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Vokalkunst ohne Grenzen
Von Annika Senger Eine Vokalkünstlerin der Spitzenklasse gastierte im Rahmen des Festivals für aktuelle Musik MaerzMusik 08 in Berlin: die Spanierin Fátima Miranda mit der eigens von ihr komponierten und konzipierten Performance Cantos Robados. Die studierte Kunsthistorikerin entdeckte ihre Vier-Oktaven-Stimme Ende der 70er Jahre. Grenzen der stimmlichen Möglichkeiten gab es für sie keine: Miranda ließ ihr Instrument sowohl in japanischen, chinesischen und indischen Gesangstechniken als auch im Bel Canto ausbilden und ist imstande, jederzeit zwischen den Registern zu wechseln selten beherrscht ein einzelner Sänger eine derartig weit gefächerte stilistische Bandbreite, die aus Cantos Robados (deutsch: Gestohlene Lieder) eine multikulturelle Mischung macht. Das außergewöhnlichste Merkmal von Mirandas Vokalkunst ist allerdings der kristallene, flötenähnliche Ton jenseits der höchsten Gefilde von Mozarts Königin der Nacht. Weit entfernt von schrillem Gekreisch, entstehen diese Töne mühelos und ohne große Lippenbewegungen. Der Stimmsitz scheint sich außerhalb des Körpers zu befinden; dem selbst in diesen phänomenalen Höhen noch klar artikulierten Gesang haftet somit etwas Überirdisches an. Sprünge von dort in die Basslage und umgekehrt meistert die Sängerin mit kontrollierter Leichtigkeit, ebenso ist sie in der Lage, ihr Instrument in eine rauchige Farbe zu tauchen und danach wieder engelhaft rein zu tirilieren. Wäre Miranda selbst ein Musikinstrument, könnte man sie nur mit einer Kirchenorgel vergleichen.
Während ihrer Performance begleitet sie sich selbst: mit Kastanietten, mit denen sie flamencoartig ihre spanischen Wurzeln aufleben lässt, einer Quetschkommode, einem Sitar, Plastikröhren und sogar einem Kessel, in dem sie Wasser zum Schwingen bringt. Im Zusammenspiel mit ihrer Stimme erschafft Miranda eine einzigartige Klangpoesie, die Augen und Ohren gleichermaßen betört. Im ersten Teil von Cantos Robados scheint sie lediglich von der Brust aufwärts beleuchtet hoch über der Bühne zu schweben. Erst später enthüllen Scheinwerfer einen wallenden Tüll-Rock, der das Podest der Sängerin verbirgt und sie wie eine riesenhafte Matriarchin wirken lässt. Aus diesen Höhen steigt sie hinab, der Rock wird schließlich als Projektionsfläche für Videoinstallationen genutzt. Auf temperamentvolle, hin und wieder augenzwinkernde Weise veranstaltet sie nun auf dem Boden Gesangsrituale: mal donnernd, mal fröhlich oder auch mystisch und häufig mit einer orientalischen Note versehen. Ihr unerschöpfliches Repertoire an Stimmungen und Klangfarben verpackt sie in ausgefeilte Rhythmen und verströmt damit eine pulsierende Energie, die im Publikum nicht jeden ergreift (einige Zuschauer gehen vor Ende der Vorstellung), die Masse aber zu Standing Ovations animiert. Als Zugabe singt Miranda ein spanisches Stück und begleitet sich dabei auf dem Sitar ein Paradebeispiel für die ethnischen Verschmelzungen ihrer Cantos Robados.
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Fátima Miranda Stimme/Performance /Konzept/Komposition Mirella Weingarten Kostüm José Manuel Guerra Lichtgestaltung
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