Regelrecht enttäuschend wirkte dagegen die Aufführung von Händels Oratorium
Judas Maccabaeus (HWV 63) durch den Kölner Kammerchor und das
Collegium Cartusianum unter der Leitung von Peter Neumann, vor allem deshalb, weil gerade diese Ausführenden im Jahr 2001 an gleicher Stelle einen ganz ausgezeichneten Saul präsentierten. Dieses Mal schien es, als sei es Peter Neumann vor allem darum gegangen, das Stück so korrekt als möglich und ohne größere Zwischenfälle gut über die Bühne zu bekommen, so, als hätte die nötige Probenzeit gefehlt um zu einer wirklichen musikalischen Interpretation zu gelangen. Auch die Solisten Olga Pasichnyk (Israelitish Woman, Sopran), Klaus Mertens (Simon, Bass) und die für Ann Hallenberg, bzw. Franziska Gottwald kurzfristig eingesprungene Alison Wrowner (Israelitish Man, Alt), wirkten blass und nahezu vom Inhalt des Stückes unbeteiligt. Einzig Iain Paton in der Titelpartie (Judas Maccabaeus, Tenor) gestaltete seine Partie einfühlsam und mit wirklicher Hingabe.
Wirklich festspielwürdig war dagegen die Aufführung des Oratoriums Deborah (HWV 51) in der St. Jacobi-Kirche. Das Zustandekommen dieser vorbildhaften Kooperation mit den Händel-Festspielen in Halle stand bis zuletzt auf der Kippe, konnte aber zum Glück für alle Beteiligten und das Publikum letztendlich doch wie geplant stattfinden. Für die Aufführung des Oratoriums Deborah vereinigten sich die Landesjugendchöre aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, die aus besonders talentierten jungen Musiker bestehen. Es ist wohl vor allem das große Verdienst von Prof. Wolfgang Kupke, dem künstlerischen Leiter des Landesjugendchores Sachsen-Anhalt, aus diesen beiden Chören eine so harmonische und in allen Stimmen verschmelzende Einheit gemacht zu haben. Der herrliche, jugendlich frische Klang der Chorsätze verband sich auch hervorragend mit dem farbenreichen, differenziert und engagiert musizierenden Spiel des Ensembles Musica Alta Ripa (Hannover) unter der sehr einfühlsamen und konzentrierten Leitung von Jörg Straube.
Für Maya Boog übernahm kurzfristig Heidrun Kordes die Titelpartie der Deborah.
Wieder einmal demonstrierte Heidrun Kordes, dass sie eine der führenden Sopranistinnen ihres Faches ist. Mit ihrer herrlich leuchtenden Stimme transportierte sie aber nicht nur den Text äußerst verständlich, sondern gestaltete diesen auch inhaltlich mit allen Facetten, die dieser aufzuweisen hatte.
Ihr durchaus ebenbürtig interpretierte Peter Kennel (Alt) die Partie des Barak sehr präsent und ausdrucksstark.
Das Excellente Sängerensemble komplettierten Kerstin Bruns mit ihrem warmen und sehr angenehmen Sopran (Jael), Franz Vitzthum mit leichter Altstimme (Sisera) und der mit mächtigem Bass aufwartende Gotthold Schwarz (Abinoam).
Es wäre wirklich schön, wenn - trotz der sicherlich gewaltigen organisatorischen und finanziellen Aufwände - solche gemeinsamen Produktionen - der sowohl geographisch als auch zeitlich benachbarten Festspiele in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt - zu einem festen Bestandteil der beiden Händel-Festspiele werden würden!
Ein sehr gelungener Festspielbeitrag kam auch aus Sachsen. Der Körnerscher Sing-Verein Dresden und das Dresdner Instrumental-Concert, das nicht nur durch seinen feinen, silbrigen Streicherklang gefiel, musizierten in der St. Johannis-Kirche unter der Leitung von Peter Kopp die Cäcilienoden von Händel und John Blow. Zu dem sehr harmonischen Gesamteindruck trugen auch die vorzüglichen Solisten Sabina von Walther (Sopran), Michael Chance (Alt), Thomas Cooley (Tenor) und Jochen Kupfer (Bass) bei.
Beide Cäcilienoden gehören in die englische Tradition der Cäcilienfeste, die seit 1683 jährlich am 22. November, dem Festtag der heiligen Cäcilie, mit der Aufführung eines Anthems und einer Ode begangen wurden. Die direkte Gegenüberstellung von Händels berühmtem Werk mit dem weniger bekannten, aber sehr reizvollen Opus von Blow in einem Konzert, erwies sich als sehr interessant. Typisch für dessen Ode for St. Cecilia's Day (1691) ist zum Beispiel, dass der Chor oft die letzten Zeilen eines Satzes, der ansonsten von einer Solostimme gestaltet wird, wiederholt und somit zu einer Steigerung führt. Gerade diese klangvollen, harmonisch differenzierten Chorsätzen - vor allem imposanten Schlußsatz - erinnern deutlich an die entsprechenden Kompositionen, die Henry Purcell später hervorbrachte.
Ganz apart wirkte auch der Satz "Hark, how the charming flutes conclude the peace", der von zwei Blockflöten und der Altstimme dominiert wurde.
Händel vertonte in seiner Ode for St. Cecilia's Day (HWV 76) einen Text des Dichters John Dryden, in dem die Wirkung von Musik und einzelnen Instrumenten in überaus eleganten Strophen dargestellt werden. Dabei zeichnete er die Schöpfungsgeschichte und den Lauf der Welt bis zum Jüngsten Gericht nach. Zu den zart und innig vorgetragenen Worten des Soprans "But oh, what art can teach, / What human voice can reach / The sacred organ's praise?" erklingt dann auch die Orgel, als das der Cecilia zugehörige Instrument, solistisch und an exponierten Stellen.
Ein ebenfalls der Heiligen Cecilia gewidmetes Werk, das im Rahmen der diesjährigen Festspiele zur Aufführung kam, war Händels Ode in Honour of St Cecilia Alexander's Feast or the Power of Musick, dessen Titelzusatz auch als Festspielmotto gewählt wurde. Die Ausführenden waren Annette Labusch (Sopran), Gerd Türk (Tenor), Raimund Nolte (Bass), der Kammerchor St. Jacobi und das Göttinger Barockorchester unter der Leitung von Stefan Kordes.
Eine weitere interessante Gegenüberstellung eines bekannten Werkes von Händel mit einem unbekannten eines etwas älteren Zeitgenossen konnte man im Chorkonzert in der St. Jacobi-Kirche erleben. Händel hatte sein Dixit Dominus (HWV 232) bereits 1707 in Rom vertont, während der an San Marco in Venedig angestellte Antonio Lotti seine Komposition des Psalmtextes bei seinem zweijärigen Aufenthalt in Dresden zwischen 1717 und 1719 in der alten Dresdner Hofkirche erstmals vorstellte. In diesem Zusammenhang brachte er auch Johann Kuhnaus Magnificat erstmals zur Aufführung, das in diesem Konzert von den beiden Dixit Dominus-Vertonungen eingerahmt wurde, wobei Lottis Werk vor allem durch die große Vielfalt der Besetzungen und der Satztechniken überzeugte.
Johann Kuhnaus Magnificat ist im übrigen eines der wenigen von ihm erhaltenen Kompositionen mit lateinischem Text. Mit seiner großen Besetzung mit fünf Gesangssolisten, drei Trompeten, Pauken, zwei Oboen, fünfstimmigem Streichersatz und Orgel scheint es das unmittelbare Vorgängerwerk von Bachs berühmten Magnificat gewesen zu sein.
Unter der energischen Leitung von Matthias Jung, der einige zum Teil sehr hastig wirkende Tempi wählte, hinterließ das Sächsisches Vocalensemble, dank seines schlanken Klanges und seiner jugendlichen Frische, einen ganz hervorragenden Eindruck. Auch Händels "Conquassabit" ertönte sehr pointiert und präzise.
Die Batzdorfer Hofkapelle musizierte so zupackend, dass selbst bei innigeren Passagen die Violinen doch recht hart klangen, während die Bläser wesentlich weicher und anpassungsfähiger intonierten.
Die fünf Gesangssolisten wurden angeführt durch Barbara Tislers hell strahlenden Sopran, der sich in Händels "De torrente" mit dem etwas dunkler timbrierten, aber in der Höhe trotzdem leuchtenden Sopran von Barbara Christina Steude zu einer in himmlischen Sphären schwebenden Einheit verschmolz. Patrick van Goethem
gefiel durch seine istrumental geführte und in Lottis "Tecum principium" mit der Oboe konzertierende und harmonierende Altstimme ebenso, wie Sebastian Bluths hoher und sehr wendiger Bass. Der für Martin Petzold eingesprungene Tenor Markus Brutscher faszinierte durch seine tragfähige, sehr fein timbrierte Stimme und seine technische und stilistische Versiertheit.