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E lucevan le stelle

Ein Abend mit Neil Shicoff, Julia Stemberger, John Fiore
und den Duisburger Philharmonikern
in der Jahrhunderthalle Bochum am 26.08.2006

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Logo: RUHRtriennale 2006

Die Sterne blieben trübe

von Stefan Schmöe

An einem großen Namen wie Neil Shicoff mochte die Ruhrtriennale wohl nicht vorbei gehen, auch wenn dessen Programm „E lucevan le stelle“ ("Und es leuchteten die Sterne") mit dem Motto des Festivals „Der Mensch des Barock“ denkbar wenig zu tun hatte: Acht große Szenen des späten 19. (und im Falle Puccinis des frühen 20.) Jahrhunderts, also große Opernromantik pur. Nun hatte im Vorjahr die famose Cecilia Bartoli solche programmatischen Bedenken im musikalischen Handstreich ausgeräumt, als sie mit einem reinen Barockprogramm das seinerzeitige Motto „Romantik“ kontrastierte (unser Bericht) – und alle möglichen Einwände mit ihrer furiosen Musikalität beiseite fegte. Bei Shicoff fällt die Bilanz da ungleich zwiespältiger aus.


Vergrößerung in neuem Fenster Neil Shicoff und John Fiore (© Clärchen und Matthias Baus)

Der amerikanische Tenor glänzte an diesem Abend mit brillanten Spitzentönen in kernigem Forte, die auch ein massives Orchestertutti überstrahlen. Dabei ist die Stimme in der hohen Lage immer kultiviert geführt, klingt weich und beweglich. Das ansonsten ganz leicht eingedunkelte Timbre erhält in der Höhe einen metallischen, aber nicht scharfen Glanz; bei den hellen Vokalen allerdings verengt sich die Stimme schnell, wodurch der Eindruck einer einzigen, oft sehr dominanten Klangfarbe entsteht. Das nivelliert die Ausdruckspalette, die dem Sänger zur Verfügung steht: Ob Cavaradossi, Hoffmann oder Rodolfo (aus Verdis Luisa Miller) – Shicoffs Tenorhelden sind sich an diesem Abend recht ähnlich.


Vergrößerung in neuem Fenster Julia Stemberger und Duisburger Philharmoniker (© Clärchen und Matthias Baus)

Hinter dem immer wieder beeindruckenden und scheinbar mühelosen Forte fehlen allerdings die leisen Töne fast vollständig. In den Mezzo-Lautstärken kann Shicoff das noch leidlich mit pointierter Aussprache, auch mit Gestik und Mimik überspielen; dem Piano aber fehlt weitgehend die Substanz. Die musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten bleiben da gering. So macht Shicoff in Offenbachs raffinierter Ballade von Klein Zach (aus Hoffmanns Erzählungen) stimmlich keinen Unterschied zwischen den derben Strophen, mit denen der verkrüppelte Zwerg beschrieben wird, und den unvermittelt eingeschobenen emphatischen Schwärmereien über die geliebte Stella – wo der Komponist musikalische Welten aufeinander prallen lässt, bleibt Shicoff in der einen klanglichen Sphäre, die ihm zur Verfügung steht. Und auch Massenets Werther klingt wie ein Bruder des revolutionär kämpferischen Cavaradossi von Puccinis Gnaden – französische Empfindsamkeit ist Shicoffs Sache an diesem Abend nicht.


Vergrößerung in neuem Fenster Julia Stemberger, Neil Shicoff und John Fiore (© Clärchen und Matthias Baus)

Sein Handwerk versteht der Startenor; baut gezielt und maßvoll tenorale Schluchzer ein, weiß genau, wann er Töne verschleifen darf, disponiert klug die großen Aufschwünge. Er weiß, wann er effektvoll einen hohen Ton abreißen lassen muss (einmal misslingt's trotzdem). Doch weil die Zwischentöne fehlen, wirken die Interpretationen äußerlich, wirklich naher kommt Shicoff seinen Figuren nicht. Bezeichnenderweise gelingt die Arie des Rodolfo aus Verdis Luisa Miller, dem kompositorisch wohl konventionellsten Stück des Abends, am besten. Und einmal riskiert Shicoff dann doch etwas, gibt die Brüchigkeit seiner Stimme preis (die sonst leidlich gut überdeckt ist) und wird genau dadurch seiner Rolle mehr gerecht als in den allzu glatten anderen Arien: In der Arie des Lenski aus Tschaikowskijs Eugen Onegin. Zum idealen Lenski fehlt Shicoff sicher auch hier das lyrische Moment, aber er vermittelt einiges von der Zerrissenheit, die in dieser tragischen Figur anklingt.

Wie farbig Puccinis Tosca klingen kann, das machen die vorzüglichen Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von John Fiore hörbar. Sie sind der eigentliche Star des Abends, von den ausgezeichneten Solisten an den ersten Streicherpulten angefangen bis zum satten Blechbläsersatz. Beim düsteren Vorspiel zu Macbeth kommt schnell der Wunsch auf, Triennale-Intendant Flimm hätte statt dieses allzu beliebigen Wunschkonzertes den kompletten Macbeth spielen lassen sollen, und sei es konzertant. Denn eine programmatische Logik wird auch durch die eingeschobenen Texte aus dem Umfeld der Kompositionen - meist die lierarischen Vorlagen der Opern - nicht deutlich. Julia Stemberger versuchte vergeblich, diese literarischen Einwürfe mit Bedeutungsschwere aufzuladen. Stringenz erhielt dieses Konzept nur einmal, als die Schauspielerin als Ergänzung zur Lenski-Arie, aus Puschkins Onegin rezitierte. In der Summe ist das, gemessen auch am programmatischen Anspruch der Ruhrtriennale, ziemlich wenig.




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E lucevan le stelle

Neil Shicoff, Tenor

Julia Stemberger, Rezitation

Duisburger Philharmoniker

Ltg.: John Fiore


Programm:

G. Puccini: Intermezzo aus Manon Lescaut
V. Sardou: Monolog des Cavaradossi
aus dem Schauspiel La Tosca
G. Puccini: "Recondita armonia" aus Tosca

G. Verdi: Preludio zu Macbeth
W. Shakespeare: Monolog der Lady
aus dem Drama Macbeth
G. Verdi: Arie des Macduff "O figli" aus Macbeth

G. Verdi: Overtüre zu Luisa Miller
F. Schiller: Monolog der Luise aus
Kabale und Liebe
G. Verdi: Arie des Rodolfo "Quando le
sere al placido" aus Luisa Miller

J. Massenet: Thais-Variationen
J. W. von Goethe: aus Die Leiden des jungen Werther
J. Massenet: Arie des Werther
"Pourquoi me réveiller" aus Werther

J. Offenbach: Barcarole aus Hoffmanns Erzählungen
E. T. A. Hoffmann: "Klein Zaches genannt Zinnober"
J. Offenbach: Arie des Hoffmann
"Il était une fois à la cour d'Eisenach"
aus Hoffmanns Erzählungen

A. Puschkin: Auszüge aus Eugen Onegin
P. Tschaikowskij: Arie des Lenski
"Kuda, kuda, kuda vi udalilis" aus Eugen Onegin
P. Tschaikowskij: Brief an Nadeshda von Meck
P. Tschaikowskij: Polonaise aus Eugen Onegin

G. E. Lessing: "Über die Wahrheit"
J. Halevy: Arie des Eléazar
"Rachel, quand du Seigneur" aus La Juive

G. Puccini: Arie des Cavaradossi
"E lucevan le stelle" aus Tosca


Programmheft

Programmheft
(Gestaltung: Karl-Ernst Herrmann)



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