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Karlsruhe: 22. Händel-Festspiele

22. Händel-Festspiele
in Karlsruhe 1999

Von Gerhard Menzel / Aufführungsfotos von Bettina Strauß

Einen Schwerpunkt der 22. Händel-Festspiele am Badischen Staatstheater 1999 bildete das Oratorienschaffen von Georg Friedrich Händel. Daher wählte man auch als Eröffnungspremiere Händels Oratorium Saul, und zwar in einer Bearbeitung und szenischen Realisation von Michael Hampe.

Karlsruhe: Der Triumph der Ehre Einen weiteren Akzent erhielten die Festspiele durch die Produktion von Alessandro Scarlattis Oper Il trionfo dell'onore / Der Triumph der Ehre. Scarlatti, der als einer der Lehrer Händels dessen Opernschaffen in nicht geringem Maße beeinflußt hat, war auch in Händels Geburtstagsfrühschoppen mit je zwei Instrumentalstücken und Kantaten vertreten. Dadurch wurde er auch einem grösseren Publikum als vorzüglicher Musiker und Komponist vorgestellt. Die grosse "Entdeckung" dieses - sowohl durch musikalische, wie auch leibliche Genüsse ergötzenden - Frühschoppens war die Sopranistin Christina Presutti, die mit ihrer klangschönen, durch alle Register hindurch ausgeglichenen Stimme für sich einnahm. Vorbildlich kammermusikalisch begleitet wurde sie durch das von dem Blockflötisten Michael Form gegründete ENSEMBLE AFFETTI MUSICALI, während das ENSEMBLE BERLIN BAROQUE zu Beginn und am Ende der Veranstaltung für festlich orchestralen Glanz sorgte.

Ein weiteres, weitgehend unbekanntes Oratorium von Händel, Il trionfo del tempo e della verita, führen die Deutschen Händel-Solisten und die Junge Kantorei, geleitet von Joachim Carlos Martini auf. Im Mittelpunkt des Werkes stehen vier allegorische Gestalten, die sich über den Sinn des menschlichen Lebens streiten. Diese zweite, für London stark veränderte Fassung seines ersten, in Rom entstandenen Oratoriums, lebt dabei vor allem von den vier Protagonisten. Diese waren mit den beiden unterschiedlich timbrierten Sopranistinnen Claron McFadden (La Bellezza) und Elisabeth Scholl (Il Piacere) und den ebenfalls stimmlich gut voneinander unterscheidbaren Alti David Cordier (Il Disinganno) und Kai Wessel (Il Tempo) hervorragend besetzt. Die durch das Dirigat von Joachim Carlos Martini allerdings nicht gerade temperamentvoll gestaltete Interpretation, liess den Abend doch ganz schön lang werden. Das Publikum war - trotz einiger Einschränkungen - vor allem von den Solisten hellauf begeistert.

Als drittes Oratorium stand Händels Judas Maccabaeus HWV 63 nach dem Libretto von Thomas Morell auf dem Programm. Holger Speck, der nicht nur als engagierter Sänger, sondern auch als erfolgreicher Chorleiter von sich reden macht, leitete das Ensemble aperto und den von ihm gegründeten Vocalensemble Rastatt mit Engagement und beherzten Schwung. Die leichtgewichtigen Stimmen der Solistinnen Siri Thornhill (Sopran), Sandra Römer (Sopran), Kathrin Koch (Mezzosopran), als auch Markus Brutscher (Tenor), Ekkehard Abele (Bass) und der kurzfristig eingesprunge Markus Forster (Altus), fügten sich dabei gut in das angestrebte Klangbild ein. Ob sich der Mitschnitt dieses Konzertes jedoch für die geplante CD-Produktion eignet, wird sich noch herausstellen müssen.

Karlsruhe: Rodelinda Ausser der fast sensationellen Aufführung von Scarlattis Il trionfo dell'onore / Der Triumph der Ehre gab es aus dem Gebiet der Oper die erfolgreiche Wiederaufnahme der im letzten Jahr gefeierten Neuproduktion von Händels Rodelinda, Regina de' Langobardi", wiederum unter der Leiung von Trevor Pinnock, mit denselben Solisten und dem - dieses Jahr scheinbar etwas "gezähmten" - Freiburger Barockorchester.

Neben den 22. Händel-Festspielen fand vom 22. Februar bis 5. März die 14. Internationale Händel-Akademie mit Instrumentalkursen, einer Orchester-Akademie und einem wissenschaftlichen Symposium statt. Während sechs namhafte Barockspezialisten - Phoebe Carrai (Barock-Violoncello), Kenneth Gilbert (Cembalo), Barthold Kuijken (Traversflöte), Barbara Schlick (Barock-Gesang), Martin Stadler (Barock-Oboe) und Anton Steck (Barock-Violine) - Einblicke in die zeitgenössische Musizierpraxis und das entsprechende Gedankengut gaben, wurde parallel dazu in der Orchester-Akademie das Musizieren im Barock-Orchester praktiziert. Zu deren Programm gehörten ausser Händels "Aci, Galatea e Polifemo", die Serenata à tre HWV 72 sowie einige Concerti grossi. Die erarbeiteten Werke wurden dann am Ende der Akademie in zwei Abschlußkonzerten präsentiert.

Das musikwisssenschaftliche Symposium stand unter dem Thema "Händel in Neapel" - Seine Serenata "Aci, Galatea e Polifemo von 1708". Die Konzentration des Symposiums auf ein einziges Werk, das ausserdem als Arbeitsgrundlage der Händel-Akademie diente, wurde dabei als ein neues Konzept dieser Veranstaltung herausgestellt. Schade nur, dass das Früchte dieser praktischen Erarbeitung nicht in zeitlich unmittelbarer Nachbarschaft zum Symposium begutachtet werden konnten. Es wäre schön, wenn das in Zukunft noch terminell möglich gemacht werden könnte.

Die Gesprächsleitung des Syposiums hatte Prof. Dr. Siegfried Schmalzriedt (Karlsruhe), der auch in das Thema einführte. Mit "Händel in Neapel" legte Dr. Juliane Riepe (Rom) viele neue Erkenntnisse zum Leben Händels vor. Aus ihren umfangreichen Quellenstudien geht hervor, dass vieles, was in zahlreichen Publikationen verbreitet wird, doch unsicherer ist, als dort dargestellt ist.
Prof. Dr. Hermann Jung (Heidelberg-Mannheim) führte dann in das Zentralwerk des Symposiums ein: "Vom antiken Mythos zum musikalischen Topos. Zur Gattungs-Genese von Händels Serenata 'Aci, Galatea e Polifemo' und ihren Wandlungen der Londoner Jahre". "Rhetorische Elemente in Händels Serenata 'Aci, Galatea e Polifemo'" wurden anschliessend von Prof. Dr. Hartmut Krones (Wien) herausgestellt und in deren zeitlichem Umfeld betrachtet. Anhand von Beispielen aus dem Autograph zeigte dann Prof. Dr. Dieter Gutknecht (Köln) "Aufführungspraktische Aspekte von Händels Serenata 'Aci, Galatea e Polifemo'" auf. Am Ende der Vortragsreihe stellte Prof. Dr. Wolfgang Ruf (Halle/Saale) "Die Terzette in Händels Serenata 'Aci, Galatea e Polifemo'" vor und wies auf deren Besonderheiten bzw. Unterschiede hin.
Die Konzentration auf ein Werk erwies sich in diesem Fall als eine Gute Konzeption, der nur das unmittelbare Hörerlebnis einer Aufführung im Anschluss an das Symposium fehlte. Es wäre schön, wenn sich das in Zukunft so einrichten lassen würde.

Fazit: Nach einem verpazten Auftakt (Saul) gab es doch noch reichlich festpielreife Veranstaltungen. Die Höhepunkte bildeten dabei eindeutig die Opern von Scarlatti (Il trionfo dell'onore / Der Triumph der Ehre) und Händel (Rodelinda, Regina de' Langobardi).



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