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Schubertiade Hohenems
8. bis 11. Dezember 2005


Schubertiade Hohenems
(Homepage)

Vier Liederabende und ein Kammerkonzert

1. Liederabend: Peter Schreier, Tenor
und Helmut Deutsch, Klavier

2. Liederabend: Matthias Goerne, Bariton
und Eric Schneider, Klavier

Kammerkonzert: Artemis-Quartett

3. Liederabend: Michael Volle, Bariton
und Helmut Deutsch, Klavier

4. Liederabend: Matthias Goerne, Bariton
und Alexander Schmalcz, Klavier

Markus-Sittikus-Saal, Hohenems

Homepage Schubertiade Hohenems

"Auf Flügeln des Gesangs"

Von Bernd Stopka / Fotos: Schubertiade Hohenems

1976 gründete Hermann Prey die Schubertiade Hohenems, die sich schnell zu einem renommierten internationalen Festspiel entwickelte. Zunächst fanden jährlich Konzerte, vor allem Liederabende, in Hohenems statt, später gab es Veranstaltungen in verschiedenen Orten der reizvollen Umgebung des Österreichischen Vorarlbergs. In den letzten Jahren hatte sich das idyllische Schwarzenberg als Hauptstandort etabliert. Seit Herbst 2005 finden nach 15 Jahren Pause wieder Konzerte in Hohenems statt, zusätzlich zu den bisher gewohnten Terminen. Allerdings nicht mehr wie früher im Palast, sondern im Markus-Sittikus-Saal, der zu einem stimmungsvollen Konzertsaal umgestaltet wurde und mit warmer Farbgestaltung und glänzender Akustik den Rahmen für nach wie vor hochrangige musikalische Ereignisse bietet. Die Schubertiade hat nichts mit irgendeinem Festspielrummel zu tun. Man erscheint festlich, aber nicht aufgebrezelt. Es geht um die Musik - und da kennt man sich aus.


Almira-Rezension
Der Markus-Sittikus-Saal
in Hohenems (Innenansicht)
Vergrößerung in neuem Fenster Helmut Deutsch und Peter Schreier

Peter Schreier eröffnete mit seinem 75. Auftritt bei der Schubertiade die Dezember-Veranstaltungen in Hohenems. Dem Vernehmen nach war dies auch gleichzeitig sein letzter Liederabend, wurde aber nicht als "Abschiedsveranstaltung" benannt. Neun Lieder von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumanns Liederkreis op. 39 und "Deutsche Volkslieder" von Johannes Brahms standen auf dem Programm. Am Klavier saß Helmut Deutsch, der nicht nur der berühmte "zuverlässige Begleiter", sondern ein ebenbürtiger musikalischer Partner war. Er ließ in vielerlei Nuancen Bilder vor Augen entstehen, besonders eindrucksvoll im "Schilflied", herrlich tapsig im "Wie komm ich denn zur Tür herein?" und ganz einfach aber ausdrucksstark im "Herbstgefühl".

Peter Schreier gehört zweifellos zu den ganz Großen. Die Stimme ist klar und geradlinig, und es ist gerade und immer noch die ungeheure Leichtigkeit des flexiblen Tenors mit der er bezaubern kann. Die Mittellage klingt besonders im Mezzoforte wunderschön wie immer. "Leise zieht durch mein Gemüt" klang sanft und zart wie eh und je - wie auf den berühmten, auch an diesem Abend besungenen "Flügeln den Gesangs" gesungen.

Schreier singt hochkonzentriert, ohne dabei angespannt zu klingen. Im Liederkreis op. 39 stieß er lediglich in der "Mondnacht" an gewisse Grenzen, begeisterte aber ansonsten mit vielerlei Ausdrucksvarianten - auch mal ein bisschen verrucht ("Schöne Fremde") - und konnte mit der voller Elan und Energie gesungenen "Frühlingsnacht" mitreißen.

Die Auswahl aus "Deutsche Volkslieder" von Johannes Brahms ging Schreier nicht weniger konzentriert, aber doch gelassener an. Diese Lieder liegen angenehmer, haben keine extremen Höhen und Tiefen. Auch hier begeisterte die ungeheure Leichtigkeit. Vergnüglich und mit Ironie brachte er die Zuhörer mit den Varianten von "la la la la" im "Feinsliebchen" zum Lächeln, rührte mich dem traurigen Ton des "Schwesterlein" und erwirkte auch ein unbeabsichtigtes Grinsen mit "Juche!" - da denken Loriot-Fans unweigerlich an Mutter Winkelmann in "Ödipussi" - "Wie ist doch die Erde so schön so schön".

Anstatt wie im Programm abgedruckt mit "Herbstgefühl" zu enden, dessen "bald stirbt sie auch" durch Mark und Bein ging, ließen Schreier und Deutsch das offizielle Programm hoffnungsvoller mit "Sehnsucht" ausklingen. Es ist schon beeindruckend wie gesund man eine Stimme erhalten kann, wenn man verantwortungsvoll mit ihr umgeht. Und es ist wird einmal wieder deutlich, wie Lebens- und Gesangserfahrung die Ausdruckskraft bereichert.

Köstlich onkelhaft erzählt, so wie man es keinem 30jährigen abnehmen würde, mit abschließendem, verschmitztem Grinsen, sang Schreier die "Forelle" als erste Zugabe. Das "Ständchen" ("Leise flehen meine Lieder") und "Der Musensohn" folgten und dann - mit wissendem Lächeln angekündigt - "Abschied". Mit Standing Ovations feierte das Publikum einen seiner Schubertiade-Lieblinge. Angemessen und verdient.


Am 90. Geburtstages von Elisabeth Schwarzkopf, in ihrer Anwesenheit und nach Ihrer Programmgestaltung sang Matthias Goerne von Eric Schneider begleitet am Freitagabend Lieder von Hugo Wolf. Für Hugo Wolf haben sich Elisabeth Schwarzkopf und ihr Ehemann Walter Legge immer intensiv eingesetzt. Ein denkwürdiger Liederabend im 50. Todesjahr des Komponisten (zufällig auch dem Jahr der Eheschließung von Elisabeth Schwarzkopf und Walter Legge), den Wilhelm Furtwängler begleitete, bewirkte 1953 in Salzburg eine Hugo-Wolf-Wiederentdeckung. So verwundert es nicht, dass sie sich zum 90. Geburtstag ein Hugo-Wolf-Programm gewünscht hat.

Mit herzlichem Applaus und einer Standing Ovation wurde die Jubilarin begrüßt, deren leise Bemerkungen man über ein offenbar falsch geschaltetes Mikrofon im ganzen Saal hören konnte. Aber die Grande Dame der Gesangskultur hielt sich mit ihren gefürchteten Anmerkungen während des Abends stark zurück, nahm in der Pause und nach dem Konzert die Gratulationen der Bewunderer und einen wundervollen Strauss roter Rosen von ihrem Schüler Matthias Goerne entgegen. Sie konnte es aber doch nicht lassen sich später von den noch lange gebliebenen Verehrern mit den Worten zu verabschieden: "Die Menschen sind furchtbar dumm. Sie gehen in große Konzerte, sind aber trotzdem furchtbar dumm. Ich kann das nicht verstehen. Gute Nacht!"

Vergrößerung in neuem Fenster Matthias Goerne überreicht Elisabeth
Schwarzkopf nach dem Liederabend
einen Rosenstrauß zum 90. Geburtstag
Vergrößerung in neuem Fenster Eric Schneider und Matthias Goerne

Es ist schwer den hohen Anforderung von Elisabeth Schwarzkopf gerecht zu werden. Doch es wurde sogleich hörbar, warum Matthias Goerne sich dieser Herausforderung gestellt hat: Er kann es. Sein üppig strömender Bariton ist in der Höhe sicher und hat ein rundes Bassfundament - und man hat den Eindruck er man hat den Eindruck er habe noch viel, viel Luft. Da hört man keine Anstrengung, da hört man keine Grenzen, aber da hört man vorbildliche Stimmführung, Phrasierung und Intonation. Die Stimme klingt nicht immer klar, aber immer satt und voll. Auf Äußerlichkeiten legt der Sänger keinen Wert. Im schlecht sitzenden Anzug ohne Krawatte, kommt er in Mimik und Gestik gelegentlich in die Nähe des modernen Ausdruckstanzes. Aber das Klang und Ausdruck gewordene Ergebnis überzeugt.

Es war ein ernstes, oft düsteres Programm, sehr pathetisch und sehr dramatisch. Auch "ein süßes Schrecken" im Lied "Neue Liebe" wurde ganz furchtbar schrecklich - aber schön gesungen. "Wohl denk ich oft an mein vergangnes Leben" machte anlässlich das Anlasses nachdenklich und unmissverständlich kämpferisch endete das Programm mit "Morgenstimmung": "Herr lass uns kämpfen, lass und siegen!" Als Partner am Klavier, auch hier wäre "Begleiter" einfach zu wenig, betonte Eric Schneider gern die dramatischen Momente mit zuweilen gewaltigen Tönen, so dass man gelegentlich auch schon mal eine Saite nachklirren hörte.

Auch in den Zugaben, Wolfs "Anakreons Grab" und Beethovens "An die Hoffnung", behielt er den ernsten Ton bei. Humorvoll war dabei aber die lautsprecherverstärkte Frage der Jubilarin "Und was hören wir jetzt?" auf die der Sänger brav antwortete. Ein großer, ein bewegender Abend!


Als kammermusikalische Bereicherung konnte das Artemis Quartett am Sonnabendnachmittag begeistern. Die Streichquartette Es-Dur, KV 171 und B-Dur, KV589 von Mozart und das Streichquartett a-Moll, D 804, "Rosamunde", standen auf dem Programm.

Almira-Rezension Artemis Quartett
(Natalia Prischepenko, Violine; Heime Müller Violine; Eckart Runge, Violoncello; Volker Jacobsen; Viola)
Vergrößerung in neuem Fenster Helmut Deutsch und Michael Volle

An Stelle des erkrankten Olaf Bär konnte nur wenige Tage vor dem Termin Michael Volle für einen Liederabend am Sonnabendabend gewonnen werden. Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine, sowie eine Liederauswahl aus "Myrten" von Robert Schumann und fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Schiller von Franz Schubert standen auf dem Programm.

Michael Volles schlanker dabei kraftvoller und kerniger Bariton ließ Schuberts Vertonung des "Tauchers" mit seinen rezitativischen und ariosen Passagen fast zu einer kleinen Opernszene werden, in der Helmut Deutsch besonders eindrucksvoll die wirbelnden Wasserfluten in Klang umsetzte. Markant erklang Schumanns "Tragödie I", mächtig gewaltig sein "Gottes ist der Orient" mit dem beschließenden "Amen" zum Abschluss des Programms. Singe und schließe mit Amen!

Ein Liederabend, der als Einspringen kurzfristig angesetzt wird, klingt sicher nicht ganz so rund wie ein lange geplanter. Der Ausdruck hätte dann noch intensiviert und ein paar Feinheiten mehr hätten ausgearbeitet werden können.

Den krönenden Abschluss bildete am späten Sonntagnachmittag Matthias Goernes zweiter Liederabend, diesmal von Alexander Schmalcz begleitet.
Schumanns "Dichterliebe" gehört sicher zu den meistgehörten und meistgeliebten Liederzyklen. Doch so hat man diesen Zyklus wohl noch nie gehört. Goerne und Schmalcz gestalten ein düsteres Psychogramm eines nicht nur unglücklich Liebenden, sondern eines geradezu paralysierten Liebesgeschädigten. Ohne Versöhnung, ohne heitere Melancholie. Nein, diesem Mann wurde das Herz gebrochen. Wie er vergeblich versucht sich in innerer Zerrissenheit selbst vom "Ich grolle nicht" zu überzeugen, wie ihn das "Flöten und Geigen" quält, wie logisch die Folge des "zerrissen mir das Herz" erscheint - das ergreift, das geht ins Eingemachte, ohne Aufatmen, in ungeheurer Spannung. Nur kurze metrische Pausen zwischen den einzelnen Liedern lassen dem Zuhörer den Atem stocken (dem Sänger glücklicherweise nicht). So entsteht eine ganz besondere Atmosphäre, ein musikalisch-emotionaler Sog. Goerne erreicht mit der Kunst des Liedgesangs den tiefsten Eindruck beim Hörer, ohne dass er sich selbst mit eigener Ergriffenheit zur Schau stellt. Das ist Liedgesangskunst vom Allerfeinsten, das ist hohe Interpretationskunst - auch wenn die Eigenwilligkeit - besonders des "Ein Jüngling liebt ein Mädchen" - nicht jedermanns Geschmack trifft.

Diese Interpretation könnte einen unglücklich verliebten Zuhörer zur Verzweiflung bringen und rückt die "Dichterliebe" in dieser bedrückenden Stimmung nahe an Schuberts "Winterreise". Herzschmerzverursachend schön, geradezu applausverbietend bewegend, so dass das Publikum eine ganze Weile brauchte um wieder in die Welt und in den Applaus zu kommen.

Mit pathetischer Eindringlichkeit gestalteten Goerne und Schmalcz in zarten Tönen mit wenigen, aber dann gewaltigen Ausbrüchen die Vier Lieder, op. 2 von Alban Berg, bevor Goerne sich auf Neuland wagte und, es sei vorweg gesagt, restlos überzeugte.

Wagners hat die - an die Musik des "Tristan" angelehnten - "Fünf Lieder nach Gedichten von Mathilde Wesendonck" eindeutig für eine Frauenstimme komponiert. In Goernes Interpretation bekommen sie ein anderes Kleid, es klingt als ob Kurwenal singt. Und das hat nicht nur einen besonderen Reiz, das funktioniert nicht nur, das hat auch Überzeugungskraft. Ja, so können die Wesendonck-Lieder auch klingen. In dieser Musik in dieser Stimme von Matthias Goerne mit dieser feinfühligen, tastenstreichelnden, unaufdringlichen, aber immer präsenten Klavierbegleitung von Alexander Schmalcz möchte man baden - oder gleich "ertrinken, versinken". Die beiden sind so glänzend aufeinander eingestellt, dass es ein Atem, ein Denken, ein Fühlen zu sein scheint. Höchster, tief (er)greifender Genuß!



FAZIT

Ein echtes, ein besonderes, ein großes Erlebnis.




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Da capo al Fine

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