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Musikfestspiele
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Freitag, 09. Mai 2003 bis Sonntag, 11. Mai 2003, Witten
Saalbau Witten, Haus Witten, Rudolf Steiner Schule

Wittener Tage für neue Kammermusik





Von Maik Hester

Vom 09. bis 11. Mai 2003 traf sich zum 35. Mal die internationale Szene zu den Wittener Tagen für neue Kammermusik, die der WDR unter Leitung von Harry Vogt gemeinsam mit dem Kulturforum Witten und Unterstützung des Landes NRW durchführt. Das bewährte Konzept einer Mischung aus Konzerten, Performances und Klanginstallationen wurde dieses Mal um eine vierte Performance erweitert. Besonders gelungen war die multimediale Installation des Amerikaners Dan Senn, bei der Auszüge aus Abraham Lincolns zweiter Regierungsansprache über die Waves of Grain mit Videoaufnahmen eines Maisfelds und einer raffinierten Klanginstallation kombiniert wurden. Unter den Performances beeindruckte hauptsächlich die erste mit dem Schweizer Walter Fähndrich, der seiner Viola Obertöne entlockte, deren Klang immer mehr wie fremdsprachiges Stimmengewirr wirkte, mit dem er in der dritten Phase der Performance durch eigene Stimmakrobatik in den Dialog trat.

Insbesondere die Konzerte waren von starken konzeptionellen wie inhaltlichen Anleihen an die Programme der Vorjahre geprägt, der Anteil der Komponistinnen wie Interpretinnen auch in diesem Jahr gering. Die Schwerpunkte lagen wieder bei Stimme (mit den Neuen Vokalsolisten Stuttgart und Salome Kammer), Streichinstrumenten (zwar ohne das Arditti-Quartett, aber mit zahlreichen Violin- und Viola-Soli, Cello-Trio, etc.), Live-Elektronik und instrumentalem Ensemble (diesmal mit Klangforum Wien und Ensemble Recherche). Ein Länderschwerpunkt ließ sich diesmal nicht ausmachen. Mit Emmanuel Nunes und Bernhard Lang wurden aber wieder zwei Komponisten mit Beiträgen in mehreren Konzerten portraitiert.

Trotz des hohen Anteils an Kompositionsaufträgen, Ur- und Erstaufführungen war doch viel Altbekanntes zu hören, sei es nun im Klang der groß besetzten Ensemblewerke oder den Tonbandwiedergaben Elektronischer Musik, die mit neuen technischen Mitteln etablierte kompositorische Pfade beschritt. Angesichts eines das Neue im Namen tragenden Festivals warfen die Konzerte und Performances beim Hören zahlreiche Fragen auf, z.B. nach der Ortsgebundenheit der fast ausnahmslos starr in Front des Auditoriums ausgerichteten Instrumente oder dem Einsatz raumklanglicher Effekte in der elektronischen Musik. Licht und Szene als Aspekte instrumentalen Theaters wurden leider kaum berücksichtigt.

Gleichwohl konnte das Festival mit einigen Höhepunkten aufwarten. Gleich im zweiten Programm präsentierte Carola Bauckholt in Kugel Klangaufnahmen rollender Kugeln. Deren Bewegung übertrug sie auf drei Violoncelli und stellte damit eine durchweg spannende Komposition vor, deren raumklangliche Wirkung der prinzipiell auf frontale Beschallung abgestimmten stereophonen Tonbandspur sich aber nur für einen kleinen Teil des die Bühne hufeisenförmig umschließenden Publikums voll entfalten konnte.

Von der These geleitet, dass elektronische Medien genauere Reproduktionen musikalischer Strukturen ermöglichen als echte Musiker, arbeitet Bernhard Lang seit einigen Jahren mit Live-Elektronik und erzeugt Loops aus live eingespielter Musik. Dieses als Copy-Art bereits seit den 1960ern eingeführte ästhetische Prinzip wirft einerseits stets die Frage auf, welche Parameter denn eigentlich genauer werden und welche der technischen Weiterverarbeitung zum Opfer fallen; die Performance zeigte beispielsweise, dass sich der Klang einer echten Viola durchaus von der daraus erzeugten Schleife unterscheidet und sich eine Verschmelzung beider Elemente, die z.B. zu einem dialogischen Spiel mit sich selbst führen könnte, nicht ohne weiteres erzielen lässt. Witzig und überzeugend war dagegen Bernhard Langs Imitation der Loop-Technik durch die Vokalakrobatin Salome Kammer und das Klangforum Wien im Abschlusskonzert.

Meine persönlichen Favoriten waren diesmal durchaus die älteren Stücke des Programms. In Gérard Griseys Solo pour deux von 1981 traten Klarinette und Posaune dem Publikum seitlich abgewandt und bewusst miteinander spielend auf die Bühne, spielten in den Trichter des jeweils anderen Instruments hinein und boten so ein audiovisuell erfrischendes Stück Kammermusik, bei dem selbst die Klarinette als Posaunendämpfer eingesetzt wird. Ebenfalls genial inszeniert war Roman Haubenstock-Ramatis Alone II von 1969 für Klarinette, Posaune, Akkordeon und Schlagzeug mit einem dezenten Feuerwerk instrumentalen Slapsticks, bei dem außerdem auch mit Druckluftfanfaren, Aquarien, großen Pappkisten und allerlei anderen Materialien agiert und musiziert wurde. Markus Hechtles Still für Sprecher, vier Männerstimmen und Akkordeon ließ vor den Augen des Publikums mit feinsinnigem Humor und trotz einiger Längen eine skurrile Wirtshausszene erstehen.

Für mich waren die Glanzlichter des diesjährigen Festivals eindeutig die Kompositionen mit Akkordeon, das in alter Tradition von Teodoro Anzellotti gespielt wurde, und seitens der Interpreten die Vokalistin Salome Kammer, der Schlagzeuger Dirk Rothbrust und der Klarinettist Ernesto Molinari, die mit ihren spritzigen Inszenierungen farbige Akzente setzten. Die nächsten Wittener Tage finden übrigens vom 23. bis 25. April 2004 statt.



Da capo al Fine

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