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Musikfest Bremen 2000

1. September bis 1. Oktober

Rezensionen

von Annette van Dyck
Zur Seite des Musikfestes
BBC Philharmonic unter HK Gruber: Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny von Weill und Brecht am 8. September in der Baumwollkämmerei-Halle in Bremen-Blumenthal Die Wiener Philharmoniker unter Zubin Mehta: 8. Sinfonie von Bruckner am 9. September in der Glocke in Bremen
Cellist Lynn Harrell und das Dallas Symphony Orchestra unter Andrew Litton am 14. September in der Bremer Glocke


AUSSERDEM: Radio Bremen 2, NDR 3 und DeutschlandRadio schicken die Auftritte großer Musiker und Musikerinnen auf dem Musikfest bundesweit über den Äther ab dem 17. September. Hier finden sie exklusiv alle Sendetermine.


Kurt Weill, Bertholt Brecht: Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny
(konzertant)

am Fr. 8. September, 20.00 Uhr in der BWK-Halle in Bremen-Blumenthal

BBC Philharmonic/ BBC Singers, HK Gruber (Dirigent)

Solisten:

Jimmy/ Tenor: Gabriel Sadé
Trinity Moses/ Bariton: Frederick Burchinal
Begbick/ Mezzosopran: Kathryn Harries
Jenny/ Sopran: Marie McLaughlin
Fatty/ Tenor: Robert Wörle
Jakob Schmidt - Tobby Higgins/ Tenor: Nils Olsson
Bill/ Bariton: Kay Stiefermann
Joe/ Bass: Markus Marquardt


"...woran man sich halten kann"? An ein starkes Stück Musik stimmig interpretiert

DRUMRUM

Man braucht fast eine Stunde von Bremen bis nach Blumenthal, doch dank der sinnfälligen Ausschilderung war die ominöse Lagerhalle der Baumwollkämmerei leicht zu finden. Uns erwartete schon ein großes Team von Parkeinweisern, Erfrischungsstandbetreuerinnen, Platzeinweiserinnen und sonstigen netten Leuten, die alle Fragen beantworteten. Die aufgestellten Stühle waren bequem, die Notausgänge vorschriftsmäßig beleuchtet und die Halle den Umständen entsprechend gut beheizt. - Warum dies alles so lobend erwähnt wird? Nun, die sogenannte BWK-Halle ist eine veritable, zumindest teilweise noch industriell genutzte Lagerhalle der Bremer Wollkämmerei auf einem weitläufigen und normalerweise durch Pförtner und Schranken abgeschlossenen Hafengelände. Die Schafwollballen, die dort verladen werden, lehnten ringsum an den Wänden, stützten die Lautsprecheranlage und verbreiteten einen kräftigen Lanolin-Geruch. Er legte während des Konzertes Gedanken nahe an den Aufstieg und Fall der Bremer Wollverarbeitung und anderer regionaler Industrie... - wie ist doch die Welt sich selbst so ähnlich.

ZWISCHEN DEN STÜHLEN

Nein, nein, ich sagte doch, wir saßen weich, jeder auf seinem Platz. Doch Menschen, die ihren Ort wechseln, die vom 'ernsten' ins 'leichte' Fach, vom einen zum anderen Kontinent streben, war es hier nie bequem, und sie lassen sich dort auch nicht unbesehen in die Polster fallen. Komponist Kurt Weill und Texter Bert Brecht waren zwar 1928 in Berlin erfolgreich gewesen mit der Dreigroschenoper, doch die Uraufführung der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahgonny 1930 in Leipzig fiel in dem politischen Klima der dreissiger Jahre heftig durch und verschwand nach 1931 von den Spielplänen. Kurt Weill übersiedelte 1935 in die USA, wo sich 1941 auch Bert Brecht einfand. Weill schrieb von nun an meist für das breitere Publikum, wobei er seine stilistische Verankerung in der sogenannten klassischen Moderne nicht einmal in einem zum Standard avancierten Lied wie Speak Low, When You Speak Love ganz verleugnen kann.

Obwohl Weill sich auch in Mahagonny nicht gerade an Konventionen anpaßt, entspricht diese Art Musiktheater musikalisch wesentlich eher dem, was man von einer 'richtigen' Oper erwartet als die Dreigroschenoper: im Prinzip wird durchgehend gesungen, es gibt 'große' Partien für Heldentenor und Koloratursopran, Arien und Rezitiative, es begleitet ein großes Orchester, und man braucht einen ordentlich arbeitenden Dirigenten. Die Handlung allerdings kommt mit der Unterstützung vieler musikalischer Mittel - vor allem der Stilparodie - beißend satirisch daher: drei zweilichtige Gestalten gründen eine Stadt, um Goldsucher um ihr Geld zu bringen. Dort gelten auch nur die Regeln des Geldes: Liebe, Recht und Ordnung sind käuflich; wer kein Geld hat, wird hingerichtet. An diesen 'Grundsätzen' scheitert auch das Liebespaar der Geschichte, Jimmy und Jenny. Die Gesellschaft von Mahagonny ist nur zu beeindrucken von Untergangsvisionen, etwa der Bedrohung durch einen Hurrikan, und der Langeweile. Und wenn Gott selbst käme, die "Männer von Mahagonny" weigern sich einfach, ihm Folge zu leisten. Alles endet in einer großen Demonstration, die Weill mit einem dramatischen Beerdigungsmarsch vertonte. Doch wir hörten auch Anklänge an den Freischütz, an die Musik der Comedian Harmonists, an Heurigen-Musik à la 'Der dritte Mann', aber eben auch Fugatotechniken, Koloraturen, die typischen Songs ("Wie man sich bettet, so liegt man"), schlager- und bluesartige Nummern ("Alabama", "Let's go to Benares").

WO MAN SO SINGT, DA LASS DICH RUHIG NIEDER...

Marie McLaughlin - 6513 BytesIrgendwie fing es etwas verhalten an: mag sein, dass die ungewohnte Umgebung (es zog auch etwas) oder der Geruch irritierte, mag sein, dass die Aussteuerung sich erst auf die Anwesenheit des Publikums einstellen mußte. Sadés Tenor (Jimmy) schien sich zunächst kaum gegen das Orchester durchsetzen zu können, das kontinuierlich dynamisch eher kräftig intonierte. Auch schienen mir zunächst die Registerbrüche bei 'Begbick' Kathryn Harris (eingesprungen für Reinhild Runkel) ein wenig sehr hart - war das wirklich beabsichtigt? Und die Stimmen von Robert Wörle (Fatty) und Frederick Burchinal (Trinity Moses) - ein klarer, oboenhafter Tenor und ein basslastiger, sonorer Bariton - harmonierten eigentlich nicht sonderlich gut miteinander. - Aber - ich weiß nicht wie und wann - nach einigen Nummern, vielleicht als das Quartett der Goldsucher aus Alaska auftrat, vielleicht nach den gekonnten Koloraturen von Marie McLaughlin (Jenny), bekam alles mehr Schwung.

HK Gruber - 12197 BytesVielleicht lag es auch am konzentrierten Publikum: das Stück begann zu leben, die Solisten schauspielten trotz der Enge einer konzertanten Aufführung miteinander, im Orchester fanden sich die Gruppen, um mit der jeweils typischen Farbe die Nummern zu untermalen. Letzteres gelang dank des sorgfältigen und disziplinierten Dirigats von Gruber im zweiten Teil so gut, dass mit den stetigen Klangfarbenwechseln ein eigener Spannungsbogen erzeugt wurde. Er fand auch den ihm gebührenden Höhepunkt in diesem beängstigenden Schlussmarsch, für den Gruber seine Musiker zu einer Symphonie der Verzweiflung beschwor.

Gabriel Sadé- 13318 BytesEntschuldigen sie das Pathos, aber so fühlte es sich an. - Zu diesem Zeitpunkt war die bis zuletzt im Sodom von Mahagonny Trost spendende Stimme des Gabriel Sadé (Jimmy) leider längst verstummt, da der Goldsucher im dritten Akt wegen Geldmangel hingerichtet wird. Die moralisch nicht gerade waschechte Figur des Jimmy bildet aber musikalisch den Sympathieträger: in dieser Aufführung wurde eine große Heldentenorpartie großartig, kultiviert, mit warmem, vollen Timbre von Gabriel Sadé intoniert. Mitreißend!

FAZIT

Na klar: was fehlte, war die Bühneninszenierung. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Da hilft kein konzertanter Liebesszenenkuss und nichts. Wir wollen Mahagonny on stage!

Aber ansonsten - so war sich das Publikum einig - war das Ganze einfach große Klasse und ein Leuchtturm in den unendlich geschehnislosen Weiten des Konzertsaales.

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Zubin Mehta dirigiert die Wiener Philharmoniker

am So. 9. September, 20.00 Uhr in der Glocke in Bremen

Programm:

Anton Bruckner, 8, Sinfonie c-Moll


Lebenserfahrene Leidenschaft. Die Wiener, Mehta und Bruckner

GENDER STUDIES oder FRAUEN UND WIENER

Es ist ja bekannt, dass beim Aufmarsch dieses Orchesters höchstens über ein einziges Kleid, nämlich das der Harfenistin, gelästert werden kann, weil die Wiener Philharmoniker meinen, Frauen gehörten ansonsten nicht in ihre Reihen. Sollte ich mich als Frau nun weigern, die Wiener Philharmoniker zu rezensieren? Das ist vielleicht ein lästiges Problem. Schön wäre es, wenn frau sich die Frage gar nicht stellen müßte. Aber Männer finden es auch auffallend, wenn es um Frauenorchester geht (dazu gibt es einen ganzen Forschungszweig): warum also sollte ich darüber hinweg gehen, als ob eine große gleichgeschlechtliche Ansammlung von professionell musizierenden Menschen selbstverständlich wäre? Ist es nicht! Die Wiener sind eine der letzten prominenten staatlich geförderten Männerbastionen der westlichen "Zipfilisation" (Mark Twain), und dafür gibt es keinen objektiven Grund. Immerhin tröstet mich, dass auch die allermeisten männlichen Musiker es äußerst schwer haben dürften, in den erlauchten Kreis der Wiener Philharmoniker aufgenommen zu werden - außer der perfekten Beherrschung eines Instrumentes (das wollen wir nun doch mal voraussetzen) scheinen auch familiäre Bande im Orchester nicht gerade zum Nachteil zu gereichen (siehe Liste der Orchestermusiker und der Mitglieder im Ruhestand). Also.

Und selbstverständlich folgt jetzt eine Rezension, schließlich gehören die Wiener Philharmoniker zu den besten Orchestern der westlichen Welt und Zubin Mehta zu ihren besten Dirigenten, und man sollte niemanden seines Geschlechtes wegen diskriminieren. Also.

BRUCKNER UND DIE WIENER

Anton Bruckner - 15066 BytesEin zwiespältiges Verhältnis verband Bruckner mit der Stadt Wien, wirkte dort doch der einflußreiche Musikkritiker und -ästhetiker Eduard Hanslick, der Bruckners Musik regelmäßig verriss - darin war sich Hanslick zudem einig mit Johannes Brahms. Andererseits konnte Bruckner mit der Aufführung der siebten Sinfonie einigen Erfolg für sich verbuchen, und auch die achte Sinfonie besaß in Hugo Wolf einen zuverlässigen Fürsprecher. Doch die Arbeiten, die Revision der Partitur und die Vorbereitungen für die Premiere dauerten von 1884 bis 1891. Die Uraufführung der 2. Fassung fand schließlich nach diversen Planungsansätzen in Wien statt mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Hans Richter und wurde bejubelt - von den falschen Leuten, wie Hanslick meinte.

Tja, wir hätten uns mit Hanslick wahrscheinlich auch nicht angefreundet, denn wir konnten uns ebenfalls für Bruckner und die Wiener Philharmoniker begeistern. Deren Streicher schufen für Bruckner einen kräftigen, warmen Klang, der gerade in den Unisono-Passagen des ersten Satzes gut zur Geltung kam. Zügig und souverän flexibel gestaltete Mehta auswendig dirigierend das Tempo. Prompt und weich reagierte jeder einzelne Musiker auf den kleinsten Wink. Man glaubt es den im Durchschnitt nicht mehr allzu jungen Männern, wenn sie Bruckners Monumentalstil mit seinen raumfassenden Linien, großen dynamischen Entwicklungen und harten subito piano-Schnitten mit Leidenschaft interpretieren. Die Intensität der Darbietung verursachte beim Publikum jedenfalls gespannte Atemlosigkeit.

Mit dem zweiten schnelleren Satz - es geht ja immer eher moderat zu bei Bruckner - schlägt der österreichische Komponist schon einen Weg aus der Spätromantik heraus vor. Die glockengeläutartigen metrischen Verschiebungen lassen an Strawinsky denken, während Bruckners Konzentration auf prägnante kurze Dreiklangsmotive, die ständig wiederholt werden, heutzutage zu den Mitteln der Minimal Music gehört. Auch die dialogischen Satztechniken im Trio fanden im 20. Jahrhundert neue Würdigung z. B. bei Komponisten wie Béla Bartók. Im Scherzo durften auch endlich die Bläser glänzen - u. a. mit perfekten Einsätzen. Sie hatten im ersten Satz eher im Hintergrund agiert.

Die Bläser, vor allem die geplagten Hörner, prägten dann mit choralhaften Passagen und langen Melodiebögen auch das feierliche Adagio. Die Streicher dagegen durften jetzt typisch philharmonisch glitzern und setzten sich damit wiederum gegen die Bläser durch - vielleicht etwas zu deutlich dominant. Letzteres galt auch für das Finale, in dem alle Themen und musikalischen Mittel noch einmal zusammengefasst und zu einer Apotheose geführt werden. Das ist schon reinste Männermusik, und für meine Ohren geht Bruckner einen Tick zu weit: es klingt bombastisch, gewalttätig und orgastisch, aber die Wiener Philharmoniker spielen es fantastisch.

FAZIT

Zubin Mehta - 5157 BytesEs ist eine Freude, ein so gutes Orchester zu erleben. Es ist nicht einmal die technische Perfektion, ein paar (minimale) Ausrutscher macht die Wiener eher sympathisch. Es ist das konzentrierte Engagement jedes einzelnen Musikers, die Aufmerksamkeit und ihr glaubhafter Ehrgeiz, dem Publikum eine gute Aufführung zu bieten, was besticht.

Zubin Mehta ist den Wienern dabei der kongeniale Partner. Er stößt nur an, weist nur noch einmal hin, leitet aber zuverlässig durch jede Schwierigkeit und hält Disziplin in den Tempowechseln.

Männer und Frauen hin oder her - aus so einem Konzert kommt ein Publikum nur hochzufrieden und begeistert heraus, bereut keine Mark für die Karte und erzählt noch den Enkeln davon.

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Cellist Lynn Harrell und das Dallas Symphony Orchestra unter Andrew Litton am 14. September in der Bremer Glocke

Ein charaktervoller Dvorak, ein braver Copland

DVORAK UND COPLAND UND IHRE MUSIK

Die beiden Komponisten haben auf den ersten Blick wahrhaftig nicht viel gemeinsam: Als Antonin Dvorak, ein Kind des europäischen 19. Jahrhunderts stirbt, spielt der vierjährige Aaron Copland wahrscheinlich gerade auf den Straßen Brooklyns auf der anderen Seite des Atlantik. Dvoraks Musik versammelt das typische künstlerische Repertoire der Hochromantik, Copland dagegen verwendet einen großen Orchesterapparat mit alleine sieben Schlagzeugern, ungewöhnliche, unregelmäßige Rythmen, langgezogene "hymnische" Melodiebögen, und er arbeitet allenfalls sehr frei nach den Regeln traditioneller Harmonik.

HB-2000aaron_copland.jpg - 12820 BytesHB-2000antonin_dvorak.jpg - 15860 Bytes Einige Verknüpfungspunkte drängen sich aber doch auf: Dvorak hielt sich von 1893 bis 1895 in New York auf, Copland studierte 1921 bis 1925 in Paris, seine dritte Sinfonie wurde ein Jahr nach ihrer Fertigstellung in Prag aufgeführt. Beide gelten als die Nationalkomponisten ihres Landes; doch gerade im Cellokonzert Dvoraks und in Coplands dritter Sinfonie tritt dieses Attribut eher in den Hintergrund. Copland zumindest behauptet, er habe bei dieser Komposition ausschließlich "absolute Musik" zum Ziel gehabt. Dvorak wiederum schrieb das Cellokonzert in Amerika, angeregt von der Aufführung eines Cellokonzertes von Victor Herbert in Brooklyn. Und schließlich spielen in die Entstehungsgeschichten beider Stücke jeweils persönliche Umstände hinein, die die Komponisten musikalisch in die Partituren eingeflochten haben: Dvorak baut die Lieblingsmelodie seiner ihm sehr verbundenen, schwer kranken Schwägerin in den Mittelsatz ein, Copland läßt im Finale der dritten Sinfonie eine seiner bekanntesten Kompositionen Fanfare of The Common Man anklingen.

DAS KONZERT

HB-2000lynn_harrell.jpg - 5940 BytesIch weiß nicht, welches seiner Instrumente Lynn Harrell spielte, ob es das 1673 Jacqueline du Pre Stradivari-, das 1720 Montagnana-Cello oder noch ein anderes war, aber das Instrument hatte einen kräftigen, sehr direkten obertonreichen Klang, fast wie eine Viola da Gamba. Harrell bevorzugt einen eher rauhen, manchmal stark gerissenen Strich, setzt aber die leisen Töne sehr kultiviert und weich an. Seine Interpretation des Dvorak-Konzertes wirkt unspektakulär, aber sehr selbstbewußt, sicher und bis in die Einzeltöne differenziert. Harrell bleibt zu jeder Zeit souverän in Tempo und Zusammenspiel, nimmt sich gleichwohl die Freiheit eines Rubato, Accelerando oder Ritardando. Seine Technik kommt tatsächlich mit einer Leichtigkeit daher, dass man den Eindruck hat, der seit wohl 50 Jahren aktive Cellist habe sich erst im dritten Satz so richtig warm gespielt. In der Zugabe, einer Nocturne von Chopin, zeigte sich Harrell vor allem von seiner zarten "Saite" und erfreute uns in dem ornamentalen Stück mit sanft klingenden Tönen und Linien.

HB-2000andrew_lytton.jpg - 3099 Bytes Das Dallas Symphony Orchestra war dem Cellisten ein loyaler, zurückhaltender Partner. Präzision im Zusammenspiel mit dem Solisten zeichnete alle Musiker und Musikerinnen aus, die Bläser zeigten sich besonders sensibel in der dynamischen Gestaltung. Andrew Lytton ließ keine Mühe erkennen, Solisten und Orchester zu vereinigen - jedoch war die Rollenverteilung natürlich eindeutig: das Orchester hatte nur den Begleitpart zu einem Virtuosenkonzert zu spielen. Umso neugieriger waren wir auf den zweiten Teil des Konzertes, in dem nun Dirigent und Orchester in der Copland-Sinfonie glänzen konnten.

Tja, das Stück von Copland, 1946 uraufgeführt, wird wohl (außer der Tatsache, dass es Donnerstag war) dafür verantwortlich gewesen sein, dass die Glocke zu höchstens 60 bis 70 % besetzt war. Moderne Musik klingt den meisten Ohren immer noch fremd, vor allem in Europa, dessen Musiktradition aus dem 18. und 19. Jahrhundert allüberall unsere Klangwelten beherrscht - oder haben sie schon mal einen gewöhnlichen Popsong mit Sextenharmonik gehört? - Tja. -

Das texanische Orchester hatte für die Sinfonie eine zahlenmäßig große Besetzung aufzubieten, dementsprechend kraftvolle Crescendi erfüllten die Glocke. Die hymnischen Linien und eine bestimmte Art der Melodiebildung im ersten Satz der Sinfonie lassen sehr an Hindemith-Kompositionen aus der gleichen Zeit denken (oder klingt Hindemith, der ja 1940 bis 1947 in Nordamerika weilte, wie Copland?). Für den 2. Satz lehnte sich Copland ein wenig an Gershwinsche Techniken an, hier beeindruckten die Bläser durch saubere prägnante Einsätze. Ein wenig "brav", fast zu genau klingen die versetzten Rythmen. Litton dirigiert sehr "gerade", als wenn er das Orchester ständig zügeln müsse, sogar in einem Accelerando - das scheint ein bisschen zu unflexibel. Im Andantino-Satz, der im Stil von Appalachian Spring, mit zartem Streicherklang beginnt, hört sich diese Art der Interpretation direkt abgezirkelt an. Dafür allerdings "wackelt" es an keiner Stelle im großen Finale, das es für alle Beteiligten wahrhaftig in sich hat.

FAZIT

Keine Frage, das Dallas Symphony Orchestra hat einen außerordentlich einheitlichen Klang, die Geigen klingen wie eine einzige, Tempo und Phrasierung wirken sicher, die Musiker boten eine saubere Leistung! Doch irgendwie fehlte ein Kick von nach außen getragenem Engagement, irgendwie schien die Musik sozusagen abgespielt. Kurz: der Funke sprang nicht über, auch nicht in der Zugabe, einem Orchesterstück von Sergei Rachmaninow. Mir schien es vor allem daran zu liegen, dass der amerikanische Dirigent das amerikanische Orchester beim Copland leitete wie ein europäischer Dirigent die Sinfonie mit einem europäischen Orchester vor circa zwanzig Jahren interpretiert hätte: zu abgezählt, zu genau, einfach mit zu wenig "Feeling"... - Oder lag's daran, dass ich mir die Texaner nach den Wienern angehört habe...?

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