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Ottone
Von Gerhard Menzel
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Fotos von Jochen Klenk
Händels "Ottone" wurde 1721 im King's Theatre am Haymarket uraufgeführt und war mit 31 Aufführungen die erfolgreichste Oper Händels der Royal Academy of Music. Sie erfreute sich so großer Beliebtheit, dass Händel sie in der Folgezeit immer wieder auf den Spielplan setzte, und sie sogar einige Jahre später nach Braunschweig und Hamburg - dort in einer Bearbeitung Telemanns - gelangte. Foto links: Gismonda (Clara O'Brien, oben) meldet Adelberto (Glenn Kesby) und Teofane (Tammy Tyburczy) die Ankunft Ottones
Die Besetzung der Uraufführung von "Ottone" vereinigte die absoluten Stars der damaligen Opernszene. Francesca Cuzzoni, die wohl berühmteste Sopranistin ihrer Zeit, gab mit der Partie der Teofane ihr Debüt in England und wurde vom Publikum sofort frenetisch gefeiert. Die Rolle des Ottone übernahm kein geringerer als der Altkastrat Senesino. Giuseppe Maria Boschi, Margherita Durastanti und Gaetano Berenstadt komplettierten das Staraufgebot der Produktion. So verwundert es nicht, dass einem zeitgenössischen Bericht zufolge "das Haus aus den Nähten platzte" und man sogar mit der Schließung der Galerie drohte, da man sich anders den Begeisterungsstürmen des Publikums nicht mehr gewachsen sah. Foto rechts: Ottone (David Cordier) ist einfach umwerfend.
Klangbeispiel
Basierend auf der historischen Figur des deutschen Kaisers Otto II., wird die Geschichte von Ottone erzählt, der die römische Krone übernehmen soll. Allerdings erhebt auch der römische Fürst Adelberto Anspruch auf diese. Außerdem ist er in Ottones zukünftige Braut, die Prinzessin Teofane, verliebt. Da Ottone noch nicht wieder zu Hause eingetroffen ist, gibt sich Adelberto gegenüber Teofane als Ottone aus, den diese nur von einem Bild kennt. Ottone jedoch erfährt durch seine Kusine Matilda, die Adelberto versprochen ist, von dem Betrug und lässt ihn verhaften. Eine Verwirrung löst die andere ab, zu einer Entführung (Teofanes) kommt ein wiedergefundenes Geschwisterglück (Matilda und Emireno), und der zunächst unnachgiebige Ottone lässt nochmals Gnade vor Recht ergehen und verzeiht Adelberto. Schließlich finden doch noch alle Paare - sogar Matilda und Adelberto - zusammen. Inhaltlich dreht sich also wieder einmal alles um Liebe, Eifersucht, Verrat, Rache und Intrige, gepaart mit solch edlen Tugenden wie Großmut und Verzeihung, insgesamt einem Reichtum an Affekten, der für Händel ideal dazu geschaffen war, musikalisch alle Register zu ziehen. Foto links: Im Duett veranschaulichen Matilda (Linnéa Sallay) und Gismonda (Clara O'Brien) den formalen Aufbau einer Da-capo-Arie.
Klangbeispiel
Aus diesem reichhaltigen Angebot von Gefühlen pickte sich Regisseur Ralf Nürnberger allerdings nur die heraus, die auch im heutigen Soap-Opern-TV herauf- und heruntergenudelt werden. Die völlig phantasielosen Kostüme von Claudia Rühle und der kalte Einheitsraum von Heinz Balthes verflachen das Potential, das dieses Stück bietet. Teofane (Tammy Tyburczy) erscheint in der klinisch reinen Konzernzentrale wie ein Mädchen, das von zu Hause davongelaufen ist und gewinnt auch im weiteren Verlauf nicht an Profil. Ottones (David Cordier) ständiger Begleiter ist ein schöner Schäferhund, der allen anderen die Show stielt. Der von seiner Mutter Gismonda (überwältigend: Clara O'Brien) gesteuerte Spielmops Adelberto (Glenn Kesby) bleibt ein tumber Tölpel, was seine Verbindung mit der "Amazone" Matilda (Linnéa Sallay) nur noch unglaubwürdiger macht. Insgesamt wirkte die Inszenierung zu angepasst und ohne die rechte Ironie, die sich auch aus dieser einseitigen Sichtweise bestimmt hätte herausholen lassen. Foto rechts: Währen Matilda (Linnéa Sallay) noch viel Mühe haben wird, aus Adelberto (Glenn Kesby) einen akzeptablen Partner zu machen, besiegeln Emireno (Christian Rieger) und Ottone (David Cordier) schon einmal das "glückliche" Ende der Geschichte.
Von den Protagonisten konnten sich vor allem der bei diesen Festspielen stark eingespannte David Cordier als Ottone und seine "Widersacherin" Clara O'Brien als Gismonda profilieren. Neben der Hauptpartie des Ottone gestaltete David Cordier auch noch die männliche Hauptpartie in Berenice, was bedeutete, dass er von den insgesamt 13 Opernaufführungen während der 11-tägigen Festspiele an 8 Abenden Höchstleistungen zu vollbringen hatte. Eine außergewöhnliche Leistung eines ausgezeichneten Sängerdarstellers. Während die spielerisch forsche und stimmlich stets präsente Linnéa Sallay als "wilde" Matilda und Glenn Kesby als "Muttersöhnchen" Adelberto ihre Rollen mit großem Einsatz präsentierten blieb die junge Tammy Tyburczy als Teofane nicht nur darstellerisch noch etwas blass. Charles Farncombe, der zu den Jubiläumsfestspielen nach langer Zeit wieder einmal die musikalische Leitung einer Opernproduktion in Karlsruhe übernommen hatte, gelang auch mit dem seit seinen letzten Auftritten inzwischen veränderten Besetzung der Deutschen Händel-Solisten eine ausgeprägte und spannungsvoll musizierte Interpretation des Ottone, die wesentlich lebendiger, farbiger und überzeugender wirkte, als es die optische Seite der Produktion tat.
Musikalisch anspruchsvoll, optisch alltägliche Serienkost. Eine Produktion der 25. Händel-Festspiele in Karlsruhe, die über weite Strecken nur ein auditives Vergnügen war. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
ProduktionsteamMusikalische LeitungCharles Farncombe
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Dramaturgie
Solisten
Ottone
Gismonda
Adelberto
Matilda
Teofane
Emireno
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- Fine -