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Poro, Re dell'Indie
Oper in drei Akten (HWV 28)
von Georg Friedrich Händel

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere am 1. Juni 2006
im Deutschen Theater Göttingen
Weitere Aufführungen: 3., 5. und 6. Juni 2006


Homepage: Göttinger Händel Festspiele

Liebe kontra Eifersucht

Von Gerhard Menzel / Fotos von Dorothea Heise

Händels "Poro, Re dell'Indie" war bereits zu seinen Lebzeiten eine sehr erfolgreiche Oper. Nach ihrer Uraufführung im King's Theatre am 2. Februar 1731 wurde sie in zwei weiteren Spielzeiten wieder aufgenommen (die Titelpartie sang der seinerzeit gefeiertste Kastrat Senesino) und wurde später dann in Bearbeitungen auch in Hamburg und Braunschweig aufgeführt. Es ist übrigens die einzige Oper Händels, die eine - zumindest entfernte - Beziehung zu Mozart aufweisen kann, da dieser bei einem Besuch in London fünf Jahre nach Händels Tod, eine Tenor-Arie für das Metastasio-Libretto von "Poro" komponierte. Nun ja.


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William Towers (Poro)

Während das Libretto von Metastasio eher die hohen Tugenden der Herrscher betont, stehen in Händels Libretto mehr die Schwächen der Protagonisten im Vordergrund, vor allem die übersteigerte und bisweilen krankhafte Eifersucht des Poro. Dadurch wird gleichsam exemplarisch deutlich, dass Händels Opern in erster Linie keine historischen Nacherzählungen sind, sondern vor allem von Menschen sowie deren Gefühlen und Problemen erzählen.


Vergrößerung in neuem Fenster William Towers (Poro),
Thomas Piffka (Alessandro),
Torben Jürgens (Timagene)
und Jutta Böhnert (Cleofide)

Igor Follwill akzentuierte auch gerade diese "alltäglichen", zwischenmenschlichen Befindlichkeiten in ganz besonderer Weise. Sehr sensibel und mit viel Feinschliff inszenierte er keinen Kampf der Welten (Griechenland gegen Indien), sondern menschliche Gefühle von Liebe und Leidenschaft mit besonderem Augenmerk auf ausgeprägte Eifersucht in extremen Situationen.

Dem entsprechend schufen Manfred Kaderk (Bühnenbild) sowie Andreas Meyer und Wolfgang Scharfenberger (Kostüme) eine relativ schlichte Ausstattung, ohne jedoch ganz auf charakteristische "morgenländische" Attribute zu verzichten. Nach ihren gemeinsamen Arbeiten bei Rodelinda (2000), Parthenope (2001) und Rinaldo (2004) gelang ihnen auch bei Poro eine adäquate visuelle Umsetzung des Stückes.


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William Towers (Poro) und
Jutta Böhnert (Cleofide)

Die Bühne war als Einheitsraum konzipiert. Ein gepflasterter Platz wurde von einem großen, zerstörten zweiflügeligen Tor im Hintergrund, und zwei ebenfalls durch Gewalteinwirkung in Mitleidenschaft gezogene, seitliche Wände begrenzt. Durch verschiedene Versatzstücke konnte er schnell und sehr variabel umgestaltet werden.
Zunächst prägten ihn eine zerborstene Säule, aufgehäufte Steine, Qualm, Staub und Nebel. Im Verlauf des Stückes wurde er enttrümmert, renoviert, restauriert, von der Natur (Palmen) "befreit" und schließlich zum Ausstellungs- und Museumsraum mit riesigen Gemälden umfunktioniert. Diese Bilder waren zuvor, wie andere fremde Kulturgüter (inklusive einer Elefantenplastik) in Transportkisten verpackt und abtransportiert worden. Zum Schluss verhängten sie schließlich die "exotische" Kultur (Wandfries) fast gänzlich.


Vergrößerung in neuem Fenster Thomas Piffka (Alessandro)
und William Towers (Poro)

Auch die Kostüme verdeutlichten den fortschreitenden Kulturverlust. Es waren bewusst nicht historisch "korrekte", sondern eher neutrale und die Personen charakterisierende Kostüme. So wirkten die Uniformen aus edlen Stoffen stilisiert und zeitlos. Alessandros Kleidung und Welt waren (unterstützt durch die Lichtgestaltung) durch kalte Farben wie Silber, Blau und Grau gekennzeichnet. Bei Poro und Cleofide dominierten dagegen warme Gold- und Gelbtöne. Am Ende verschwanden die orientalischen Attribute immer mehr und der Stil der Kleider - insbesondere bei Erissena - näherte sich einer neutralen Abendmode an.
Immerhin schien der Okupator (Alexander) von den angeblichen Barbaren gelernt zu haben, auch wenn im 3. Akt alle Beteiligten ihre "Heimat" verloren zu haben schienen.
Gibt es einen Ausweg? Das Miteinander der Kulturen?


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William Towers (Poro) und
Jutta Böhnert (Cleofide)

Dieses eher ruhige und innige Stück wird aber vor allem durch die wiederholten Eifersuchtsszenen zwischen Poro und Cleofide geprägt, die teils ernst, teils ironisch daherkommen. Obwohl sie auf der einen Seite an Komik kaum zu überbieten sind, blieb einem hier das Lachen doch sehr schnell wieder im Hals stecken. Was Igor Follwill hier an Detailarbeit in der Personenführung gelang, war schon äußerst subtil und gekonnt gezeichnet.

Glücklicher Weise konnte das Solistenensemble nicht nur darstellerisch alle von Igor Follwill geforderten Ausdrucksnuancen umsetzen, sondern auch sängerisch in allen Belangen überzeugen. An erster Stelle waren das William Towers (Altus) in der Titelpartie des Poro, Jutta Böhnert (Sopran) als leidgeprüfte Cleofide, Franziska Gottwald (Alt) als temperamentvolle Erissena und der durch seine exzellenten Mozart-Partien geprägte Tenor Thomas Piffka als Alessandro. Andrew Radley (Gandarte), der sich mit seinen Altus im Laufe des Stückes stimmlich steigernd an Profil gewinnen konnte und der Bass Torben Jürgens (Timagene) komplettierten ein erfreulicher Weise sehr homogenes Ensemble, das für ein Fest der Stimmen sorgte.


Vergrößerung in neuem Fenster Thomas Piffka (Alessandro) und
Franziska Gottwald (Erissena)

Leider bekamen die Sänger aus dem Orchestergraben nur wenig Inspiration und musikalisch mitreißende Leidenschaft geliefert. Dieses kann allerdings nicht allein an der Akademie für Alte Musik Berlin gelegen haben, deren spielerische Klasse und klangliche Differenziertheit hier mehr zu erahnen, als zu hören war. Gerade im direkten Vergleich zum "Alexanderfest", bei dem die Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von René Jacobs so grandios musizierte, klang die Musik Händels unter dem Dirigat von Konrad Junghänel, der mit "Poro" sein Händel-Opern Debüt gab, eher hölzern, wenig geschmeidig und mit hörbar gekünstelter Differenzierung versehen. Manchmal etwas grobschlächtig und unsensibel wirkend, klang die Musik zwar geprobt, aber nicht wirklich verinnerlicht, die gewollte und angestrebte Differenzierung ohne sensibles Gespür für Übergänge und Feinheiten.
Für die kommende Plattenproduktion wird da sicherlich noch nachgebessert werden.



FAZIT

Insgesamt war diese Opernproduktion aber trotzdem wieder einmal einer der glanzvollen Höhepunkte bei den Göttinger Händel-Festspielen 2006.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Konrad Junghänel

Regie
Igor Follwill

Bühne
Manfred Kaderk

Kostüme
Andreas Meyer
Wolfgang Scharfenberger



Akademie für Alte Musik Berlin


Solisten

Poro
William Towers, Altus

Cleofide
Jutta Böhnert, Sopran

Erissena
Franziska Gottwald, Alt

Gandarte
Andrew Radley, Altus

Alessandro
Thomas Piffka, Tenor

Timagene
Torben Jürgens, Bass


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Göttinger Händel Festspielen
(Homepage)




Da capo al Fine

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