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Musikfestspiele
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Herbert von Karajan
Pfingstfestspiele 2007

25. Mai bis 3. Juni 2007

Solisten- und Kammermusikkonzerte

Homepage

Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)
Gesänge - vokal und instrumental

Von Christoph Wurzel

Solche Dimensionen, dass man von einer "intimen" Konzert-Atmosphäre sprechen könnte, hat der Saal in Baden-Baden freilich nicht, auch wenn bei kammermusikalischen Anlässen meist nur das Parterre geöffnet ist oder allenfalls noch der 1. Balkon. Aber in Baden-Baden gastieren Künstler, denen es gelingt auch in einem großen Saal eine solche Präsenz zu entwickeln, dass die Distanz zwischen ihnen und dem Publikum zu verschwinden scheint.

So geschehen bereits nach wenigen Tönen beim Konzert von Ivo Pogorelich gleich zu Beginn der Pfingstfestspiele. Anders als angekündigt (mit Clementi) eröffnete er sein Programm mit einem der besonders nach innen gekehrten späten Klavierstücke von Johannes Brahms, dessen Charakter "teneramente" - "zart" - er aufs Intensivste erfasste und so die Konzentration des Publikums unvermittelt gleichsam erzwang. Dieses hatte sich offenbar selbst so in die Musik versenkt, dass ohne Beifallsunterbrechung Prokofjews sechste Sonate folgte, die Pogorelich schon in seiner legendären Platteneinspielung von 1983 fulminant präsentiert hatte. Hier aber ließ er sich noch um ein Vielfaches ausgefeilter und subtiler auf die Klangfacetten ein und hielt die vitale Motorik dieser Musik in hoch gespanntem Gleichgewicht zwischen Eruption und Innerlichkeit. Auch die rhythmische Raffinesse der 3 Spanischen Tänze von Granados setzte er perfekt um und malte das andalusische Kolorit in schillernden Pastellfarben. Pogorelich, einst umstrittener Dandy unter den Pianisten, ist vom Exzentriker zum Klangmagier gereift. In Ravels "Gaspard" hatte er dann den Gipfel der klanglichen Feinziselierung erreicht, vor allem im Mittelteil, "Gibet" - "Galgen", schien die musikalische Zeit bedrückend still zu stehen. Sein melancholisch gefärbtes Programm rundete Pogorelich mit der rasant virtuos hingelegten Phantasie "Islamey" von Mili Balakirev als Zugabe ab.

War der Auftritt von Pogorelich mit großer Spannung erwartet worden, weil er bisher erst einmal in Baden-Baden aufgetreten war und sogar einmal abgesagt hatte, so sah man dem Pianisten Eric Schneider mit Interesse entgegen, weil dieser mit Soloprogrammen bisher wenig hervorgetreten ist, gleichwohl er sich als Liedbegleiter etwa von Christine Schäfer oder Matthias Goerne einen Namen gemacht hat. Und sein Klavierrecital wurde in der Tat zu einem weiteren Höhepunkt dieser Pfingstfestspiele. Eric Schneider ist nicht neben dem Liedbegleiter auch Solopianist, sondern Solist auf eine beeindruckende Weise: ein Sänger auf dem Klavier. Durch intensive Beschäftigung mit dem Liedgesang (unter anderen haben ihn Elisabeth Schwarzkopf und Dietrich Fischer-Dieskau gefördert) hat er sich ein verführerisches Klavierlegato angeeignet, das er zur schönsten Entfaltung im Andante "molto cantabile" der Sonate op. 109 von Beethoven brachte. Doch ebenso das "espressivo" dieses Satzes spielte er kraftvoll und animiert heraus. Sein Beethoven schien auf Schumann zu verweisen, wie sein Schumann (C-Dur - Fantasie) den Einfluss Beethovens nicht verheimlichte, insbesondere in der klar herausgearbeiteten Architektur dieses Werks, deren Sonatencharakter Schneider deutlich betonte, ohne das Fantasierende dieser Musik zu unterdrücken. Seine Souveränität im Gestalten kleinster Formen und seine Präferenz für das Gesangliche kam in den Zugaben aus den "Kinderszenen" schön zum Tragen: "Glückes genug"


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Bandenwerbung für das romantische Lied
Foto: Andrea Kremper

Von Glück, aber auch von Leid handeln sowohl Schumanns Heinelieder als auch der Magelone-Zyklus von Brahms. Thomas Quasthoff, letztens häufigerer Gast in Baden-Baden, gestaltete sie mit enormen Gespür für die Tiefen dieser romantischen Musik. Nicht zuletzt auch ihm ist es zu verdanken, dass Liedgesang wieder in den Konzertprogrammen mehr Beachtung findet. Quasthoff ist ein besonders überzeugender Sachwalter dieser Kunst. Ohne als Sänger sich in den Vordergrund zu spielen, lässt er wunderbar nur die Lieder sprechen. Sei es die bittere Süße der Heine-Vertonungen von Schumann oder die große Bandbreite der Empfindungen in Brahms` Romanzen, zwischen Sehnsucht, Bangen und Verzweiflung schwanken die dargestellten Gefühle und Quasthoff gestaltete sie mit größter Empathie und stattete sie mit cantablem Wohlklang aus. Bei allem bewahrte er absolute Textverständlichkeit. Das war höchste Kunst des Liedgesangs und "megaschön" zugleich. Justus Zeyen war dabei mehr als nur Begleiter. Gerade den besonders ausgefeilten Klavierpart von Brahms gestaltete er mit vielen Nuancen und spielerischer Lebendigkeit aus. Schade nur, dass auf die Präsentation der Tieckschen Erzähltexte verzichtet wurde. Zwar sind die Lieder, besonders durch ihre musikalische Faktur, zyklisch miteinander verwoben, aber der Sinngehalt des Ganzen würde sich im Wechselspiel des im Lied Empfundenen mit dem in der Erzählung Berichteten noch besser erschließen.

Lediglich gut dreißig Jahre umspannen die drei Werke, die in der Matinee am Pfingstsonntag geboten wurden. Haydns Klaviertrio op. 78, das mit nicht enden wollenden Einfällen und Überraschungen verblüfft, Beethovens vor allem für das Klavier virtuoses Erzherzogtrio und Schuberts B-Dur - Trio, das zum Schönsten gehört, was für diese Besetzung je geschrieben wurde. Drei auch solistisch hochprofilierte Künstler hatten sich zum Musizieren zusammengetan, deren Spiel zu einem außerordentlichen Erlebnis wurde. Da war zuerst die musikalische Hardware: Kolja Blacher und Clemens Hagen steuerten je ein Instrument von Stradivari zum erlesenen Klang bei, Kirill Gerstein brillierte auf dem Flügel mit stupender Technik. Aber ohne musikantischen Furor, ohne prickelndes Temperament und vor allem ohne ein höchst sensibel abgestimmtes Zusammenspiel wäre ein solches Ergebnis nicht zu erzielen gewesen. Die drei Musiker gönnten weder sich noch dem Publikum auch nur einen Moment geistiger Entspannung, in höchster Konzentration trieben sie die drei gehaltvollen Werke voran - mit dynamischer Frische, geistreichem Spielwitz und ausdrucksvollem Sentiment. Im Schubert-Trio gipfelten die überragenden Qualitäten jedes Einzelnen, der warm empfundene Geigenton Blachers, das zupackend präsente Cellospiel Hagens und der nuancenreiche, klare Anschlag Gersteins am Flügel. Kein einziger Moment von Zweifel daran kam auf, dass diese drei Musiker nicht berufene Botschafter der musikalischen Königsgattung Kammermusik wären.


Vergrößerung in neuem Fenster Kolja Blacher im Podiumsgespräch nach dem Konzert
Foto: Christoph Wurzel

Mit zwei Violinabenden (von denen der Rezensent nur den ersten erlebte) legten Anne-Sophie Mutter und Lambert Orkis auch nach dem verflossenen Mozartjahr schließlich noch einen starken Akzent in eben diese Richtung. "Das Mutter Mozart Projekt" also auch live im Festspielhaus, das gleichzeitig auch im manieristisch verspielten Cover-Design auf CD und DVD heftig vermarktet wird. Eine monokulturelle Programmgestaltung birgt immer die Gefahr der Eintönigkeit, gar der Ermüdung. Doch Mozarts "Sonaten für Klavier und Violine", wie sie entgegen der hier geübten Präsentationspraxis bezeichnet sind, bieten doch so reiche Vielgestaltigkeit und Abwechslung, dass eine solche Befürchtung nicht aufkommen müsste. Das Mozartspiel von Anne-Sophie Mutter spaltet die Zuhörerschaft. Nicht überall findet ihr vibratoreiches, bisweilen zu romantisierenden Pathos neigendes Spiel uneingeschränkte Zustimmung. Aber ihr Ton ist pure Schönheit, ihre Technik ist makellos. Dies im Sinne Mozarts einzusetzen, verlohnt durchaus der Mühe und zeitigt auch beeindruckende Ergebnisse. Anne-Sophie Mutter spielte wirklich einen sensibel und innig klingenden Mozart, der auch, wo es hingehörte, von spritzigem Temperament funkelte, wie beispielhaft in der D-Dur-Sonate KV 306. Aber die Beredsamkeit, die packende innere Gespanntheit des Trios Blacher/Hagen/Gerstein wurde vom Duo Mutter/Orkis nicht erreicht. Doch bei musikalischer Empfindung bleibt bekanntlich immer auch ein Rest von Subjektivität und der sei hier eingestanden...

Fazit:
Auch im großen Saal des Baden-Badener Festspielhauses sind die kleinen Formen der Kammermusik bestens aufgehoben. Berührende Konzerterlebnisse sind dort durchaus keine Seltenheit!

Weitere Berichte:

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Festspielhaus Baden-Baden
Foto: Christoph Wurzel


Die Programme

26. Mai 2007
Ivo Pogorelich, Klavier

Johannes Brahms
Klavierstück op. 118 Nr. 2 A-Dur

Sergej Prokofjew
Sonate für Klavier Nr. 6 A-Dur op. 82

Enrique Granados
Drei Spanische Tänze op. 37 Nr. 5, 10 und 12

Maurice Ravel
Gaspard de la nuit


27. Mai 2007
Kolja Blacher, Violine
Clemens Hagen, Violoncello
Kirill Gerstein, Klavier

Joseph Haydn
Klaviertrio A-Dur op. 78 Nr. 1

Ludwig van Beethoven
Klaviertrio B-Dur op. 97 "Erzherzogtrio"

Franz Schubert
Klaviertrio Nr. 1 B-Dur
op. posth. 99


28. Mai 2007
Thomas Quasthoff, Bariton
Justus Zeyen, Klavier

Robert Schumann
Liederkreis op. 24
nach Gedichten von Heinrich Heine

Johannes Brahms
"Die schöne Magelone" op. 33
15 Romanzen
nach Gedichten von Ludwig Tieck


1. Juni 2007
Anne-Sophie Mutter Violine
Lambert Orkis Klavier

Wolfgang Amadeus Mozart
Sonaten für Klavier und Violine
KV 296, 377, 306, 302 und 526


3. Juni 2007
Eric Schneider Klavier

Robert Schumann
Fantasie C-Dur op. 17

Ludwig van Beethoven
Klaviersonaten
Nr. 30 E-Dur op. 109 und
Nr. 31 As-Dur op. 110



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