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Prima la musica
Tzimon Barto hat die Bühne der Top-Pianisten verlassen Das Klischee vom hünenhaften Bodybuilder, der dennoch ein Meister der zarten Töne ist, mag Tzimon Barto überhaupt nicht. Doch genau diesem Bild entsprach der Pianist wieder in seinem Konzert im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr. Gewiss, der Amerikaner ist ein Könner, wenn es um Nuancen geht, um variantenreiche Anschlagstechnik. Doch wie Barto in einem Interview bereits im Jahre 2003 zugab, gehört seine Liebe seit einiger Zeit schon nicht mehr vorrangig der Musik, sondern der Poesie, denn der Virtuose betätigt sich schon längere Zeit auch als Dichter. Eine Folge von 3000 Gedichten möchte der sensible Kleiderschrank aus den USA zu Papier bringen, seine Konzerttätigkeit hat er reduziert, kümmert sich auch mehr um seine Familie. Das sei ihm gegönnt, das ist gut. Aber ist es aber schon so weit, dass dies seine Souveränität beeinträchtigt hat? Während seines gesamten Auftritts im Essener Aalto-Theater kam er immerhin nicht ohne Notentext aus. Der Umblätterer an seiner Seite hatte wahrlich viel zu tun. In der Pastorale BWV 590 von Bach fand man zunächst noch ein Ebenmaß, das sich jedoch schon kurze Zeit vollkommen verlor. Für Freunde der Musik von Johannes Brahms, die das Kraftvoll-Zupackende, den melancholisch-umwölkten Ton seiner Musik lieben, war Bartos Sicht der späten Klavierstücke op. 119 nichts: Er gestaltete sie als exzentrische Endzeitwerke und übersteigerte alles Sensible und die delikaten Rhythmen zuweilen auch ins Groteske. Seltsam auch, dass ihm die abschließende, ungarisch gefärbte Rhapsodie so steif geriet. Da hat man schon ganz andere Pianisten erlebt, die sich mit Verve und dazu noch absolut technisch sattelfest ins Zeug legten und aus sich herausgingen. Zwei Choralbearbeitungen von Bach, Nun komm' der Heiden Heiland sowie Jesus bleibet meine Freude, legte der Pianist als Gegensatzpaar an. Während erstere übermäßig nuanciert und verlangsamt erschien, fehlte letzterer leider alles Schwingende, Elegante. Barto wirkte hier eher wie ein Vollstrecker. Die nicht enden wollende, episodenhafte Humoreske op. 20 von Robert Schumann ist an sich schon ein problematisches Werk. Aus ihr vermochte der Pianist wenig Sinn zu machen: Hier fehlte der große Bogen, die Sinn stiftende Einheit. Stattdessen herrschten, wie in allen Barto-Interpretationen an diesem Abend, überzeichnete Kontraste. Jean-Philippe Rameaus Allemande a-moll und die Transkription des Prélude, Fugue et Variation von César Franck gelangen dann jedoch ausgeglichener. Und besonders bei den Miroirs von Maurice Ravel traf seine Hypersensibilität beglückend auf die klangliche Verfeinerung des Komponisten. Das glitzerte, schäumte pointiert und verlor sich in entlegener Klanglichkeit im Tal der Glocken. Dieses Werk, so schien es, hatte der Pianist voll im Griff. Die zwei aus schierem Übermut leider hingeschluderten Zugaben zerstörten jedoch diesen positiven Eindruck wieder. Ein Ragtime von Scott Joplin wurde zum Schlussstein, der zum Klatschmarsch animierte: Ein unnötiger, in diesem Zusammenhang fast geschmackloser Reißer, der das ansonsten an diesem Abend eher zurückhaltende Publikum zum finalen Jubeln animieren sollte Ende eines äußerst zwiespältigen Konzerts, das kein Highlight im Festivalprogramm war. Die OMM-Rezensionen vom Klavier-Festival Ruhr 2005 Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Tzimon Barto
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- Fine -