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Musiktheater
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Rienzi
Musik und Dichtung
von Richard Wagner

Aufführungsdauer: ca. 3 h 30' (eine Pause)

Premiere am 27. Juni 2003
im Amphitheater in Trier


Homepage

Antikenfestspiele Trier
(Homepage
Wer seine Prinzipien nicht durchhält,
kann seine Siege nicht verteidigen!

Von Ralf Jochen Ehresmann / Fotos von Lydia Oermann



Rienzi ist zweifellos viel zu selten auf deutschen Bühnen zu sehen, woran zuvörderst sein eigener Schöpfer schuldig ist, der in fortgeschrittenem Alter seine drei ersten fertiggestellten Bühnenwerke als Jugendsünden abtat und nicht weiter gelten lassen wollte. Noch der Fliegende Holländer tat sich schwer, sich seinen Zugang zum Festspielhaus zu erkämpfen, wo ihn Cosima erst zum 25-jährigen Jubiläum 1901 ankern ließ; Rienzi hat es bis heute nicht auf das Bayreuther Capitol geschafft.
Das hat durchaus seine Gründe, ist doch jener besondere Charakter dessen, was Wolzogen als Musikdrama fassen und verstanden wissen wollte, hier kaum rudimentär angelegt und die ZuschauerInnen gleichsam ZeugInnen einer Grand Opera francaise im Stile Spontinis, den Meister Richard wenig später mit Spott und Verachtung bekübelte.

Vergrößerung Anordnung in der Ouvertüre.

Die Antikenfestspiele in Trier, heuer im Amphitheater nach Kaiserthermen und Porta Nigra in den Vorjahren, können sich derlei Unbesorgtheit getrost erlauben, da keine Tradition des Ortes sie bindet oder einschränkt. Vielmehr erkennt der geübte Blick leichthin die ideale Eignung des Wagnerwerkes, das Rom zu Ruinen werden lässt, für die Kulissen altrömischer Ruinen an der Mosel.

Im Trierer Amphitheater, nicht zu verwechseln mit dem Neubau namens Arena-Halle am anderen Ende der Stadt und hier bereits mit eingeplant als Ausweichort bei Regen, war naturgemäß auch für wechselnde Schauplätze nur eine Einheitsbühne denkbar. Und ebenso wenig Überraschung liegt darin, wenn dabei Bilder einer Altrom-Imagination heraufbeschworen werden, deren Wert in der Stiftung einer bestimmten Atmosphäre liegt und also weniger auf kritische Werkausdeutung orientiert, zumal diese nicht einmal ansatzweise differenziert zwischen Antike und dem XIV‚Jahrhundert des historischen Cola Rienzi, genauso wenig wie das Selbstverständnis jener Epoche selbst. Und als ob der vom Blut der frühen Christen getränkte Ort nicht schon genügend Aura an sich besäße, wählte man die Spielzeiten so, dass ein herrlicher Sonnenuntergang den Niedergang Rienzis meteorologisch vergoldete.

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Irene mit Adriano bei Colonna: Vergebliches Flennen.

Angesichts der unverkennbar angestrebten und von solis Gnaden auch trefflich erzielten Festspielatmosphäre mit mehr als nur einem Hauch Verona, stellen sich manche Fragen ohnehin anders dar, zumal auch Kreise zum Besuch der Veranstaltung angesprochen werden sollen, die sonst für gewöhnlich kein Theater betreten würden.

Konkret installierte Hausintendant Heinz Lukas-Kindermann auf einem schrägen Teller als eigentlichem Bühnenboden, der unschwer als späte Hommage an Wieland Wagner als den Meister der Bayreuther Scheiben zu erkennen war, weitere zwei stehende Kreise wie eine aufgeklappte Münze, deren einer ein versinkendes Caesarenhaupt zeigt und der andere das oft benötigte Kirchen-, Palast- oder Sonstwasportal abgibt. Für die diversen Auf- und Abtritte werden die gewaltigen Räume der Arena ideal einbezogen – durch fern postierte Bläser oder symmetrische Fackelzüge - Oper für die Augen at its best !

Tragen die meisten Gestalten noch sehr opernhafte Züge, so sind es hier alleine Cecco und Baroncelli, die unbeirrt ihr politisch definiertes Programm verfolgen, dessen Demokratisierungsanspruch ungefähr dem Stand der Debatte im deutschen Vormärz entspricht. Rienzi als Held dieser Freiheitsbewegung hingegen scheitert daran, dass er von seinem anfänglichen Standpunkt: die Gleichheit aller vor dem Gesetz – dem bürgerlichen Prinzip schlechthin – ablässt, indem er einem anderen, non rationalen Trieb folgt und familiären Blutsbindungen den Vorrang vor Frieden und Wohlfahrt des Volkes einräumt. Dazu kommt die Gestalt des Adelssprössling Adriano, der sicher Gutes will, gleichzeitig aber von Anfang an zurückschreckt vor den Konsequenzen, die unvermeidlich sind, wenn denen das Handwerk gelegt werden soll, deren blutiges Geschäft es ist, durch Ausbeutung von Volk und Land sich zu bereichern und dabei die Substanz des kulturellen Erbes zu beschädigen. Wehe dem Staat, dessen Exekutive Politik nach persönlicher Bindung betreibt, dessen Protagonisten so leicht verführbar und prinzipienlos sind!

Vergrößerung Papa oder Geliebte? Adriano in Verwirrung.

Kindermann zeigt, was in der zunehmenden Farbenpracht seiner Gewandung sich spiegelt: den tiefen Sturz des redebegabten Emporkömmlings Rienzi, dessen soziales Gewissen fortschreitendem Realitätsverlust weicht; das Fiasko der dramatischen Wende durch die schicksalsprägende Fehlentscheidung zur abermaligen Begnadigung seiner Mörder wider alle politische Vernunft bei Außerachtlassung sämtlicher Poenalvarianten zwischen Hinrichtung und Freilassung verdankt sich leider auch einer gehörigen Portion Dämlichkeit, die unser Mitleiden an seinem Showdown erträglich begrenzt. Nur in dieser Hinsicht wäre es konsequent, ansonsten eigentlich nur schade, wenn das gewaltige Finale keine Antizipation der Götterdämmerung mit berstender Bühne sein darf, sondern in der dezenten Andeutung rötlichen Fackelscheins beinahe sanft ausklingt. Hier wäre etwas mehr Brimborium im Rahmen des Gesamtkonzeptes durchaus zulässig gewesen!

Die Kostüme fallen daher ebenfalls antikisierend aus, was nur im Falle der Irene gründlich danebengeht, dieweil sie schlechterdings zu schön ist. Hier scheint der Wunsch nach Augenweide und sein beachtliches Resultat die Frage nach dem Sinn von Trachten und deren Spiegelung sozialer Widersprüche überlagert zu haben, ist sie doch gerade keine Adelstochter und nur daher in ihre unverschuldete Not einer Verschleppung durch die Nobili geraten, weil sie eben ein armes hilfloses Bürgermädchen sei, mit der manN es schon treiben könne.

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Der einsame Tribun vergrault seine Gefolgschaft.

Die Chöre sind seitlich postiert, was unsere Bewunderung für deren musikalische Leistung erheblich steigert, ist doch zwischen den Stimmgruppen ein räumlicher Abstand um die 50m zu überbrücken, was hinsichtlich Intonation und Isometrie nicht immer gelingt. Hier scheint klar unzureichendes Probenvolumen die Ursache zu sein, zumal besser einstudierte Passagen von ähnlicher Schwierigkeit mit Bravour gemeistert werden. Die Tempoübermittlung an die Ferntrompeten und –posaunen mittels Sekundärdirigent war da leider weniger erfolgreich.

Die SängerInnen waren von recht unterschiedlicher Statur, da sie nicht gleich gut mit der besonderen Akustik einer Freiluftbühne klarkamen. Hervorzuheben sind zuvörderst John Horton Murray (New York), dem man sein Rollendebüt kaum glauben mag, sowie der wohl prominentesten Gast Nancy Gustafson als seine Schwester Irene, deren Höhe allerdings besser durchdrang als ihre tieferen Lagen. Murray hingegen präsentiert sich überall gleich stark, in Ton und Gestik eine ideale Besetzung. Ebenfalls aus Wien gastierte Chariklia Mavropoulou in der Hosenrolle des Adriano, die ihren Part und dessen wahrlich opernhafte Wankelmütigkeit glaubhaft zu transportieren vermochte, ansonsten aber eher etwas blass blieb.

Vergrößerung Seitlicher Aufmarsch: Da braut sich was zusammen!

Die anderen Partien konnten mit heimischem Personal besetzt werden, so dass einige Namen bereits auf den Besetzungszetteln von Lohengrin und Tannhäuser zu lesen waren. Das größte Lob geht hier an László Lukács, der in Orsini nach dem verunglückten Wolfram nun wieder eine zu seiner Stimmlage herben Diktion passende Rolle wie vordem in Telramund gefunden hatte und damit auch Juri Zinovenko als Colonna überragte, dessen Vorzug eher in der Klarheit der Stimme lag. Peter Koppelmann als Baroncelli und Andreas Scheel als Cecco wuchsen gleichermaßen über sich hinaus und gestalteten ihren Part entsprechend der dramatischen Wichtigkeit ihrer Charaktere für das dramatische Gefüge. Hier war besondere Acht auf saubere Diktion zu spüren, was der Textverständlichkeit sehr zugute kam.

Unterhalb ist das Orchester untergebracht, dessen französischen Gästen aus Nancy ohne Abstrich zu gratulieren ist. Gleichzeitig spürte man hier die relativ größte Abweichung zu gewohntem Theaterorchesterklang , der sich aus der Aufstellung ergibt und einen stark Synthesebetonten, streicherlastigen und wandigen Sound präsentierte, zu dessen Beschreibung am besten der Vergleich von CD versus Schellack taugt. Demzufolge tritt das Phänomen in kleinbesetzten Passagen weit weniger auf als bei voller tutti-Dröhnung. Der befürchtete Verpuffungseffekt ist erfreulicherweise weitgehend ausgeblieben, was umso überraschender erscheint, wenn man bedenkt, dass die römischen Architekten der Anlage diese überdeckelt hatten, obwohl es in der ursprünglich vorgesehenen Veranstaltungsform sicherlich kaum um akustische Raffinesse gegangen sein dürfte...

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Finale: Untergang en miniature.

Von Rienzi zu schreiben ist unmöglich, ohne die Frage der leidigen Kürzungen anzuschneiden, zumal eine Lösung wie die der Dresdner Urinszenierung von 1842 in Form einer Aufteilung auf zwei Abende nicht mehr zu Gebote steht – auch angesichts der mangelnden Akzeptanz schon damals. Immerhin scheint hier der Gedanke eines mehrtägigen Festspieles seinen Sitz im Leben zu haben!

In Trier hat man leider nicht überall ein gleichermaßen gutes Händchen gezeigt. Insgesamt 82 Striche, deren Umfang von nur wenigen Takten bis zu mehrminütigen Passagen reicht, die im Wesentlichen von der Dresdner Produktion 2001 übernommen werden konnten, zeugen einerseits von sorgsam überlegter Auswahl, vermögen aber nicht immer zu überzeugen. So durfte man sich freuen, das sonst fast nie gespielte Vorspiel zum 2.Aufzug zu hören, doch fehlte gleichzeitig unverzichtbare Substanz, wie z.B. Rienzis politisches Credo in I,2 sowie teilweise in I,4; der Marsch der Orsini in I,3; der Friedensbotenchor in ihrer Durchschreitung der Bühne ähnlich den Pilgerchören aus Tannhäuser, der hier verkürzt nur als Stehchor erscheint, v.a. aber der Auftritt des einzelnen Friedensboten in II,1; Gleiches gilt für die Kernstelle in II,3, die uns Rienzis Bruch seiner Vorsätze und damit die eigentliche dramatische Wende berichtet; schade um die nicht zweimalige Darbietung der Schlachthymne in III,3.

Weniger problematisch stellt sich der kaum überraschende Verzicht auf den Einzug der Gesandtschaften oder die Pantomime (II,3) dar oder auf Adrianos sentimentales Geflenne in III,3, selbst noch die halbe Schwurszene in IV,1, obwohl eigentlich der gestrichene Teil die wichtigeren Formulierungen enthielte, kann als entbehrlich gelten, nicht aber Rienzis letzte Wendung der Herzen der Verschwörer zu seinen Gunsten in IV,2. Ganz unverständlich bleibt zuletzt, wieso noch im wohl bekanntesten Einzelstück der Oper nach der Ouvertüre, in Rienzis Gebet (V,1) gekürzt werden musste. Immerhin darf man feststellen, dass insgesamt eine flotte stringente Handlung erkürzt worden ist, die das rahmensprengende Ungetüm auf handliches und praxistaugliches Format concenTRIERt hat.

Das Programmheft kommt daher in Gestalt eines sehr ansprechenden 84-seitigen A4-Journal, das sich auf die gesamten Festspiele bezieht, deren Schauspielwerk diesmal Julius Caesar von Shakespeare ist und wohinein weiters ein "Rienzi-Abend" als Symposium der Universität Trier sowie ein Liederabend des örtlichen Richard-Wagner-Verbandes mit Kurt Moll gehört.


FAZIT

Das nördlichste Freiluftfestspiel in antikem Ambiente liefert ein gelungenes Spektakel für Auge und Ohr, um dessen Aura willen man gerne bereit ist, gewisse Abstriche bei Akustik oder Werktreue zu akzeptieren.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Sebastian Lang-Lessing

Inszenierung
Heinz Lukas-Kindermann

Ausstattung
Pet Halmen

Regieassistenz
Annegret Frübing
/ Hans-Dieter Schmitt



Orchestre Symphonique
et Lyrique de Nancy


Solisten

Cola Rienzi,
päpstlicher Notar
John Horton Murray

Irene,
seine Schwester
Nancy Gustafson

Steffano Colonna,
Haupt der Familie Colonna
Juri Zinovenko

Adriano,
sein Sohn
Chariklia Mavropoulou

Paolo Orsini,
Haupt der Familie Orsini
László Lukács

Raimondo,
Päpstlicher Legat
Nico Wouterse

Baroncelli,
römischer Bürger
Peter Koppelmann

Cecco del Vecchio,
römischer Bürger
Andreas Scheel

Friedensbote
Annette Johansson



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