Gegensätzlicher kann geistliche Musik kaum sein als das opernhaft extrovertierte Requiem des bekennenden Agnostikers Giuseppe Verdi und die von tiefer, unbedingter Frömmigkeit erfüllten Kantaten des Thomaskantors.
Einzig das Thema ist ihnen gemeinsam, die Auseinandersetzung mit dem Tod. Obwohl wenig zu Pfingsten passend, dem Fest der Herabkunft des Heiligen Geistes, standen diese Werke auf dem Programm der Pfingstfestspiele in Baden-Baden. Noch etwas verband beide Konzerte, nämlich die Wirkung einer berührenden Emotionalität, die aus der Musik und den Interpretationen strömte, freilich wieder auf ganz verschiedene Weise.
Dorothea Röschmann,
Thomas Quasthoff und
die Berliner Barock Solisten
Die warme, klangvolle, farbenreiche Stimme von Thomas Quasthoff kam in den Bachkantaten zu schönster Entfaltung. In der Kantate "Ich habe genug" verband Quasthoff seine außergewöhnliche Legatokunst mit subtiler Nuancierung im Ausdruck - wie er im da capo das "Schlummert ein, ihr matten Augen" nochmals sanfter und wie entrückt sang, da führte Musik ganz zu den innersten eigenen Gefühlen.
Dorothea Röschmann brachte eine andere, eher theatralischere Note ein. Besonders in der Sopran-Kantate "Mein Herze schwimmt im Blut" kam sie aber dadurch dem dramatischen Text wirkungsvoll entgegen. Stimmlich entfaltete sie sich aber stellenweise etwas zu exaltiert, was den Gesangsfluss dann uneben machte.
Die Berliner Barock Solisten begleiteten stilsicher, aber in der Klangbalance zwischen den einzelnen Stimmen nicht immer ausgewogen und mit recht flächigem Klang. Das 3. Brandenburgische nahmen sie schwungvoll, was allerdings stellenweise auf Kosten der Klangreinheit ging.
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden
und Freiburg mit Solisten unter der
Leitung von Sylvain Cambreling
Voll aufgeladen mit dramatischer Energie musizierte Sylvain Cambreling mit dem SWR Sinfonieorchester Verdis "größte Oper", wie George Bernhard Shaw über das Requiem spottete. Cambreling verband durchaus den plakativen Effekt mit einer bis zur Erschütterung reichenden Erregtheit - natürlich im Dies irae -, ließ aber auch den nach innen gekehrten, lyrischen Passagen wunderbare Entfaltungsmöglichkeiten. Noch die feinste Nuance konnte zu voller Wirkung kommen, wie etwa die sanfte Ausleitung des Offertorio in den Geigen, Celli und der Klarinette. Das SWR Sinfonieorchester zeigte sich zum wiederholten Male in allen Stimmen in Bestform. Vor allem auch die Balance der Gruppen untereinander und das Wechselspiel zwischen den einzelnen solistischen Passagen verschmolz zu einem äußerst homogenen und zugleich plastischen Gesamtklang - bei Verdis Requiem eine besonders wirkungsfördernde Eigenschaft.
Das Solistenensemble war von nicht ganz so einheitlicher Qualität. Der kurzfristig eingesprungene Marius Brenciu schlug zwar ein metallisches Forte an, im Piano blieb seine Stimme aber recht dünn und lyrisch kaum ausdrucksstark. Giorgio Surian, der im "Fidelio" auch den Rocco sang, konnte der Basspartie dagegen viel Profil verleihen. Die beiden Sopranistinnen Ana María Martínez und Yvonne Naef (Mezzo) waren überragende Gestalterinnen ihrer Partien. Die EuropaChorAkademie aus Mainz, die bei derartigen Gelegenheiten oft mit den SWR Sinfonikern musiziert, brachte das volle Gewicht eines prächtigen Gesangs-Klangkörpers ein, so dass dieses Konzert einen teils atemberaubenden Gesamteindruck hinterließ.
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