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Musikfestspiele
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28.
Händel-Festspiele
in Karlsruhe

21. Februar bis 1. März 2005


Badisches Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)


Homepage des Badischen Staatstheaters Karlsruhe

28. Händel-Festspiele in Karlsruhe

Von Gerhard Menzel

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert bildet das Oeuvre Georg Friedrich Händels einen wesentlichen Schwerpunkt des Badischen Staatstheaters Karlsruhe. Spätestens seit dem letztem Jahr wurden aber auch hier Auswirkungen einer finanziell angespannten Lage spürbar. Bis dahin stand - zum Beispiel - in der Regel neben einer neuen Opernproduktion auch noch die Wiederaufnahme aus dem letzten Jahr auf dem Programm der Festspiele. Ursprünglich sollte im letzten Jahr, außer Reinhard Keisers Oper Octavia auch Händels erste Oper Almira - die beide Anfang des 18. Jahrhunderts an der Hamburger „Gänsemarktoper“ zur Aufführung kamen – als unmittelbare „Zeitgenossen“ einander gegenübergestellt werden. Leider konnte Händels Almira erst dieses Jahr realisiert werden (immerthin nun zum 300 jährigen Jubiläum). Zu einer Wiederaufnahme von Keisers Octavia kam es allerdings bedauerlicher Weise nicht.
Wie schon bei Giustino 2003 lag die musikalische Leitung in den Händen von Michael Hofstetter, die Inszenierung und Ausstattung stammte von Peer Boysen und Kirsten Blase übernahm die Titelpartie der Almira.

Almira-Rezension  Almira
  Foto: Jaqueline Krause-Burberg

(Almira-Rezension)
Vergrößerung in neuem Fenster  LES FLAMBOYANTS

Das bei der Almira mit in das Orchester integrierte Renaissance-Ensemble LES FLAMBOYANTS - dessen Präsenz sich dabei weitgehend auf die Wiedergabe der Händel'schen Musik auf Renaissance-Instrumenten beschränkte, dem Gesamtklang aber dadurch einen ganz charakteristischen, aparten und spanisch angehauchten Klang verlieh - konnte sich auch in einem eigenen KAMMERKONZERT präsentieren, was für die Händel-Festspiele in Karlsruhe in beiden Fällen ein Novum bedeutete. Noch nie zuvor kam hier „so alte“ Musik zur Aufführung. Allerdings gab es in diesem Fall thematische Bezüge, die Regisseur Peer Boysen auf diese Idee brachten. Immerhin spielt die Handlung von Almira, Königin von Kastilien Anfang des 16. Jahrhunderts in Valladolid, jenem Ort, in dem beispielsweise der Komponist Alexander Agricola gewirkt hat und 1506, also kurz vor der Handlung von Almira, gestorben ist. Außerdem erklangen in diesem KAMMERKONZERT neben Chansons aus der wichtigsten spanischen Renaissance-Handschrift "Cancionero de Palacio" (1474-1516) auch Werke von Hayne van Ghizeghem, Jean Japart, Josquin Desprez und Juan Urrede. Das Ensemble LES FLAMBOYANTS zeichnete damit musikalisch die starke politische Achse zwischen Flandern und Spanien nach, wie sie um 1500 tatsächlich existierte.
Mit ihrer Namensgebung bezieht sich das 1997 gegründete Ensemble „Les Flamboyants“ auf den verfeinerten spätgotischen Architekturstil des „flammenden" Maßwerks, der im 15. Jahrhundert von Frankreich ausging sowie auf den „flamboyanten Gestus“ hochbarocker Musik. Neben Stücken aus der ersten Blütezeit der Instrumentalmusik um 1500 widmet sich das Ensemble auch der französischen Instrumentalmusik um 1700.
In Karlsruhe musizierten LES FLAMBOYANTS in der Besetzung Els Janssens (Gesang), Ann Allen (Schalmei & Pommer), Silvia Tecardi (Fiedel), Jane Achtman (Fiedel), Irene Klein (Viola da gamba), Marc Lewan (Plektrumlaute & Vihuela), Giovanna Pessi (Harfe), Rogério Gonçalves (Dulzian & Perkussion) und Michael Form (Flöte und Leitung). Das interessante an diesem abwechslungsreichen und durch die farbenreichen Instrumente geprägten Programm war vor allem die thematisch geordnete Abfolge von (oft vokalem) „Original“ und instrumentaler Bearbeitung; eine außergewöhnliche Bereicherung des Programms der diesjährigen Händel-Festspiele !

Für Karlsruhe „ganz normale Kost“ erwartete das Publikum dann wieder im Konzert mit dem SWR Vokalensemble Stuttgart unter dem Dirigat von Marcus Creed (seit 2003 künstlerischer Leiter des Vokalensembles), in dem Händels groß dimensioniertes und vom Chor geprägte Dettinger Te Deum (HWV 283) im Mittelpunkt stand. Man hörte dem SWR Vokalensembles Stuttgart zwar an, dass es seinen Schwerpunkt nicht in der Musik des Barock hat, aber die geschlossene Leistung zeugte von qualitativ guter Chorarbeit.
Bei der deutlichen Chordominanz in diesem Werk konnten sich von den Solisten am ehesten noch Bernhard Berchtold (Tenor) und Christof Fischesser (Bass) profilieren, während Silvia Hablowetz (Alt) doch eher blass blieb. Die überzeugendste Leistung des Abends aber boten die Deutschen Händel-Solisten, die schon vor der Pause mit zwei Orchestersuiten - von Johann Sebastian Bach (Nr. 4 D-Dur BWV 1069) und Georg Philipp Telemann („La Musette“ g-Moll TWV 55:G1) – ihre große Musikalität und außerordentliche Spielfreude unter Beweis stellten. Im Dettinger Te Deum schließlich ließen sie, neben leisen und anrührenden Tönen, mit Pauken und Trompeten allen Glanz und Pomp erstrahlen, der den offiziellen Fest- und Dankgottesdienst zur Feier des englischen Sieges der Schlacht um Dettingen im Jahr 1743 bestimmte.

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 Händel: Dettinger Te Deum (HWV 283)
Internationale Händel-Akademie Karlsruhe
 Internationale Händel-Akademie Karlsruhe
 www.karlsruhe.de/Kultur/Haendel-Akademie/

Beim Symposium der 20. Internationalen Händel-Akademie Karlsruhe 2005 stand dieses Jahr Händels Oster-Oratorium La Resurrezione im Mittelpunkt der Betrachtungen. Seine Erstaufführung erlebte es am Ostersonntag des Jahres 1708 im römischen Palazzo Bonelli und war ein riesiger Erfolg. Der Auftraggeber war der Marchese Ruspoli, einer der reichsten Männer Italiens, der keine Kosten gescheut hatte, um der Aufführung den Glanz von Operndarbietungen zu verleihen, die in Rom vom Päpstlichen Stuhl – als unmoralisch eingestuft – verboten waren. Dem gerade einmal dreiundzwanzigjährigen Händel stand außer hervorragenden Sängerinnen und Sängern auch ein außergewöhnlich großes Orchester mit einem reichen Instrumentarium zur Verfügung, das von keinem Geringeren als Arcangelo Corelli geleitet wurde.

Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Siegfried Schmalzriedt (Karlsruhe) referierten und diskutierten wieder international renommierte Musik- und Theaterwissenschaftler über verschiedene Aspekte zu Händels Oratoriums La Ressurezione, das im Rahmen der Karlsruher Händel-Festspiele (2006 ? ) szenisch aufgeführt werden soll. Warum aber dann in diesem Jahr schon das Symposium? Jetzt hätte eigentlich eines zum thematischen Schwerpunkt „Hamburger Oper am Gänsemarkt“ stattfindet müssen !

Dr. Sabine Ehrmann-Herfort (Rom) gab in einer bestens vorbereiteten Präsentation (mit Bildern, Noten- und Klangbeispielen) eine anschauliche Einführung zu Werk und Aufführung unter dem Titel „La Resurrezione. Ein römischer Event zu Ostern 1708“. Dr Juliane Riepe (Halle/Saale) hatte in ihren „Bemerkungen zu Werk und Aufführung im Kontext der italienischen Oratorienpraxis“ so viel Informationen hineingepackt, dass man ihren schnell vorgetragenen Ausführungen kaum folgen konnte. Dr. Michael Zywietz (Tübingen) stellte „Händels Charakterisierungskunst in La Resurrezione“ unter anderem an Hand verschiedener Arientypen und der außerordentlich differenzierten und farbigen Instrumentierung vor. Prof. Dr. Dieter Gutknecht (Köln) beschrieb sehr ausführlich allgemeine Anweisungen und Regeln aus der Gesanglehre von Johann Friedrich Agricola/Pier Francesco Tosi (Anleitung zur Singkunst), sodass er zum eigentlichen Thema „Sängerische Virtuosität und Verzierungskunst in Händels La Resurrezione“ kaum noch Bezug nahm. Gerade hier wären komkrete Noten- und Klangbeispiele wünschenswert gewesen. Dr. Karin Zauft (Halle/Saale) gab unter dem Titel „Szenische Aufführungen von Händels Oratorien. Herausforderung an das moderne Theater“ einen kurzen Abriss von szenischen Aufführungen seit 1922 bis heute, der allerdings nur spärlich dokumentiert zu sein scheint. Auf jeden Fall bekam man bei diesem auf ein Werk konzentrierten Symposium einen geschärften Blick, bzw. ein gespitztes Ohr für ein außergewöhnliches Werk, dass man nach dieser Veranstaltung künftig mit noch größerer Aufmerksamkeit hören und goutieren wird.

Die Internationale Händel-Akademie Karlsruhe konnte seine Gesang- und Instrumentalkurse mit namhaften Dozenten aus der Alte Musik Szene nun schon zum 20. Mal durchführen, darunter auch wieder eine Orchester-Akademie, eine Opern-Werkstatt, zahlreiche Referate und die traditionellen Abschlußkonzerte.

Auf dem Programm der 28. Händel-Festspiele in Karlsruhe standen ferner das Preisträgerkonzert der Händel-Gesellschaft Karlsruhe mit den Finalisten des Händel-Jugendwettbewerbes, das traditionelle Festkonzert der Deutschen Händel-Solisten unter der Leitung von Andreas Spering und mit dem Solisten Anton Steck (Violine), ein weiteres Kammerkonzert der Deutschen Händelsolisten und ein – leider nur einmaliges - Gastspiel der Bayerischen Theaterakademie mit der Opernproduktion ALARICO IL BALTA, CIOÈ L´AUDACE, RE DE´GOTI, einem Dramma per musica in drei Akten von Agostino Steffani (1687).

Es bleibt zu hoffen, dass die Karlsruher Händel-Festspiele kein Opfer finanzieller Engpässe werden, sondern sich auch weiterhin engagiert für das Werk Georg Friedrich Händels einsetzen können. Trotz des inzwischen großen Verbreitungsgrades seiner Werke – auch an traditionellen Repertoirtheatern – ist das Oeuvre Händels groß genug, um es immer wieder neu zu beleuchten und zur Aufführung zu bringen.




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