Bayreuther Festspiele (II) 5. August 2000
3. Aufzug Während Gottfried den Schwan im Mondlicht nach vorne trägt, nimmt Lohengrin Abschied von Elsa. Foto: © Bayreuther Festspiele GmbH
Über der Wiederaufnahme der letztjährigen Neuproduktion des Lohengrin stand kein guter Stern. Roland Wagenführer, der in der Premiere die Titelpartie wohl gerade noch bewältigen konnte, fiel wegen starker Indisposition für die folgenden Aufführungen aus. So kam es schon in der zweiten Vorstellung dazu, dass Roland Wagenführer den Lohengrin auf der Bühne spielte während Robert Dean Smith von der Seite aus die Partie sang. Da er am Abend zuvor schon den Stolzing in den Meistersingern gesungen hatte, waren seine Ermüdungserscheinungen gegen Ende der Partie nur allzu verständlich. Für weitere Aufführungen des Lohengrin sprang dann kurzfristig der finnische Tenor Raimo Sirkiä ein, um die musikalische Qualität der sechs Meistersinger- und sieben Lohengrin-Aufführungen so hoch als nur möglich zu halten.
Die Inszenierung von Keith Warner verlor durch diese personellen Konstellationen natürlich an Spannung und Überzeugungskraft, was diese Inszenierung eigentlich in dem eindrucksvollen Bühnenbild von Stefanos Lazaridis, die Kostüme von Sue Blane und vor allem durch die phantastische Lichtgestaltung von Manfred Voss auszeichnet.
Leider wirkte sich nicht nur diese szenisch-musikalische Notlösung mit zwei Lohengrinen auf die musikalische Qualität der Aufführung aus. Neben einigen instrumentalen Unpässlichkeiten war vor allem die Synchronität zwischen Graben und Bühne oft gefährdet. Trotz allem gelang Antonio Pappano eine durchaus zwingende musikalische Interpretation, die vor allem von der Klangpracht der erstmals von Eberhard Friedrich einstudierten Chöre gewährleistet wurde. Bisher Assistent von Norbert Balatsch, übernahm Friedrich in diesem Jahr die alleinige Verantwortung für das Chorleben auf dem Hügel. Sein Einstand mit Lohengrin, Parsifal und den Meistersingern ist jedenfalls glänzend gelungen.
Wiederum bezaubernd und für sich einnehmend präsentierte sich Melanie Diener mit ihrer schlanken und wohlklingenden Stimme als Elsa. Auch der Heerrufer von Roman Trekel demonstrierte erneut seine großen stimmlichen Vorzüge. Zu Jean-Philippe Lafont als Telramund gesellte sich in diesem Jahr erstmals Linda Watson als Ortrud, die diese Partie weniger stimmgewaltig als ihre "Vorgängerin" Gabriele Schnaut, dafür aber feinsinniger und "hinterhältiger" gestaltete. Auch Eric Halfvarson mit seiner gewaltigen Bassstimme war als König Heinrich zum ersten Mal in dieser Produktion zu hören.
Trotz aller Widrigkeiten bewährte sich dieser Lohengrin als attraktive und spannungsvolle Produktion, die auch in den nächsten Jahren nichts an ihrem Reiz verlieren dürfte.
Bayreuther Festspiele (IV) 18. August 2000
3. Aufzug Parsifal erlöst Amfortas, die gesamte Ritterschaft und das Publikum. Foto: © Bayreuther Festspiele GmbH
Für den wohl größten Flop in der jüngeren Geschichte der Bayreuther Festspiele sorgte der Dirigent Christoph Eschenbach, der erstmals in den Graben des Festspielorchesters stieg und dort so ziemlich alles ruinierte, was man sich nur vorstellen kann. Mit seinen oft völlig zerdehnten und musikalisch aberwitzigen Akkordfortschreitungen brachte er nicht nur das Festspielorchester schier zur Verzweiflung, sondern marterte auch die Sänger und Zuhörer. Da bei der völlig dimensionslosen "Klangtraumdeuterei" Eschenbachs vor allem die Partie des Gurnemanz leiden musste, kann man die Reaktion von Hans Sotin, den bis dato dienstältesten Bayreuther Festspielsolisten, verstehen, der - bedauerlicherweise (erst) einen Tag vor der Premiere - seine Sachen packte und den Hügel verließ.
Matthias Hölle, der nun kurzfristig die Partie des Gurnemanz übernahm, tat sich damit zwar keinen Gefallen, aber er rettete zumindest die vier angesetzten Parsifal-Aufführungen. Die übrigen Solisten quälten sich ebenfalls über die Stunden und fast wäre es Eschenbach sogar gelungen, die von Eberhard Friedrich vorzüglich einstudierten Chöre aus dem Takt zu bringen, aber dafür waren sie dann doch einfach zu musikalisch und zu sicher.
Neben Poul Elming (Parsifal), Hartmut Welker (Klingsor) und Alfred Reiter (Titurel) konnten sich Andreas Schmidt (Amfortas) und Violeta Urmana (Kundry) dank ihrer herrlichen, völlig intakten und wohltönenden Stimmen besonders profilieren.
Durch das katastrophale Dirigat von Christoph Eschenbach geriet auch die Inszenierung von Wolfgang Wagner (Regie und Bühnenbild) fast zur Farce, da die Sänger niemals miteinander korrespondieren konnten, sondern ständig nur zum Dirigenten schauen mussten, um irgendwie mitzubekommen, wann sie weitersingen durften. Unglaublich!
Bayreuther Festspiele (V) 19. August 2000
3. Aufzug Beckmesser entdeckt das Preislied Walthers und wirft Sachs unlauteren Wettbewerb vor. Foto: © Bayreuther Festspiele GmbH
Die Protagonisten in Wolfgang Wagners Inszenierung (und Bühnenbild; Kostüme - Jorge Jara; Tanzgestaltung der Festwiese - Iván Markó) sind im großen und ganzen die gleichen geblieben. Positiv aufgefallen sind dabei Robert Holl, der den Sachs dieses Jahr - trotz fehlender charismatischer Ausstrahlung - bis zum Schlussmonolog auf der Festwiese gut gestaltete, Michelle Breedt als "neue", propere Magdalene, Kwangchul Youn als "kauziger" Nachtwächter und auch Robert Dean Smith als Stolzing, der trotz seiner Zusatzbelastung durch das Einspringen als Lohengrin, seine leichtgeführte und klangschöne Stimme bis zum Preislied auf der Festwiese in vollem Glanze erstrahlen lassen konnte. Neben Emily Magee als Eva und Endrik Wottrich als David gefielen auch Eric Halvarson (Veit Pogner) und die wahrhaftigen "Meistersinger" Bernhard Schneider (Vogelsang Kunz), Roman Trekel (Konrad Nachtigall), Hans-Joachim Ketelsen (Fritz Kothner), Torsten Kerl (Balthasar Zorn), Peter Maus (Ulrich Eisslinger), Arnold Bezuyen (Augustin Moser), Sándor Sólyom-Nagy (Hermann Ortel), Alfred Reiter (Hans Schwarz) und Jyrki Korhonen (Hans Foltz). Als eine Klasse für sich erwies sich wiederum, Dank seiner technisch perfekten, ausdrucksstarken und herrlich dahinströmenden Stimme, Andreas Schmidt als Beckmesser. Das ungetrübte, klangprächtige Fest, für das Christian Thielemann schon mit dem Festspielorchester sorgte, wurde durch die von Eberhard Friedrich vorzüglich einstudierten Chöre noch gekrönt. Es war ein großer Lichtblick der diesjährigen durch viele Ereignisse stark gebeutelten Festspiele.
Weitere Rezensionen von den Bayreuther Festspielen 2000. Programm Besetzungen