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Händel-Festspiele in Halle 2004
3. bis 13. Juni 2004

Händel und die deutsche Tradition

Die Opern

Von Gerhard Menzel

Die Neuinszenierung von Händels musikalischem Drama Hercules (HWV 60), das eigentlich - wie Semele, die schon 1995 als szenische Produktion mit Erfolg aufgeführt wurde - den Oratorien zugeordnet ist, war als Koproduktion der Händel-Festspiele und des Opernhauses Halle das 63. Werk Händels, das am Opernhaus Halle herauskam.

Am Pult stand erneut Alessandro De Marchi, der schon in den letzten beiden Jahren Händels Oper Deidamia betreute. Auch im Hercules regte er das Händelfestspielorchester des Opermhauses Halle zu beschwingtem und differenzierten Spiel an. Die Titelpartie des Hercules war mit Curtis Streetman leider nicht adäquat besetzt, schon gar nicht, wenn man die auf Arnold Schwarzenegger projizierte Inszenierung (und das Bühnenbild) a la Hollywood-Film von Fred Berndt (Kostüme: Barbara Krott) hinzunimmt. Weder stimmlich noch darstellerisch konnte Curtis Streetman (auch wenn er sich als sterbender Held gehörig steigerte) wirklich überzeugen. Seine Schwarzenegger-Parodie wirkte bisweilen unbeholfen und regelrecht lächerlich (z. B. im "Fitnessstudio").

Der eigentliche Star der Aufführung war Ann Hallenberg als Dejanira, die Gemahlin des Hercules. Stimmlich überwältigend und mit einer enormen Ausstrahlung zog sie alles Aufsehen auf sich und gab der Produktion damit wirklichen Festspielglanz. Ihr (fast) ebenbürtig, gestaltete die treue Hallenserin Martina Rüping ihre Rivalin Iole (Prinzessin von Oechalia). Auch Carlo Vincenzo Allemano (Hyllus, Hercules' Sohn) und Franco Fagioli (Lichas, ein Herold, vertrauter Diener von Dejanira) ließen aufhorchen und bildeten damit ein gutes, wenn auch "heldenloses" Ensemble. Der Chor des Opernhauses Halle (Einstudierung: Jens Petereit) machte seine Arbeit als (meist) statuarische Masse recht ordentlich.

Das eigentlich recht interessante Regiekonzept von Fred Berndt - das einen filmischen Bogen um das mit Videosequenzen aus Arnold Schwarzenegger-Filmen angereicherte Stück legte (Videodesign: Uli Sigg) - zerbröselte zwischendurch und gab der Musik dadurch größeren Raum. Die stärksten Momente waren dort, wo sich Berndt nur auf die Personen konzentrierte. Die Szenen mit Ann Hallenberg und Martina Rüping waren daher das Spannendste und emotional Bewegenste, was diese Aufführung zu bieten hatte.

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Hercules  
Ann Hallenberg als Dejanira  
Foto: Gert Kiermeyer  


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Hercules  
Martina Rüping (Iole) und Ann Hallenberg (Dejanira)  
Foto: Gert Kiermeyer  
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Imeneo  
Martina Rüping (Iole), Alexandra Coku (Rosmene)  
und Gregory Reinhart (Argenio).  
Foto: Gert Kiermeyer  

Als Wideraufnahme aus dem vorigen Jahr stand - allerdings mit nur einer Vorstellung - Händels Oper Imeneo (HWV 41) erneut auf dem Programm der Festspiele. Für diese Aufführung hatte Lucia Sciannimanico die Partie des unglücklichen Liebhabers Tirinto von Ulrike Schneider übernommen. Leider fehlte es Lucia Sciannimanico etwas an stimmlicher Substanz und Durchschlagskraft, was sich nicht nur in der "Sturmarie" ("Sorge nell'alma mia") im 2. Akt bemerkbar machte. Gegen den Don Giovanni-Verschnitt des Imeneo von Otto Katzameier hatte sie jedenfalls bei der zwischen Treue und Liebe wankenden Rosmene von Alexandra Coku keinerlei Chance. Neben der exzellenten Alexandra Coku konnte sich auch wieder Martina Rüping als ungeliebte Liebende Clomiri eindrucksvoll behaupten. Etwas grobschlächtig setzte Gregory Reinharts wieder seinen mächtigen Bass ein, was allerdings der Rollengestaltung vollkommen entspricht.

Dirigent Uwe Grodd gelang es dieses Jahr weitaus besser, dem Händelfestspielorchester ein klangfarblich größeres Spektrum zu entlocken. Von dem eher hölzernen Klang des letzten Jahres war glücklicher Weise so gut wie nichts mehr zu hören.

Die bildreiche Inszenierung und die wirkungsvolle Personenführung von Michael McCaffery (in der Ausstattung von Frank Philipp Schlößmann) hatte nichts an Frische und Dynamik verloren. Im Gegensatz zum neuen Hercules war dieser Imeneo ein regelrechter Glücksfall.

Eine weitere, sehens- und hörenswerte Produktion des Opernhauses Halle kam im Hof der Moritzburg zur Aufführung (glücklicherweise machte das Wetter keinen Strich durch die Rechnung). Das unter dem Titel Spettacolo Barocco aufgeführte Werk - das bereits im letzten Jahr seine deutsche Erstaufführung erlebt hatte - ist eine Bearbeitung der Oper Angelica vincitrice di Alcina mit der Musik von Johann Joseph Fux. Das Libretto von Pietro Pariati, dem einige Episoden aus Ludovico Ariosts Orlando furioso zu Grunde liegen, wurde von Peter Vujica bearbeitet, um die Hälfte gekürzt und ins deutsche übersetzt. Das daraus entstandene ca. 90 Minuten dauernde, ohne Pause aufgeführte Stück, das den Sieg der guten Prinzessin Angelica über die böse Zauberin Alcina zeigt, erwies sich als gelungene und trotzdem künstlerisch anspruchsvolle Unterhaltung.

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Die Inszenierung von Axel Köhler erzählt die Geschichte stringent und verständlich, ist bunt (Bühne: Heinz Balthes, Kostüme: José-Manuel Vazquez), hat ordentlichen Schwung und strotz nur so vor phantasievollen Einfällen.

Romelia Lichtenstein ist eine stimmlich und darstellerisch überwältigende Zauberin Alcina, die ihre ganze Kraft und Gewalt ausreizt, bis sie schließlich von der Liebe und Güte gebrochen wird. Da hatte es ihre Gegenspielerin Anke Herrmann als Angelica nicht gerade leicht, sich gegen sie zu behaupten, doch gemeinsam mit Lorena Espina (Bradamante), Annette Reinhold (Medoro), Christian Zenker (Ruggiero) und Daniel Blumenschein (Atalante) gelang letztendlich der Sieg des "Guten" über das "Böse".

Unter der musikalischen Leitung von Steffen Leißner bot das Opernhauses Halle ein riesiges Ensemble auf: zwei großbesetzte Orchester, den Chor und den Extrachor, zahlreiche Statisten und das Ballett Rossa, das vor allem an den Aktschlüssen seine großen und effektvollen Auftritte hatte. Den krönenden Abschluss bildete schließlich ein großes Feuerwerk zu den Klängen von Händels Feuerwerksmusik.

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Spettacolo Barocco  
Romelia Lichtenstein (Alcina).  
Fotos: Gert Kiermeyer  
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Spuk im Händelhaus  
Jordi Molina (Christopher Brown)  
und Anke Berndt (Alcina).  
Foto: Gert Kiermeyer  

Neben diesem großen Barockspektakel unter freiem Himmel präsentierte das Opernhaus Halle zum Thema "Alcina" auch eine "Oper intim" im Foyer II des Opernhauses. Hinter dem Titel Spuk im Händelhaus verbarg sich eine "Zauberoper" - nach Händels Oper Alcina - von Eberhard Streul, die einen "aktuellen" Kriminalfall behandelt.

Die für große und kleine "Kinder" gleichermaßen geeignete Inszenierung von Marco Misgaiski zeigt in kurzweiliger Abfolge das Verschwinden von Christopher Brown (Jordi Molina), der sich zusammen mit seiner Verlobten Andrea (AntjeGebhardt) bei einem Museumsbesuch vom Bild der Alcina verzaubern lässt. Alcina (Anke Berndt), ganz und gar lebendig, bemächtigt sich des ihr verfallenen Jünglings und entführt ihn in ihre "Bilderwelt". Nur unter der Aufbietung der letzten Kräfte gelingt es Andrea, ihn zusammen mit dem Museumsdirektor (Ki-Hyum Park) und dem sehr vertrottelten Bobby (Olaf Schöder) aus dem Zauberbann Alcinas zu befreien und diese endgültig außer Gefecht zu setzen.

Die einfache, aber geschickt gewählte Ausstattung von Petra Ziegenhorn fasst diese phantastische Geschichte in zeitnahe und barocke Bilder, die diese Zeitreise zu einem spannenden Erlebnis machen.

Das auf eine Blockflöte, ein Violoncello und ein Cembalo reduzierte "Orchester" begleitet diesen Alcina-Krimi mit kurzen Ausschnitten aus Händels Oper. Eine prima Geschichte!

Auch im Historischen Goethe-Theater Bad Lauchstädt gab es in diesem Jahr wieder Opernaufführungen in Verbindung mit den Händel-Festspielen in Halle.

Als Wiederaufnahme aus dem letzten Jahr stand die sensationellen Teseo-Produktion erneut auf dem Spielplan, die sowohl szenisch (Inszenierung: Axel Köhler, Bühne und Kostüme: Stefan Dietrich), als auch musikalisch (Dirigent: Händelpreisträger Wolfgang Katschner mit seinem Ensemble Lautten Compagney Berlin) höchsten Ansprüchen gerecht wurde. Das phantastisch singende und spielende Solistenensemble bildeten Jörg Waschinski (Teset/Sopran), Maria Ricarda Wesseling (Medea/Mezzosopran), Sharon Rostorf-Zamir (Agilea/Sopran), Jonny Maldonado (Egeo/Altus), Miriam Meyer (Clizia/Sopran) und Thomas Diestler (Arcane/Altus).

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Teseo  
Maria Ricarda Wesseling als Medea.  
Foto: Gert Kiermeyer  
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Capriole d'Amore  
Alexander Schneider (Sandro), Susanna Ellen Kirchesch (Sanna)  
und Cassandra Hoffmann (Sandra)  
Foto: Jens Schlüter  

Eine Neuproduktion war das Opern-Pasticcio Capriole d'Amore von Waltraud Lewin, das aus einer Abfolge von Arien, Duetten und Terzetten der Komponisten Giovanni Bononcini, Agostino Steffani, und Georg Friedrich Händel bestand. Die Geschichte handelt von einem jungen Mann (Sandro: Alexander Schneider, Altus), der zwischen zwei konkurrierende Frauen gerät (Sanna: Susanna Ellen Kirchesch und Sandra: Cassandra Hoffmann, Soprani) und sich nicht für eine entscheiden kann. Sein (stummer) Freund (Nico: Niklas Lewin) bringt dazu immer wieder alles in Unordnung.

Sowohl die Solisten, als auch das sechsköpfige Instrumentalensemble (I Confidenti - Junges Opernensemble für alte Musik) präsentierten allerdings nur eine Aneinanderreihung von musikalisch halbgebackenen Schmankerln, ohne eine wirkliche, sich (durch Rezitative) entwickelnde Handlung. Dieses sehr einseitig zubereitete Pasticcio, wurde auch durch die nette und farbenfrohe Ausstattung (Christine Jaschinsky) nicht wesentlich bekömmlicher.

Einen etwas faden Geschmack hinterließ auch das Gastspiel der Prager Kammer-Oper mit seiner Produktion (in Zusammenarbeit mit Alber Concert Theater München und des Stadttheaters Ústi nad Labem) von Händels Serse im Goethe-Theater Bad Lauchstädt. Vor allem das Orchester unter der Leitung von Norbert Baxa erforderte ein gehöriges Maß an Nachsicht. Auch das gesamte Solistenensemble schien nicht übermäßig vertraut im Umgang mit derart barocker Musik. Die Ausstattung (Kostüme: Bettina Kirste, Bühnenbild: Jan Zavarský) war dagegen sehr ansprechend und auch die Inszenierung von Martin Otava konzentrierte sich ganz auf die das Stück charakterisierende Balance zwischen Ernst und Komik.

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Serse  
Foto: Alber Concert Theater München  
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Lotario  
Foto: Jens Schlüter  

Dass eine Händeloper auch spannend und mitreißend sein kann, konnte man hautnah bei der konzertanten (!) Aufführung von Lotario in der Konzerthalle Ulrichskirche erleben. Diese auf dem europäischen Festland noch nie aufgeführte Oper - eine Woche zuvor gab es bei den Göttinger Händel-Festspielen lediglich, bzw. immerhin einen großen Querschnitt zu hören - wurde hier, der Hallischen Händel-Ausgabe folgend (HWV 26), als Welterstaufführung (seit 1729) präsentiert.

Warum Tom Wolter als völlig überflüssiger "Erzähler" vor den einzelnen Akten noch seine nervenden Kommentare zur Handlung der Oper dem Publikum kundtun musste, die allenfalls in den vordersten Reihen überhaupt verstaden wurden, bleibt ein Rätsel.

Die musikalische Aufführung jedenfalls ließ kaum Wünsche offen. Manchmal wäre ein synchroneres Zusammenspiel des Kammerorchesters Basel barock wünschenswert gewesen, das aber generell unter der Leitung von Paul Goodwin erstaunlich lebendig und differenziert musizierte. Der Star des Abends war zweifellos Lawrence Zazzo in der Titelpartie des Lotario (König Otto I. von Deutschland). Stimmlich wie darstellerisch (!) immer präsent, verkörperte er in faszinierender Weise den energiegeladenen Siegertyp. Dass er alles tun würde, um seine angebetete Adelaide (Königin von Italien) zu bekommen, konnte man bei Nuria Rial - eine reine Augen- und Ohrenweide - mit ihrer jugendlich frischen, wendigen und ausdrucksstarken Stimme durchaus nachvollziehen. Zudem behielten sich beide ständig im Blickkontakt, sodass ihre intensive Beziehung dadurch noch nachdrücklicher unterstrichen wurde.

Eine engagierte und ernsthafte Gegenspielerin gestaltete Annette Markert als Matilda, der Gattin des Fürsten von Spoleto (Berengario). Andreas Karasiak verlieh dieser Figur eher etwas lyrisch distanziertes. Romeo Cornelius als deren Sohn Idelberto wurde vom Publikum unterschiedlich goutiert. Seine seltsam vibrierende Altstimme ist eben Geschmackssache. Huub Claessens als Heerführer und Handlanger Berengarios (Clodomiro) gab sich engagiert und arbeitete sich mit seiner kräftigen Bassstimme tapfer durch die Koloraturen.
Insgesamt aber waren diese viereinhalb Stunden von Spannung und Dramatik geprägt; ein wirklich außergewöhnliches Erlebnis!


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