Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zum Festspiel-Index E-Mail Impressum



Deidamia
(HWV 34)
Text nach Silvio Stampiglia
Musik von Georg Friedrich Händel

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere am 16. Mai 2002
im Deutschen Theater Göttingen
Weitere Aufführungen: 18., 20., 21. Mai 2002


Göttinger Händel Festspiele

Quo vadis?

Von Gerhard Menzel / Fotos von Dorothea Heise

Im Mittelpunkt der Festspiele stand wieder einmal die Operninszenierung im Deutschen Theater: Händels letzte Oper DEIDAMIA, die in Göttingen 1985 schon einmal konzertant gegeben wurde, erlebte nun hier ihre erste szenische Aufführung.

Die Uraufführung der Deidamia am 10. Januar 1741 im Theatre Royal im Londoner Stadtteil Lincoln's Inn Fields war - trotz hochkarätiger Sänger - ein Misserfolg. Deidamia erlebte dort gerade einmal zwei Aufführungen, der, im darauf folgenden Monat, noch eine dritte Aufführung im New Theatre am Haymarket folgte. Es war die endgültig letzte Opernproduktion des damals 56-jährigen Händel. Trotz der fein ausgearbeiteten musikalischen Charakterisierung der Figuren, der abwechslungsreichen Instrumentation und der an melodischem Reichtum und virtuosen Arien nicht armen Musik Händels, geriet Deidamia danach völlig in Vergessenheit. Bis heute zählt Deidamia immer noch zu den seltener gespielten Händel-Opern, auch wenn sie im letzten Jahr während der Händel-Festspiele in Halle ebenfalls in einer Neuproduktion zur Aufführung kam und in diesem Jahr dort wieder auf dem Programm stand.


Vergrößerung in neuem Fenster

Lycomdes (Harry van der Kamp) wird von Ulisse (Michael Maniaci) nach Achille ausgefragt.

Die Geschichte von Deidamia und dem trojanischen Helden Achill ist Homers Ilias entnommen. Regisseurs Peer Boysen kam daher auf die Idee, dem Publikum einige Verse daraus von (dem normalerweise nicht auf der Bühne erscheinenden) Nestore rezitieren zu lassen, allerdings in einem so bayrisch gefärbten Englisch, das viele überhaupt nicht verstanden, was das sollte.

Obwohl Odysseus' Suche nach Achilles (ein Krieg gegen Troja ist nur mit Achilles zu gewinnen), der als Mädchen verkleidet auf der Insel Skyros versteckt wird (da prophezeit wurde, er werde in einer Schlacht den Tod finden) durch Verstellung und Verkleidung reichlich Möglichkeiten zu komischem Verwechslungsspiel bietet, legte Peer Boysen doch mehr Gewicht auf das "Frauendrama" der Titelfigur Deidamia.

Von den wechselvollen Leidenschaften der Liebe geplagt, zeigt sich an ihr die ganze Bandbreite der Empfindungen, vom Verliebtsein bis hin zu Sorge, Zorn und Schmerz über den (drohenden) Verlust des Geliebten. Letztendlich wird sie von allen im Stich gelassen, sogar von ihrem Vater. Heidrun Kordes findet für diese Leiden der verzweifelt Liebenden anrührende und Mitgefühl erregende Töne. Entsprechend der Inszenierung klingt ihr (ansonsten) sehr modulationsfähiger Sopran sehr resignierend, wobei der Glanz und die Leichtigkeit in so mancher Arie allerdings oft etwas zu kurz kommt.


Vergrößerung in neuem Fenster Nerea (Claron McFaddon) berichtet Deidamia (Heidrun Kordes) von den nach Achille suchenden Fremden.

Von ganz anderem Kaliber ist da Deidamias Freundin Nerea, die Claron McFaddon als kokettes Temperamentsbündel mit wendigem Sopran und ungeheurem Spielwitz interpretierte.

Mit Robert Crowe und Michael Maniaci standen zum ersten Mal zwei männliche Sopranisten bei den Göttinger Händel-Festspielen auf der Bühne. Kurioser Weise sogar einer mehr als in der Uraufführung bei Händel, denn die Partie des Achilles/Pyrrha wurde damals als "Hosenrolle" interpretiert. Der einzige Kastrat in der Aufführung war der Mezzosopranist Giovanni Battista Andreoni in der Rolle des Ulisse/Antilochos. Den listig schlauen Ulisse sang hier Michael Maniaci, dessen Sopran flexibel und nuancenreich ist und weitestgehend überzeugte. Robert Crowe - als vom Jagdtrieb beherrschter Achilles - bildete mit seinem sehr charakteristischen, scharfen Sopran und seinem unbekümmerten, draufgängerischen Charakter den denkbar größten Gegensatz zu Deidamia.

Harry van der Kamp als Deidamias "laschen" Vater Lycomdes und Nils Cooper als Ulisses treuer Begleiter Fenice, vervollständigten das insgesamt durchaus festspielwürdige Solistenensemble.

Der Opernkammerchor Hannover in der Einstudierung von Ralf Popken lieferte nicht nur die kurzen vokalen Einsätze mit Bravour ab, sondern war auch szenisch (als "Unglücksvögel") mit in die Inszenierung integriert.


Vergrößerung in neuem Fenster

Deidamia (Heidrun Kordes) bittet Achille (Robert Crowe) eindringlich, sich vor den Fremden fern zu halten.

Regisseurs Peer Boysen, der Anfang des Jahres mit einer karnevalistisch bunten und comedyartigen Premiere von Händels Oper GIUSTINO die Händel-Festspiele in Karlsruhe eröffnete, hatte sich dafür entschieden, das (mit zwei Pausen) viereinhalb Stunden dauernde Stück auf einer winzig kleinen Plattform spielen zu lassen, mit einem Portikus zu einer griechischen Taverne, einer Treppe zu einem Anlegesteg und einem mit schwarzem Wellenlinien gemusterten blauen Zwischenvorhang. Außer der weißen Architektur dominierte auch bei den Kostümen die Farbe Weiß.


Vergrößerung in neuem Fenster Deidamia (Heidrun Kordes) fühlt sich von Achille (Robert Crowe) unverstanden.

Der Vater von Deidamia ist kein König, sondern Besitzer der Taverne, was die Fallhöhe der ganzen Geschichte reduziert, ohne den Bezug zu "Heute" unbedingt zwingend erscheinen zu lassen. Die zwei hauptsächlich gelangweilten Kellner-Statisten und der auf ein kleines, einsames Inselchen verengte Spielraum sorgten schon sehr bald für immer müder werdende Augen. Da konnte die zeitweise Farbe ins Spiel bringende Beleuchtung von Hans Peter Boden auch nicht mehr viel retten.

Die bisweilen ausgefeilte Personenführung schwankte dabei zwischen dem sehr herausgearbeiteten Frauendrama und den Comedia dell'arte Elementen der Verkleidungskomödie, die sehr plakativ und schroff nebeneinandergesetzt, nicht so recht zusammenpassten.


Vergrößerung in neuem Fenster

Fenice (Nils Cooper) und Lycomdes (Harry van der Kamp) beobachten das "unglückliche" Liebespaar Deidamia (Heidrun Kordes) und Achille (Robert Crowe).

Wie man Alt mit Neu, Drama und Komödie geschickt und lebendig miteinander verbinden kann, bewies 1998 die kurzweilige und szenisch abwechslungsreiche Inszenierung von Angela Brandt in Hagen ( OMM-Rezension). Eine andere, von Hollywood inspirierte Produktion, wird noch in Halle gespielt (OMM-Rezension).

Neben dieser optischen Sparkost, hätte es Händels Musik eigentlich leicht fallen sollen, sich Zugang zu den Ohren des Publikums zu verschaffen. Das Ensemble "La Stagione, Frankfurt" unter der engagierten Leitung von Michael Schneider musizierte auch sauber und kontrastreich, aber oft fehlten irgendwie die spannungsvollen Bögen über größere Strecken und das unbedingt Fesselnde.

Partenope


FAZIT

Mit dieser ersten gewollt "modernen" Inszenierung betraten die Händel-Festspiele in Göttingen 2003 zwar neuen Boden, sie verlieren allerdings damit auch genau dasjenige, was sie bisher von den anderen Händel-Festspielen unterschied. Händelopern werden ja inzwischen nicht mehr nur bei Festspielen gespielt, sondern haben auch Einzug in das allgemeine Opernrepertoire gehalten. Und da gibt es nun viele "moderne" Produktionen (nicht nur in München), die auch bühnentechnisch wesentlich weiter gehen können, als dies das Deutsche Theater ermöglichen kann. Wie die konzeptionelle Entscheidung für die Zukunft auch aussehen mag, sie sollte schnell fallen, bevor Göttingen sein Profil und damit vielleicht sogar seine Daseinsberechtigung verliert.




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Schneider

Inszenierung, Bühne, Kostüme
Peer Boysen

Beleuchtung
Hans Peter Boden



Opernkammerchor Hannover
(Einstudierung: Ralf Popken)

La Stagione, Frankfurt


Solisten

Deidamia
Heidrun Kordes

Nerea
Claron McFaddon

Achille
Robert Crowe

Lycomdes
Harry van der Kamp

Ulisse
Michael Maniaci

Fenice
Nils Cooper

Nestore
Barbara de Koy


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Göttinger Händel Festspielen
(Homepage)




Da capo al Fine

Homepage Musiktheater-Startseite E-mail Impressum

© 2003 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -