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Die Sterne blieben trübevon Stefan Schmöe
An einem großen Namen wie Neil Shicoff mochte die Ruhrtriennale wohl nicht vorbei gehen, auch wenn dessen Programm E lucevan le stelle ("Und es leuchteten die Sterne") mit dem Motto des Festivals Der Mensch des Barock denkbar wenig zu tun hatte: Acht große Szenen des späten 19. (und im Falle Puccinis des frühen 20.) Jahrhunderts, also große Opernromantik pur. Nun hatte im Vorjahr die famose Cecilia Bartoli solche programmatischen Bedenken im musikalischen Handstreich ausgeräumt, als sie mit einem reinen Barockprogramm das seinerzeitige Motto Romantik kontrastierte (unser Bericht) und alle möglichen Einwände mit ihrer furiosen Musikalität beiseite fegte. Bei Shicoff fällt die Bilanz da ungleich zwiespältiger aus.
Der amerikanische Tenor glänzte an diesem Abend mit brillanten Spitzentönen in kernigem Forte, die auch ein massives Orchestertutti überstrahlen. Dabei ist die Stimme in der hohen Lage immer kultiviert geführt, klingt weich und beweglich. Das ansonsten ganz leicht eingedunkelte Timbre erhält in der Höhe einen metallischen, aber nicht scharfen Glanz; bei den hellen Vokalen allerdings verengt sich die Stimme schnell, wodurch der Eindruck einer einzigen, oft sehr dominanten Klangfarbe entsteht. Das nivelliert die Ausdruckspalette, die dem Sänger zur Verfügung steht: Ob Cavaradossi, Hoffmann oder Rodolfo (aus Verdis Luisa Miller) Shicoffs Tenorhelden sind sich an diesem Abend recht ähnlich.
Hinter dem immer wieder beeindruckenden und scheinbar mühelosen Forte fehlen allerdings die leisen Töne fast vollständig. In den Mezzo-Lautstärken kann Shicoff das noch leidlich mit pointierter Aussprache, auch mit Gestik und Mimik überspielen; dem Piano aber fehlt weitgehend die Substanz. Die musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten bleiben da gering. So macht Shicoff in Offenbachs raffinierter Ballade von Klein Zach (aus Hoffmanns Erzählungen) stimmlich keinen Unterschied zwischen den derben Strophen, mit denen der verkrüppelte Zwerg beschrieben wird, und den unvermittelt eingeschobenen emphatischen Schwärmereien über die geliebte Stella wo der Komponist musikalische Welten aufeinander prallen lässt, bleibt Shicoff in der einen klanglichen Sphäre, die ihm zur Verfügung steht. Und auch Massenets Werther klingt wie ein Bruder des revolutionär kämpferischen Cavaradossi von Puccinis Gnaden französische Empfindsamkeit ist Shicoffs Sache an diesem Abend nicht.
Sein Handwerk versteht der Startenor; baut gezielt und maßvoll tenorale Schluchzer ein, weiß genau, wann er Töne verschleifen darf, disponiert klug die großen Aufschwünge. Er weiß, wann er effektvoll einen hohen Ton abreißen lassen muss (einmal misslingt's trotzdem). Doch weil die Zwischentöne fehlen, wirken die Interpretationen äußerlich, wirklich naher kommt Shicoff seinen Figuren nicht. Bezeichnenderweise gelingt die Arie des Rodolfo aus Verdis Luisa Miller, dem kompositorisch wohl konventionellsten Stück des Abends, am besten. Und einmal riskiert Shicoff dann doch etwas, gibt die Brüchigkeit seiner Stimme preis (die sonst leidlich gut überdeckt ist) und wird genau dadurch seiner Rolle mehr gerecht als in den allzu glatten anderen Arien: In der Arie des Lenski aus Tschaikowskijs Eugen Onegin. Zum idealen Lenski fehlt Shicoff sicher auch hier das lyrische Moment, aber er vermittelt einiges von der Zerrissenheit, die in dieser tragischen Figur anklingt. Wie farbig Puccinis Tosca klingen kann, das machen die vorzüglichen Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von John Fiore hörbar. Sie sind der eigentliche Star des Abends, von den ausgezeichneten Solisten an den ersten Streicherpulten angefangen bis zum satten Blechbläsersatz. Beim düsteren Vorspiel zu Macbeth kommt schnell der Wunsch auf, Triennale-Intendant Flimm hätte statt dieses allzu beliebigen Wunschkonzertes den kompletten Macbeth spielen lassen sollen, und sei es konzertant. Denn eine programmatische Logik wird auch durch die eingeschobenen Texte aus dem Umfeld der Kompositionen - meist die lierarischen Vorlagen der Opern - nicht deutlich. Julia Stemberger versuchte vergeblich, diese literarischen Einwürfe mit Bedeutungsschwere aufzuladen. Stringenz erhielt dieses Konzept nur einmal, als die Schauspielerin als Ergänzung zur Lenski-Arie, aus Puschkins Onegin rezitierte. In der Summe ist das, gemessen auch am programmatischen Anspruch der Ruhrtriennale, ziemlich wenig. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
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