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Literarische ParallelweltenVon Stefan Schmöe / Fotos von Wilfried HöslEin Raum, dessen Wände über und über mit (französischen) Zitaten aus dem Werther bedeckt ist, darin ein Monolith, auf dem der Dichter der Realität entrückt an seinem Schreibtisch sitzt mit diesem eindringlichen Bühnenraum hat Jürgen Rose, hier Ausstatter und Regisseur in Personalunion, nicht nur eine bildmächtige Chiffre für das spezifische Verhältnis von Oper und Literatur in diesem Werk gefunden, sondern auch einen funktionierenden Rahmen, in dem sich die Geschichte zeitlos erzählen lässt. Die realistischen Szenen frieren immer wieder zu Standbildern ein, werden wie in einer Modellbahn um die Drehbühne herum gefahren eine Parallelwelt zur idealisierten Sphäre der unglücklichen Titelfigur. Das entfaltet auch fast zwei Jahre nach der Premiere noch seine Wirkung, zumal nicht allzu sehr stört, wenn die Sänger der Hauptpartien sich auf ein Minimum an Personenregie beschränken wie jetzt etwa Vesselina Kasarova, die Werthers Tod mit dem gleichen staksigen gestischen Vokabular hinnimmt wie den Schlussapplaus. Unglücklich liebender Literat: Werther (Piotr Beczala)Gegenüber der Premiere im Dezember 2006 sind nicht nur die Hauptpartien komplett neu besetzt worden (siehe dazu unsere Rezension vom Dezember 2006), mit Patrick Fournillier (der in Frankreich ein Massenet-Festival leitet, also als Fachmann für dieses Genre gelten darf) steht auch ein anderer Dirigent am Pult, was die Aufführung entscheidend prägt. Fournillier betont Massenets raffinierte Instrumentation und entwickelt mit dem hervorragenden Bayerischen Staatsorchester so manchen Klangzauber, vergisst darüber aber, zu sehr in den einzelnen Moment verliebt, die große Linie. Zudem gerät die Musik arg pathetisch, weil so manche Phrase eine Spur zu sehr verzögert und fast jeder Paukenschlag eine Nuance zu bedeutungsschwer daher kommt. Vor allem aber versäumt er, die Sänger in den Klang einzubinden, und weil das Orchester zwar duftig-delikat, aber permanent eine Stufe zu laut aufrauscht, müssen die allzu oft forcieren. Das ist umso ärgerlicher, als mit Piotr Beczala ein Werther auf der Bühne steht, wie man so schnell keinen zweiten findet: Mit betörend warm eingedunkeltem Timbre, lyrischer Emphase, strahlender Höhe und riesigen Kraftreserven. Ganz kleines Manko: Bei den Spitzentönen muss er den Stimmsitz manchmal korrigieren, fast unmerklich, aber eine winzige Störung der ansonsten von französischer" Leichtigkeit geprägten Linienführung. Was wäre da an Nuancierung möglich, müsste er nicht so schnell ins Forte oder gar Fortissimo, um die Orchesterklanggewalten zu überstrahlen was ihm gelingt, aber letztendlich doch Tribut fordert, denn am Ende der Aufführung wirkt die Stimme dann doch leicht ermattet. (Ob es bei einer solchen Partie klug ist, in der Pause auch noch eine Autogrammviertelstunde im Foyer zu geben?) Charlotte (Vesselina Kasarova) - seit der hier gezeigten Fotoaufnahme hat sie allerdings den Friseur gewechselt. (Die neue, leider nicht im Bild vorliegende Frisur, könnte man als Hommage an Angela Merkel auffassen.) Uneinheitlich ist der Eindruck, den Vesselina Kasarova hinterlässt. Ihre große Stimme wirkt fast schon zu schwer für die Partie, spricht mitunter zu langsam an, auch weil das Vibrato (zu) langsam einschwingt das ergibt eine dramatische Charlotte, was musikalisch im Gegensatz zum bereits erwähnten sehr statischen, fast unbeteiligten szenischen Spiel der Sängerin (mehr Typu Gouvernante denn leidenschaftliche Frau) steht. Schwierig zu beurteilen ist der häufig eingesetzte abrupte Wechsel ins Piano, was schnell einen manierierten Eindruck hinterlässt, bei einer genaueren Abstimmung mit dem Orchester (das regelmäßig darüber hinweg spielt) mehr musikalische Logik entwickeln könnte. Auch Eigenwilligkeiten wie winzige Verzögerungen beim Einsetzen des Tones sind Geschmackssache. Die Emphase, mit der sie aber den Beginn des dritten Aktes angeht, ist durch den großen Ton, den sie anschlägt, eindrucksvoll. Robert Bork ist ein durch und durch solider Albert, ohne deshalb weiter auffallen zu wollen. Aufhorchen dagegen lässt die wunderbar strahlende Sophie von Sylvia Schwartz, mit lyrischer, durchaus fraulich reifer und leuchtender Stimme, mit überwältigendem jugendlichem, geradezu übermütig kindlichem Impetus gesungen und gespielt. Tadellos wird in den kleineren Partien und vom Kinderchor gesungen. Am Ende ordentlicher, wenn auch reichlich undifferenzierter Beifall.
Beinahe eine große Festspiel-Aufführung wenn es denn ein feinfühligeres, sängerfreundlicheres Dirigat gäbe. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung, Bühne,
Mitarbeit Inszenierung
Licht
Kinderchor
Dramaturgie
Solisten
Werther
Albert
Der Amtmann
Schmidt
Johan
Brühlmann
Charlotte
Sophie
Käthchen
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- Fine -