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Musikfestspiele
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25 Jahre
Händel-Festspiele
in Karlsruhe

17. Februar bis 4. März 2002

Homepage des Badischen Staatstheaters Karlsruhe

Badisches Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)

25 Jahre Händel-Festspiele in Karlsruhe

Von Gerhard Menzel

Als im Jahre 1978 der damals amtierende Generalintendant Günter Könemann in Karlsruhe erstmals Händel-Tage veranstaltete, konnte niemand voraussagen, wie sich diese Initiative entwickeln würde. Immerhin gehört die Stadt Karlsruhe - die zu Händels Lebzeiten von Markgraf Carl-Wilhelm als badische Residenzstadt (1715) gerade erst einmal gegründet wurde - nicht zu den Orten, die im Leben und Wirken Händels eine Rolle gespielt haben. Der intensive Einsatz von Günter Könemann (der nach dem zweiten Weltkrieg als Regieassistent in Halle eine entscheidende Zeit der Händel-Opern-Pflege aktiv miterlebte) und seinen Mitstreitern hatte aber einen solchen Erfolg, dass 1985 die Händel-Tage in Händel-Festspiele umbenannt wurden und neben den Werken von Richard Wagner und Richard Strauss einen immer bedeutenderen Stellenwert im Spielplan des Badischen Staatstheaters einnahmen.

1986 wurde dann in Zusammenarbeit mit der Musikhochschule Karlsruhe die Internationale Händel-Akademie gegründet, die sich intensiv um die Ausbildung des Nachwuchses in Theorie und Praxis kümmert. Auch durch das rege Engagement der 1989 gegründeten Internationalen Händel-Gesellschaft, entwickelte sich Karlsruhe neben Halle (mit der 1987 ein Städtepartnerschaftsvertrag geschlossen wurde) und Göttingen endgültig zu einem Zentrum der Händelpflege. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisten auch die Veröffentlichungen der Internationalen Händel-Akademie Karlsruhe, deren 7. Band zu den diesjährigen Festspielen erschienen ist.

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  Mit Beiträgen von Günter Könemann,
  Jean Louis Martinoty, Heinz Balthes,
  Pavel Fieber, Sven Severin,
  Achim Thorwald, Wolfgang Sieber,
  und Fritjof Kessel sowie einer
  Chronologie der Internationalen
  Händel-Festspiele in Karlsruhe
  64 Seiten, € 2,50
  Erhältlich beim
  Badischen Staatstheater Karlsruhe

Pavel Fieber, der Nachfolger von Günter Könemann, führte dessen "Werk" erfolgreich weiter und bereicherte es sogar noch. Zum einen ermöglichte er der Internationalen Händel-Akademie durch die Übertragung der künstlerischen Leitung an die Hochschule, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, das schließlich auch zur Bildung einer Orchester-Akademie und der Opern-Werkstatt führte. Zum anderen bereicherte er das Festspielprogramm durch Uraufführungen zum Thema Händel, wie das Ballett von Germinal Casado Evirato Divo - Farinelli mit Musik von Georg Friedrich Händel und vieler seiner Zeitgenossen, die Oper Farinelli oder die Macht des Gesanges von Siegfried Matthus, Franz Hummels Musiktheater über Georg Friedrich Händel Styx oder die über drei Jahre hinweg den Publikumsrenner der Festspiele bildende musikalische Komödie Der Triumph der Ehre von Händels Zeitgenossen Alessandro Scarlatti.

Auch heute noch sind die Händel-Festspiele in Karlsruhe weltweit die einzigen Händel-Festspiele, die ausschließlich von einem Theater getragen und veranstaltet werden.

Auf ein ausgeweitetes Veranstaltungsprogramm zum 25-jährigen Jubiläum hatte man in Karlsruhe verzichtet, nicht jedoch auf eine Festpublikation, die auf knappen 64 Seiten die Entwicklung der Festspiele und des Spielplans, sowie die Interpretation und Rezeption der Inszenierungen dokumentiert.

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  Ottone, Re di Germania
  Oper in drei Akten
  von Georg Friedrich Händel
  Foto: Jochen Klenk

Trotzdem warteten die Festspiele mit einer ganz besondere Überraschung auf: einer der bedeutendsten "Händel-Dirigenten" kehrte nach langer Zeit zurück nach Karlsruhe. Charles Farncombe, der 1955 in London die "Handel Opera Society" gründete und inzwischen alle Oratorien und die meisten der Opern Händels aufgeführt hat war von Beginn an Karlsruhe eng verbunden. Von 1979 an prägte er als regelmäßiger Gastdirigent mit Aufführungen von Semele, Rinaldo, Julius Caesar oder Admeto 12 Jahre lang das musikalische Profil der Händel-Festspiele in Karlsruhe. Im Jubiläumsjahr war er nun wieder als musikalischer Leiter des Ottone, Re di Germania im Kleinen Haus des Badischen Staatstheaters zu erleben.

Charles Farncombe
  Charles Farncombe

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  Berenice, Regina D`Egitto
  Oper in drei Akten
  von Georg Friedrich Händel
  Susanne Cornelius als Berenice
  Foto: Jochen Klenk

Ebenfalls im Kleinen Haus kam als Wiederaufnahme aus dem letzten Jahr Händels Berenice, Regina d'Egitto wieder zur Aufführung. In diesem Jahr wirkte die Produktion (und die Personenführung von Ulrich Peters) wesentlich geschlossener und auch musikalisch gereift, was wieder einmal für die Wiederaufnahme des im Jahr zuvor neu herausgebrachten Stückes spricht.

Viel profitiert hat vor allem Susanne Cornelius als Berenice (letztes Jahr hieß sie noch Kornelia Eng), die an musikalischer Souveränität und darstellerischer Präsenz einiges gewonnen hat. Den Alessandro verkörperte in diesem Jahr ausschließlich Marianne Kienbaum, die im letzten Jahr noch mit Johanna Stojkowic alternierte. Sowohl sie, als auch die übrigen Solisten - Rosemara Ribeiro (Selene), David Cordier (Demetrio), Martin Wölfel (Arsace), Guido Jentjens (Aristobulo) und John Pickering (Fabio) - erfüllten ihre Rollen mit sprühendem Leben und überzeugten sowohl sängerisch als auch darstellerisch. Dabei hinterließen die Deutschen Händel-Solisten unter der musikalischen Leitung von Andreas Spering in diesem Jahr nicht nur einen wesentlich besseren Eindruck, sondern auch der Kontakt mit der Bühne war jederzeit vorhanden und garantierte somit ein ungetrübte Händel-Vergnügen..

Besonders gespannt war man allerdings auf die Uraufführung des Pasticcios Die Plagen, das Sven Severin aus Werken von Georg Friedrich Händel zusammengestellt hatte, und das auch die Jubiläums-Festspiele eröffnet hatte.

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Die Plagen
Ein Pasticcio von Sven Severin
nach Werken von Georg Friedrich Händel
Foto: Jochen Klenk
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Blickfänge in der City: zahlreiche
unübersehbare Hinweise auf die
25 Jahre Händel-Festspiele in Karlsruhe

Neben dem alljährlichen Preisträger-Konzert der Händel-Gesellschaft Karlsruhe, in dem Preisträger der Jugend-Barockreihe ihr Können präsentieren dürfen, gab es noch das Festkonzert der Deutschen Händel-Solisten, das ebenfalls von Andreas Spering geleitet wurde. Der 1999 zum musikalischen Leiter der Händel-Festspiele berufene Andreas Spering erreicht es seitdem, durch kompetente und kontinuierliche Arbeit mit den Musikern, den Händel-Festspielen wieder ein prägendes musikalisches Profil zu geben. Auf dem Programm standen das Erste Brandenburgische Konzert F-Dur BWV 1046 von Johann Sebastian Bach, die Sinfonia B-Dur HWV 347 von Georg Friedrich Händel, Johann Sebastian Bachs Konzert für Oboe und Violine c-Moll BWV 1060R, das Concerto grosso op. 3, Nr. 4 F-Dur HWV 315 von Georg Friedrich Händel, die Sinfonia aus der Kantate "Ich liebe den Höchsten von ganzem Gemüte" BWV 174, in der Bach Motive aus dem 1. Satz des Dritten Brandenburgischen Konzerts verwendet, und das Concerto grosso op. 6, Nr. 11 A-Dur HWV 329 von Georg Friedrich Händel.

Im Kammerkonzert der Deutschen Händel-Solisten präsentierten deren Mitglieder Anton Steck (Violine), Gerhard Peters (Violine), Karl-Heinz Steeb (Viola), Gerhart Darmstadt (Violoncello), Helmut Hofmann (Kontrabass) und Christoph Anselm Noll (Cembalo) Werke von Georg Friedrich Händel und dessen Zeitgenossen, die fast alle mit einer Besonderheit aufweisen konnten. Traditionsgemäß führten die Interpreten auch dieses Mal wieder mit pointierten Kurzkommentaren zu jedem Werk durch das Programm. In Händels Concerto a quattro D-Dur für zwei Violinen, Violoncello obligato und Basso continuo präsentierte sich Gerhart Darmstadt (Violoncello) als versierter Solist der Stimme, die Händel nachträglich zu einer seiner Triosonaten hinzufügte.
Anschließend erklangen vier Sätze aus Johann Sebastian Bachs Suite c-Moll (BWV 1011), allerdings nicht wie gewohnt auf dem Violoncello, sondern von Karl-Heinz Steeb einfühlsam auf der Viola interpretiert, so wie sie Bach damals auch gespielt haben dürfte.
In der Serenata a-Moll op. 12, Nr. 4 für Violine und Basso continuo von Francesco Antonio Bonporti stellte sich Gerhard Peters als engagierter Solist vor.
Georg Friedrich Händels Sonate c-Moll für Violine und obligates Cembalo op. 2, Nr. 1 (HWV 386a) wurde von Konzertmeister Anton Steck in einer Version (der h-moll Sonate) interpretiert, die nur handschriftlich in Hamburg überliefert ist.
Auch Christoph Anselm Noll konnte mit drei Sonaten für Cembalo solo von Domenico Scarlattis als Solist sein instrumentales Können unter Beweis stellen.
Den Abschluss bildete das Concerto Nr. 6 D-Dur für Streicher und Basso continuo nach Domenico Scarlatti von Charles Avison, in dem Avison die drei zuvor von Christoph Anselm Noll gespielten Cembalosonaten von Domenico Scarlatti verarbeitet hatte. Insgesamt war es wieder einmal ein Konzert, das nicht nur durch sein hohes Niveau, sondern auch durch seinen Unterhaltungswert begeisterte.

Enttäuschend fiel dagegen das Abschlusskonzert mit dem ‚CoroPiccolo Karlsruhe' und dem Barockorchesters Karlsruhe im Großen Haus aus. Es ist zwar eine schöne Geste der Veranstalter, dass sich auch hiesige Ensembles im Rahmen der Händel-Festspiele präsentieren dürfen, aber an einer so exponierten Stelle des Festivalprogramms hat so ein Konzert nun wirklich nichts zu suchen.
Zwar kann man beiden von Christian-Markus Raiser, dem Kantor an der Evangelischen Stadtkirche, gegründeten und geleiteten Ensembles Engagement und Musizierlust bescheinigen, aber für den Anspruch an Internationale Festspiele fehlt es sowohl an stimmlichem Potential und Überzeugungskraft (CoroPiccolo) bzw. an technischen und interpretatorischen Feinheiten (Barockorchesters).
Auf dem Programm standen Händels "Four Coronation Anthems" ("Zadok the Priest" HWV 258, "Let thy hand be strengthened" HWV 259, "The King shall rejoice" HWV 260 und "My heart is inditing" HWV 261) sowie das Geistliche Konzert für Soli, Chor und Orchester "Dixit Dominus Domino meo" HWV 232.

Die Händel-Festspiele des Badischen Staatstheaters Karlsruhe wurden auch in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Hochschule für Musik Karlsruhe durch die Kurse der Internationalen Händel-Akademie begleitet. International anerkannte Interpreten wie Anton Steck (Barock-Violine), Phoebe Carrai (Barock-Violoncello), Robert Hill (Cembalo und Fortepiano) und Jesper Christensen (Generalbass) vermittelten im Rahmen eines breit gefächerten Programmangebots ihre Fertigkeiten und ihr fachliches Wissen an interessierte Musikerinnen und Musiker aus vielen Ländern der Welt.

Die sich an die Kurse anschließende Orchester-Akademie unter der Leitung von Andreas Spering bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit, die Praxis des Musizierens in einem Barockorchester zu erfahren und sich in Abschlusskonzerten der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Während der in zwei Kursen veranstalteten Opern-Werkstatt vermittelten die Dozenten Inger Wierød (Barockgesang), Morten Kold (Barockgesang Assistenz), Margit Legler (Gestik und szenische Aufführungspraxis) und Reinhold Kubik (Musikalische Aufführungspraxis) die zunehmend auch an Opernhäusern und Festivals an Bedeutung gewinnende historische Aufführungspraxis.

Als übergreifendes Thema für die Kurse und das Symposium der 17. Internationalen Händel-Akademie hatte man in diesem Jahr den Stilwandel zwischen Barock und Klassik gewählt. Der "galante Stil" und der "empfindsame Stil" gehören zum musikalischen Rokoko, jener Stilphase, die den Hochbarock mit der Wiener Klassik verbindet. Unter dem Motto "Neue Empfindsamkeit versus barockes Pathos - Die Stilkrise der Künste im London der 1730er Jahre" versuchte das Symposium in diesem Jahr die außergewöhnliche Verbindung von Wissenschaft und Kunst herzustellen. Um übergreifend die allgemeinen künstlerischen Tendenzen dieser Zeit zu beleuchten, reichten die Themen der Vorträge von der Malerei und Literatur, bis hin zu Händel, der Beggar's Opera und die Kontrahenten Händels.

Nach der Einführung von Prof. Dr. Siegfried Schmalzried in das Themengebiet bot Dr. Dr. Ruth Melkus-Bihler (Karlsruhe) in ihrem Vortrag "Ängste in einer prosperierenden Gesellschaft - London um 1730" Einblicke in das öffentliche Leben der Stadt London zu Händels Zeit und die zeitgenössischen Gesetzgebung.
Das Thema von Prof. Dr. Werner Busch (Berlin), der aus Familiären Gründen leider nicht persönlich anwesen sein konnte, lautete "‚Conversation Pieces'. Die Entdeckung der Wahrheit des Transistorischen". Das von Siegfried Schmalzried in einer gekürzten Fassung vorgelesene Manuskript, schilderte das gesellschaftliche und musikalische Treiben in den Vauxhall-Gardens und die schon zu seinen Lebzeiten errichtete, ungewöhnliche Händel-Statue in deren Zentrum.
Prof. Dr. Peter Andraschke (Giessen) stellte "'The Beggar's Opera'. Ausblicke in die Moderne" ins Zentrum seiner Ausführungen.
Prof. Dr. Wolfgang Ruf (Halle/Saale) machte in seinem Vortrag mit dem Titel "Die Herausforderung des Thomas Arne", dessen Werk und seine Einflüsse auf die englische Operngeschichte näher bekannt.
"Wien - London - und zurück: Giovanni Battista Bononcini" lautete der abschließende Beitrag von Prof. Dr. Hartmut Krones (Wien), der einen der größten "Opern-Widersacher" Händels in London vorstellte.


FAZIT

Kein großes Jubiläumsfest in Karlsruhe, obwohl die Festspiele es verdient hätten. Dafür weiterhin eine intensive und auch meist erfolgreiche Auseinandersetzung mit Händel und seiner Zeit.
Diese in seiner Konstellation weltweit einzigartigen Festspiele sollten allerdings noch intensiver gefördert werden, um international an Bedeutung gewinnen zu können.




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Symposiumsbericht 1998-2000
  Band 7
  297 Seiten
  € 35,-
  Erhältlich bei der
  Internationalen Händel-Gesellschaft Karlsruhe



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