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Kempen Musik Festival Logo Alte Musik auf neuen Wegen

1. Kempen Musik Festival mit Concerto Köln



Von Meike Nordmeyer



Foto: Concerto Köln

Noch ein Festival, das sich in der Menge der vorhandenen behaupten soll - und das über Pfingsten, einer von Festivals und anderen Veranstaltungen nur so strotzenden Zeit - wie soll das gehen? Das erste Kempen Musik Festival zeigte nun, dass es geht und zwar ganz ausgezeichnet. Das Programm bot eigenes Profil und konnte offenbar reichlich Neugier wecken. Das renommierte Kammerorchester Concerto Köln hatte an den Niederrhein geladen und dort gemeinsam mit der Stadt Kempen ein kleines aber feines Festival unter dem Titel "Begegnungen" kreiert. Eröffnet werden sollte das Potential, das in der Begegnung von Verschiedenem liegt. Concerto Köln hatte sorgsam ausgewählte Gäste eingeladen, es trafen sich Künstler aus Klassik, Jazz und Weltmusik zum gemeinsamen Musizieren.

Mittelpunkt des Festivals: Das Ensemble Concerto Köln

Im Franziskanerkloster der Stadt Kempen lebte dann fünf Tage lang tatsächlich etwas Neues auf. Es gelang ein Treffen von Musikern in nahezu intimer Atmosphäre zu intensiven Proben- und Konzerttagen, an denen das Publikum unmittelbar teilnehmen konnte. Es gab Gelegenheit, die Künstler nah und recht persönlich zu erleben. Es war eben nicht ein Festival, wie so manches andere, das eine Ansammlung von Stars bietet, die zur Bewunderung kurzzeitig angereist kommen und ein fertiges Programm darbieten, sondern hier entstand mit der Begegnung verschiedenster Musiker erst das, was gemeinschaftlich zur Aufführung gebracht wurde. Ein ambitioniertes, mutiges wie offenes Konzept also, das hohe Anforderung an Ausführende und auch Publikum stellte und dabei in spannenden, intensiven Konzerttagen fruchtete.


Foto: Daniel Hope in Kempen Daniel Hope vor dem Franziskanerkloster in Kempen.
Foto: Jochen Viehoff

Hochkarätige Gäste frei von Starallüren waren gekommen und brachten erstaunlich viel Zeit und Entdeckungsfreude mit. So der Violinist Daniel Hope, der auf Anregung von Concerto Köln zum ersten Mal ebenso wie die Streicher des Kammerorchesters gemäß historischer Aufführungspraxis Darmseiten auf seine Violine spannte, um damit Neues zu erproben. Solist und Orchester standen bei der Aufführung in unmittelbaren Kontakt miteinander, da wie für Concerto Köln üblich ohne Dirigent musiziert wurde. Die Musiker des Concerto standen dicht um den Solisten herum, der sich zunächst auch nur diesen zuwandete, um gemeinsam das Konzert zu beginnen, erst allmählich wandte er sich auch dem Publikum zu. Hope überließ sich bei seinem Spiel mit ganzer Seele der Tragkraft des Orchesters, um seinen Klang aus dessen Mitte zu produzieren. Beide Seiten gingen in intensiver Klangrede aufeinander ein. Hope entwickelte eine vielgestaltige Tonsprache, besonders ausgiebige, gleichsam ätherisch zarte Töne im pianissimo kostete er aus, aber auch impulsive Sequenzen von energischer, fast trotziger Emphase. So wurde das Violinkonzert wohl noch nicht gehört. Eine außergewöhnliche, höchst inspirierte Aufführung entstand - die Begegnung wurde hier Ereignis. Für Aufsehen sorgten zudem die von Hope entwickelten Kadenzen, die an die Klänge Beethovens anknüpften, darin über das Violinkonzert hinaus sich beim Komponisten bedienend, und diese Anleihen auch mit modernen Klängen durchsetzten. Besonders virtuos erklang die Häufung an Doppelgriffen.
Hope, der übrigens fließend Deutsch spricht, berichtete in der Gesprächsrunde am folgenden Nachmittag von der neuen Erfahrung, die das gemeinsame Spiel auf Darmseiten erbracht hat. Hope: "Es ist, als wenn man dem Komponisten näher kommt" und "Ich bin süchtig danach jetzt." Wir auch, Herr Hope!

Eingerahmt wurde die Darbietung des Beethovschen Violinkonzertes am ersten Abend von Symphonien der Beethoven-Zeitgenossen Antonio Casimir Cartellieri und Anton Eberl, die Concerto Köln im dichten, vitalen Spiel vortrug. Es ist immer wieder eine Freude, die hochmotivierten Musiker des Concerto beim gemeinsamen Entwickeln der Musik zu erleben. Beide Komponisten sind übrigens Wiederentdeckungen von Concerto Köln, so gibt es beispielsweise von Cartellieris beachtlicher Sinfonie noch keine Aufnahme. Die anspruchsvollen Sinfonien von Eberl spielte Concerto Köln kürzlich erstmals sehr erfolgreich ein.

Foto: Uri Caine in Kempen Uri Caine probt mit Concerto Köln.
Foto: Jochen Viehoff

Der Jazzpianist und Komponist Uri Caine kam nach Kempen, um sein für dieses Festival geschriebene Werk "Diabelli-Variationen" mit Concerto Köln zu erarbeiten und uraufzuführen. Es war dies kein fertiges Produkt, das Caine mitbrachte, sondern vielmehr ein ideenreiches Angebot zur Ausfüllung bei der Begegnung. Fertig wurde die Einstudierung des Werkes schließlich nicht, dazu blieb nicht genug Zeit während der arbeitsreichen Festivaltage. So wurden beispielsweise nicht alle der konzipierten Variationen gespielt, und im Zusammenspiel hatte sich Concerto Köln noch nicht ganz frei gespielt, so wurde im Uraufführungskonzert hörbar. Dennoch entstanden bereits spannende dichte Klänge, die sich gerade durch den Wechsel von sinfonisch genutztem Orchesterklang und Solo-Piano ergaben und darin immer dichter gesetzt wurden. Caine zerlegte die Beethovsche Vorgabe zudem in improvisatorischen Solo-Einlagen und unternahm eine jazzige rhythmische Engführung. Eingeflochtene Anklänge färbten außerdem das Spiel, weitere Werke von Beethoven wurden genutzt, wie zum Beispiel die populären Melodien der "Mondscheinsonate" und der 9. Sinfonie, aber auch Mozarts "Don Giovanni" sorgte für besondere Frische. Eine eindrückliche bereits höchst ertragreiche Aufführung des neuen Werkes - ein Anfang wurde hier gemacht mit spannendem Resultat, das in weiterer Zusammenarbeit fortgesetzt werden soll.

Foto: Uri Caine

Uri Caine entspannt am Klavier nach seinem Solo-Abend.
Foto: Jochen Viehoff

Außerdem gab Uri Caine, der sonst stets im Ensemble musiziert, in Kempen sein erstes abendfüllendes Solo-Piano-Konzert. Er bot hier einen gedankenreichen Vortrag voll farbiger Schattierung. In der hervorragenden Akustik der Klosterkirche wusste er die ganze Bandbreite des Klavierklanges in ernster, frei gespielter Klangerzählung auszunutzen. Ein dichtes Jazzkonzert kam den Kemperner Publikum so zu Ohren, mit zunächst nur vagen Anklängen an die klassische Musik, bis Caine wieder zu Mahler fand, diesmal insbesondere zu den "Liedern eines fahrenden Gesellen", die ihn intensiv beschäftigten.

Der wohl prominenteste Programmpunkt war das umjubelte Konzert der King'singers, jener Gruppe, die jeher überzeugt mit der Zusammenführung von E- und U-Musik. Die Sänger boten ein klassisches Programm im ersten Teil in gewohnter anspruchsvoller Ausführung. Mit unübertroffener stimmlicher Reinheit konnten sie das Publikum souverän begeistern. Im zweiten Teil brachten sie eine Mixtur an Liebesliedern aus Jazz und U-Musik, vorgetragen mit dem ihnen eigenen, unnachahmlichen Humor, von dem man nicht genug bekommen kann. Das begeisterte Publikum erklatschte sich vier Zugaben.

Die Weltmusik war in Kempen vertreten mit der Gruppe Sarband. Die fünf Musiker hatten ein auf den Titel "Begegnungen" angepasstes Programm mitgebracht. Im eindringlichen Vortrag präsentierten sie mittelalterliche Lieder der Sepharden, der spanischen Juden. Nach der Vetreibung aus Spanien lebte das Liedgut der Sepharden im Exil weiter und erlebte an den verschiedensten Orten eine fruchtbare Anverwandlung der Musik der Exilländer. Eine Auswahl dieser reichen Erträge von Begegnungen hatte Sarband mitgebracht, und es beeindruckte vor allem der tragende Gesang von Fadia El-Hage mit ihrem dunklen Timbre und einem faccettenreichen Klang. Konzentriert begleitet wurde die Sängerin von den Instrumentalisten, die sich in Improvisationskunst nach strengen Regeln der alten Musik profilierten.

Foto: Monica Huggett in Kempen Monica Hugget in der Pause ihres Konzertabends.
Foto: Jochen Viehoff

Zu all diesen Begegnungen gab es außerdem noch ein gemeinsames Konzert von Concerto Köln mit Monica Hugget, der englischen Meisterin auf der Barockvioline. Ein umfangreiches Programm wurde geboten: Konzerte von Evaristo Felice dall'Abaco und von Pietro Antonio Locatelli im Vortrag von Concerto Köln. Gemeinsam mit Hugget wurden die Violinkonzerte von Jean-Marie Leclair und von Francesco Durante gegeben.

Doch worin, so könnte man fragen, sollte die außergewöhnliche Begegnung mit Monica Hugget bestehen, die sich mit ihrer Kunst auf der Barockvioline zu dem auf alten Instrumenten spielenden Concerto Köln so trefflich zusammenfügt? Doch auch zu dieser Überraschung war das Festival gut, dass sich hier scheinbar Nächstes am wenigsten zusammenfügte. Die verschiedenen Spielweisen und die Ausrichtung in der Behandlung des Gleichen entsprachen sich nicht vollauf. Virtuos war das Spiel der Solistin zweifellos, es enthielt dabei wahnwitzig lange und kunstvolle Kadenzen, die die um sie stehenden Musiker von Concerto Köln sichtlich beeindruckten. Die Violinistin erwirkte dabei eine Tonsprache auf ihrem alten Instrument, die fordernd und nicht eben vorsichtig ist und so auch den herben durchaus widerständigen Klang auf den vielgestaltigen Darmseiten miteinbezieht. Die Artikulation und die strenge Ausführung des Notentextes mutete dabei allerdings fast etwas akademisch und reserviert an. Von der engagierten Begleitung des Orchesters blieb das Spiel dabei nahezu unberührt. Das gleichwohl interessante, höchst anspruchsvolle Konzert überzeugte so nicht ganz, denn vollkommen zueinander fand die Darbietung von Solistin und Orchester nicht.

Neue Erfahrungen und auch solcherart Überraschungen wurden also in Kempen im hohen Maße geboten und von einem regen Publikum begeistert aufgenommen. Das Konzept ging auf, die Begegnungen waren spannend, zeigten Möglichkeiten und Grenzen auf, waren dabei immer ertragreich, auch wenn sie in der Kürze der Zeit natürlich nur den Anfang einer fruchtbaren Zusammenarbeit bieten konnten. Ein solcher Anfang ist aber eben nicht gerade wenig, wie wertvoll ist eine in wenigen intensiven Tagen erreichte Offenheit zur Weiterentwicklung. Das ist mehr vielleicht als auf manch anderem Festival in der Eile mitgenommen werden kann.


Foto: Publikum in Kempen

Das Publikum beim täglichen Gespräch mit Künstlern
und Journalisten im Innenhof des Franziskanerklosters.

Die Resonanz auf das Experiment mit diesem Kempener Programm war groß, die Teilnahme des Publikums an den Begegnungen enorm. Die Konzerte waren stets ausverkauft. Das Franziskanerkloster als Veranstaltungsort erwies sich dabei als ideal zum Wandeln und Verweilen in angenehmer Atmosphäre im Kreuzgang und den umliegenden Museumsräumen und vor allem durch die ausgezeichnete Akustik im vollbesetztem Kirchenraum. Foto: Publikum in Kempen Die Gespräche mit Künstlern und Journalisten am Nachmittag sowie die öffentlichen Proben wurden rege besucht. Dem schlechten Wetter wurde getrotzt und tapfer auch der Innenhof des Klosters zu Veranstaltungen genutzt. Der sonntägliche Ausflug auf die verschiedenen Höfe im Umland konnte durch umsichtige Schlecht-Wetter-Organisation dann doch aufs Beste gelingen. Hier hatten die Teilnehmer die Qual der Wahl zwischen vier Ensemblekonzerten mit sorgsam zusammengestellten Programm.

Monica Hugget und Daniel Hope im Gespräch.

Ein feierliches Finale mit Buffet im Innenhof ließ das Festival ausklingen. Zum abschließenden zweiten Teil des Konzertes hatten sich fast alle beteiligten Musiker zur gemeinschaftlichen Improvisation noch einmal zusammengefunden. Ein Höhepunkt, der nicht ganz hielt, was er an Sensation versprach, zeigte sich doch etwas die Müdigkeit der Musiker am Ende eines arbeitsintensiven Festivals. So hielt man sich am grob vorher abgesprochenen Rahmen fest ohne weitere einfallsreiche Ausgestaltung. Doch das war mehr als verständlich, viel, fast zu viel hatte man sich da doch vorgenommen in den fünf Tagen. Das Publikum hingegen zeigte sich höchst lebendig und froh, alle Musiker zum Abschluss noch einmal versammelt zu sehen, sich mit begeistertem Applaus und Anteilnahme von allen zu verabschieden, dankend für die ereignisreichen Tage.
Für den Fortbestand des Festivals ist übrigens auch finanziell bereits gesorgt. So darf man gespannt sein auf die Begegnungen, die Concerto Köln Pfingsten 2003 in Kempen initiieren werden.





Links zumThema:

Homepage des Kempen Musik Festival:
www.KempenKlassik.de
Homepage von Concerto Köln beim Online Musik Magazin:
www.omm.de/Concerto-Koeln
Homepage von Daniel Hope:
www.DanielHope.com
Homepage von Uri Caine:
www.uricaine.com
Homepage der King'singers:
www.kingssingers.com und www.kingsingers.de
Homepage von Sarband:
www.sarband.de

Fotos (schwarz-weiß) von Jochen Viehoff
Mail: viehoff@khm.de

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