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Musikfestspiele
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Wahnfried
Ein deutsches Stammlokal

Die wunderbare Welt der Wagners. Ein kleines Gesamtkunstwerk.
von Klaus Umbach

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Uraufführung am 27. August 2006
(rezensierte Aufführung: 29. August 2006)

Logo: RUHRtriennale 2006

Wagner für Modellbahnfreunde

von Stefan Schmöe / Fotos von Mara Eggert


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Alan Titus und Raphaela Crossey

Die Geister, die Richard Wagner – gewollt wie ungewollt – rief, die wird die Musikgeschichte nicht mehr los. Zwischen kultischer Verehrung durch selbsternannte Wagnerianer, der Diskreditierung durch allzu große Affinität zum Nationalsozialismus, einer reibungslos schnurrenden Festspielmaschinerie, der boulevardträchtig streitenden Nachkommenschaft des Komponisten, unzähligen Deutungsversuchen vom Totalitarismus bis zum Kommunismus, zwischen Weltrevolution und Antisemitismus geht Wagners Musik manchmal fast verloren. In Wahnfried, der Bayreuther Villa, in der Wagners „Wähnen Frieden fand“ (wie eine Inschrift besagt), spuken diese oft allzu deutschen Geister sozusagen symbolisch herum: Wahnfried, ein deutsches Stammlokal. Das in etwa ist der Untergrund, auf dem Klaus Umbach, langjähriger Kulturkritiker des „Spiegel“, sich im Auftrag der Ruhrtriennale mit dem Phänomen Wagner auseinander setzt. Keine einfache Angelegenheit, die sich so mir nichts, dir nichts abhandeln ließe – vielmehr ein widerborstiges Sujet, das nach Brüchen und Verwerfungen geradezu schreit.


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Alan Titus und Raphaela Crossey

Eine Sammlung kluger Geistesblitze allerdings ergibt noch kein Theaterstück. Schon gar nicht, wenn es sich um einen Sänger herum ranken soll, der zwar ordentlich Wagner singen, aber keineswegs einen abendfüllenden Monolog über Wagner in einer für ihn fremden Sprache halten kann. Umbach schreibt Alan Titus passend die Rolle eines Amerikaners in Bayreuth auf den Leib, was man pragmatisch, mehr aber noch trivial nennen muss: Als golfspielender Bayreuth-Tourist und pensionierter Gesangslehrer Bill Applepie scheint er plötzlich zu versterben und trifft auf die Geister der Wagner-Vergangenheit. Liszt und Bruckner, Cosima und Wieland Wagner, Minna Wagner und Mathilde Wesendonck und wie sie alle heißen, schließlich auch noch Mikhail Bakunin treten auf und machen Mr. Applepie staunen. Und was macht er: Er singt. Wagner. Dafür hat Triennale-Intendant Jürgen Flimm den amerikanischen Bariton, der in Flimms Bayreuther Ring-Inszenierung den Wotan gesungen hat, schließlich engagiert, und dass in Umbachs Stück Gesang nicht notwendig wäre, sogar das herbeigesehnte Ende hinauszögert, kann man als künstlerisch-dramaturgischen Betriebsunfall werten, der zum Restrisiko eines Auftragswerks gehört.


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Moritz Eggert und Dietmar Mues

Vielleicht ist Umbachs Text gar nicht so schlecht, wie ihn die Regie von Markus Dietze macht. Der traut (leider, von dem überzeugenden Dietmar Mues einmal abgesehen, aus gutem Grund) den Schauspielern nichts zu und schickt seine Gestalten so schrill auf die Bühne, bis auch der letzte Wiedererkennungswert gewichen und der letzte Bezug zu Wagner gekappt ist. Bemerkenswert ist noch, wie konsequent der grotesken Situation jegliche Komik ausgetrieben ist. Tina Carstens besorgt mit unsäglichen Kostümen den Rest - als wäre hier Kindergeburtstag und alle dürften sich so blöde wie möglich schminken und frisieren. Auf gleichem Niveau bewegen sich die Picknick-Tellerchen mit Hakenkreuz-Dekor und der schicke Selbstmordattentätergürtel Bakunins. Wenn man Provokationen auf die Bühne bringen möchte, sollte man es bitte auch ordentlich tun: Wenigstens das hätte Wagner verdient. Hier landet er zwischen Sandkasten und Modelleisenbahn. Der Zuschauer wendet sich gähnend ab.


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Ensemble

Während dessen singt Alan Titus die schönsten Stellen des Wagnersches Oeuvres – unverdrossen? Jedenfalls fehlt ihm ein Orchester, das Moritz Eggert (er darf als „Liszt“ auch ein bisschen schauspielern) nicht annähernd ersetzen kann. Er spielt zu brav, zu unflexibel, auch zu unaufmerksam, wenn Titus das Tempo anzieht – wer einmal den Bayreuther Pianisten Stefan Mikisch, dessen Einführungsvorträge zu den Festspielen legendär sind, gehört hat, weiß, das man einem Flügel auch ganz andere Wagnerklänge entlocken kann. Titus wirkt oft musikalisch verloren, erledigt seine Aufgabe routiniert, aber eben auch nicht mehr. Den Wotan könnte er wohl notfalls auch rückwärts singen; der Sachs gerät ihm solide bis biedermeierlich, der Alberich, verflucht, wird zur Zitterpartie, der Holländer scheiterte in der hier besprochenen Vorstellung kläglich, wohl der ungünstigen Aufstellung ohne Kontakt zum Klavier wegen. Der Beifall war wohl auch als Anerkennung dafür zu werten, dass Titus dieses Brimborium über sich ergehen ließ. Er dürfte sich vorgekommen sein wie im falschen Film. Das Publikum allerdings auch.


FAZIT

Angekündigt wird ein "kleines Gesamtkunstwerk"; herausgekommen ist nicht einmal Kleinkunst.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Klavier
Moritz Eggert

Inszenierung
Markus Dietze

Bühne
Magdalena Gut

Kostüme
Tina Carstens

Licht
Horst Mühlberger


Solisten

Bill Applepie, Bariton
Alan Titus

Chor der Bayreuther Geister
Dietmar Mues
Raphaela Crossey
Klaus Philipp
Jona Mues
Moritz Eggert


Programmheft

Programmheft
(Gestaltung: Karl-Ernst Herrmann)



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