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Musikfestspiele
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Bregenzer Festspiele 2007

Tod in Venedig
(Death in Venice)

Oper in 2 Akten von Benjamin Britten
Libretto von Myfanwy Piper -
basierend auf der Novelle von Thomas Mann


In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Festspielhaus
Premiere am 18. Juli 2007
Besuchte Aufführung: 22. Juli 2007
Eine Koproduktion mit dem Aldeburgh Festival

Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden (eine Pause)


Homepage

Bregenzer Festspiele
(Homepage)

Stilisiert, minimalistisch, großartig

Von Bernd Stopka / Fotos von Karl Forster

Neben der Oper auf der Seebühne steht in jedem Jahr eine sogenannte "Hausoper" auf dem Programm der Bregenzer Festspiele. Heuer wird im Festspielhaus Benjamin Brittens "Tod in Venedig" gespielt - in einer Koproduktion mit dem von Britten mitbegründeten Aldeburgh Festival. "Tod in Venedig" steht im Zentrum der Veranstaltungen, die unter dem Motto "Britten and Britain" stehen und zu denen neben Chor- und Orchesterwerken auch Brittens selten gespielte Operette "Paul Bunyan" gehört, die im Bregenzer Kornmarkttheater gegeben wird.


Vergrößerung in neuem Fenster Gustav von Aschenbach (Alan Oke)

Thomas Manns Novelle "Der Tod in Venedig" ist Weltliteratur, die Geschichte ist also hinlänglich bekannt. Britten und seiner Librettisten Myfanwy Piper ist es (trotzdem) gelungen eine ganz und gar überzeugende Bühnenfassung zu erarbeiten. Dabei haben sie sich sehr eng an die Vorlage gehalten, fügten jedoch die Figuren Dionysos und Apollo hinzu. Damit verdeutlichen sie den Zwiespalt der Gefühle, den Konflikt der Ideale und den Kampf der Leidenschaften, denen sich der Schriftsteller Gustav von Aschenbach ausgesetzt sieht, als er mitten in einer Schaffenskrise nach Venedig reist, um neue Energie und Inspiration und irgendwie auch den Sinn des Lebens zu finden.

Britten vollendete die Partitur im Mai 1973. Bis zum Abschluss der Komposition zögerte er eine dringend notwendige Herzoperation heraus. Das gesundheitliche Risiko nahm er eher in Kauf, als das Risiko dieses Werk nach dem Eingriff nicht mehr vollenden zu können. Den autobiographischen Zusammenhang kann man in der Musik deutlich spüren. Mit äußerst feinsinniger, sparsamer Instrumentierung erreicht Britten mit scheinbar einfachen Mitteln die größte Tiefe des Ausdrucks. Und gerade neben den nur mit Klavier begleiteten Selbstreflexionen Aschenbachs wirken die wenigen, aber dann wundervoll lyrischen Ausbrüche des Orchesters doppelt stark.


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Gondoliere

Das Minimalprinzip hat sich auch das Regieteam zu eigen gemacht. Regisseur Yoshi Oïda hat allerfeinste Feinarbeit geleistet und dabei auch Darstellungsweisen aus seiner Heimat adaptiert, minimalistisch stilisiert erzählt er die Geschichte wortgenau und erreicht damit tiefste Eindrücke. Tom Schenk hat eine Wasserfläche auf die Bühne gebracht, über die versetzbare Holzstege führen. Mediterranes Licht definiert den Ort der Handlung. Vor der unterschiedlich beleuchteten Hintergrundwand hängt eine kleine, quadratische Projektionsfläche, die viel Wasser und sich darin spiegelnde Häuser zeigt. Rückseitig ist sie ein Spiegel, der nicht nur Aschenbach vorgehalten wird.


Vergrößerung in neuem Fenster Der alte Gondoliere (Peter Sidhom),
Aschenbach (Alan Oke)

Mit einfachsten Mitteln werden Bilder von höchster Ästhetik gestaltet. Da werden zwei schwarze Stangen, die sich gleichmäßig heben und senken zur venezianischen Gondel, Gondoliere brauchen nur ein Ruder und entsprechende Bewegungen, um sich als solche auszuweisen. An den Bühnenseiten lagern die Requisiten, die häufiger zum Einsatz kommen und ebenso wie die Holzstege offen bereit- oder umgestellt werden. Dies geschieht mit einer ruhigen Selbstverständlichkeit, die nicht störend sondern natürlich wirkt. Eine angemessene Üppigkeit findet sich lediglich in den Kostümen von Richard Hudson: ganz klassisch und einfach schön.


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Aschenbach (Alan Oke), die polnische Familie
(vorn: Pavel Povraznik als Tadzio)

Alan Oke verkörpert den Aschenbach bis in die Fingerspitzen. Wie in den sich selbst streng kontrollierenden, hochdisziplinierten, an Schaffenskraft verarmten Künstler das Leben zurückkehrt, wie aus seiner Sehnsucht und Liebe zu Schönheit und Jugend der fatale Wunsch wird selbst wieder jung und schön zu sein, bis hin zu seinem erbärmlichen, clownesken Ende - alles das wird erschütternd deutlich. Okes hochkultivierter Tenor lässt dabei keinen Wunsch offen. Er klingt immer geradlinig und klar, gänzlich unangestrengt und souverän - auch in den unangenehmsten Intervallsprüngen - und weist bis zum Schluss keinerlei Ermüdungserscheinungen auf, was bei dieser ausgesprochen langen Partie umso mehr beeindruckt. Seine ganz exzellente Wortverständlichkeit setzt das i-Tüpfelchen. Man kann den Aschenbach vielleicht anders singen und darstellen - aber kaum besser.


Vergrößerung in neuem Fenster Aschenbach (Alan Oke) und
der Reisende (Peter Sidhom)

Als stimmlicher, wie schauspielerischer Verwandlungskünstler schlüpft Peter Sidhom in alle Baritonrollen. Ob als beflissener Hotelmanager oder als geschwätziger Friseur, ob als Straßensänger oder Gondoliere, ob als unheimlicher Reisender oder als kraftvolle Stimme des Dionysos - er verleiht jeder Figur individuellen Charakter. Sein souveräner Bariton überzeugt nachhaltig, nur das Falsettsingen (als Geck) gehört nicht zu seinen größten Stärken.

Will Towers leiht Apollo seinen Kontratenor, Damian Thantrey ist ein ausgesprochen schönstimmiger englischer Angestellter im Reisebüro. Die polnische Familie und ihre Freunde hat Britten dem Ballett zur Darstellung übergeben. Das Tanztheater Nürnberg wird dieser Aufgabe bestens gerecht. Auch hier überwiegen die kleinen, dezenten Bewegungen. Mit besonderer Ästhetik berühren Pavel Povraznik als Tadzio und Riikaa Läser als Frau von Welt und besorgte Mutter.


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Aschenbachs Traum (Ballett und Chor)

Mit vielfältigen kleinen Solopartien tragen die Mitglieder des Britten Festival Chorus ebenso zu diesem musikalischen Ereignis bei wie mit ihrem homogenen Zusammenklang. Lupenrein und höchst engagiert folgen die Wiener Symphoniker Paul Daniel, der vom Pult aus eine geradezu atemberaubende musikalische Dichte und Ausdrucksstärke erzeugt. Dabei lassen immer wieder wunderschöne Details aufhorchen.

Das Publikum war am Ende so tief beeindruckt, dass es einige Momente dauerte, bis der heftige Schlussapplaus einsetzte. Diese Stille sagte viel.


Vergrößerung in neuem Fenster Plakatmotiv der Bregenzer Festspiele

FAZIT

Eine Produktion vom Allerfeinsten! Rundum.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Paul Daniel

Regie
Yoshi Oïda

Bühne
Tom Schenk

Kostüme
Richard Hudson

Lichtdesign
Paule Constable

Choreographie
Daniela Kurz

Chorleitung
Philip Sunderland



Wiener Symphoniker

Britten Festival Chorus


Solisten

Gustav von Aschenbach
Alan Oke

Der Reisende / Der ältliche Geck
/ Der alte Gondoliere / Der Hotelmanager
/ Der Coiffeur des Hauses / Der Führer
der Straßensänger
/ Die Stimme des Dionysos
Peter Sidhom

Die Stimme des Apollos
Will Towers

Englischer Angestellter
im Reisebüro
Damian Thantrey

Englischer Angestellter
im Reisebüro
Damian Thantrey

The Travellars Attendants
Tom Lawrence
Duncan Macdonnell

Die polnische Familie,
Die Erzieherin, Freunde
Tanztheater Nürnberg

Tadzio
Pavel Povraznik


Weitere Informationen
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Bregenzer Festspielen
(Homepage)




Da capo al Fine

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