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Anspruchsvolle Ehrung für den Doyen der Avantgarde
Das Klavier war mein Instrument. Und ich habe mich ausgedrückt, weil ich gewusst habe, wie das klingt, wie man schreiben kann. Auch die Grenzen waren mir bekannt. Aber ich wollte die Grenze überschreiten, damals. Das war eine Phase in meiner Jugendzeit. Und ich sehe da den wilden Aspekt, die wilde Seite. Wenn man Pierre Boulez mit seinem Klavierwerk konfrontiert, kommt schon fast so etwas wie Wehmut auf. Immerhin: der Maestro, einer der brillantesten Köpfe der musikalischen Gegenwart, ist im März dieses Jahres 80 Jahre alt geworden. Und das ist nicht der einzige Grund, ihn zu ehren. Die musikalische Welt kennt Boulez als Intellektuellen, als Komponisten serieller Musik, als Chef des Pariser IRCAM, dem weltbekannten Zentrum für elektroakustische Musik, und nicht zuletzt als scharfsinnigen Dirigenten, der mit seinen klanganalytischen, manchmal etwas unterkühlt und distanziert wirkenden Aufnahmen Geschichte geschrieben hat. Ein musikalisches Genie mit universellen Fähigkeiten, die auch Festival-Intendant Franz-Xaver Ohnesorg rühmte, bevor er seinem langjährigen Freund den Preis des Klavier-Festivals überreichte. Fast alle Klavierwerke von Boulez entstanden in den vierziger und fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Der Abstand zu den späten Stücken (und solchen, in denen ein Klavier verwendet wird) ist groß. Die Schreibweise hat sich geändert. Weniger abrupt, würd' ich sagen. Für mich ist die große Energie, die ich damals gehabt habe, wirklich frappierend in diesen Stücken, und was ich verlange von den Interpreten ist sicher sehr schwer, meint Boulez dazu. Eine glatte Untertreibung, wie man hören konnte. Pierre Boulez© Klavier-Festival Ruhr
Werke wie die zweite Sonate stellen fast eine spieltechnische Unmöglichkeit dar, in ihrer Länge und ihrer Sperrigkeit ebenso wie bezüglich ihres Schwierigkeitsgrades. Tamara Stefanovich, die das Stück in Duisburg aufführte, hat hier jedes nur erdenkliche Lob verdient. Ein weiterer kongenialer Vermittler des Klavierwerks des Komponisten ist Pierre-Laurent Aimard, der erklärte Anwalt alles Neuen. Er formuliert Boulez' Musik plastisch, gestenreich und fesselnd. Die Vertrautheit mit dieser Musik spürt man: Boulez selbst hatte ihn schon 1977 in sein Ensemble Intercontemporain geholt. Leider erwies sich Aimard mit Worten, das heißt mit höchst dürftigem Deutsch als wenig geeignet für eine erhellende Moderation: Da präsentierte er musikalische Motive, die kein Mensch in der recht gut besuchten Gebläsehalle wohl später in der Musik selbst wieder erkannt hat. Und auch die kargen Texte im Programmheft (finanziell offenbar bis zur Grenze kaputt gespart) gaben keine weiteren Hilfen. Im nächsten Jahr sollte man für Texte vielleicht doch etwas mehr ausgeben. Am Ende geriet der doch recht anstrengende Nachmittag zu einem anspruchsvollen Marathon, der vom Publikum allerhöchste Aufmerksamkeit erforderte. Boulez selbst freute sich über den seltsam sperrigen Festivalpreis und fand sehr freundliche Worte. Am Ende bleibt jedoch wohl die Erkenntnis, dass die Klavierwerke von Boulez wohl nie in das Standardrepertoire Einzug halten werden. Es gibt eben Stücke, die nur für den Fortschritt der Avantgarde Bedeutung hatten. Die Herzen des Publikums werden sie jedoch nie erreichen. Die OMM-Rezensionen vom Klavier-Festival Ruhr 2005 Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Tamara Stefanovich
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- Fine -