplatz 1
Jens Wagner (D) & Roberto Aussel
(Argentinien)


Weitere Informationen

www.progitarre.de





Da capo al Fine

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