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20. Händel-Festspiele in Karlsruhe

Den 12. Händel-Festspielen des letzten Jahres folgten in diesem Jahr die 20. Händel-Festspiele. Wie das? Um den 13. Festspielen entgehen zu können? Nein! Mit dieser Zählung soll dem am Ende der Spielzeit als Generalintendant scheidenden Günter Könemann eine Referenz erwiesen werden, die dieser im Laufe seiner sehr engagierten und erfolgreichen Amtszeit am Badischen Staatstheater Karlsruhe mit allen Ehren verdient hat. Schliesslich war er es, der 1978 die ersten Händel-Tage in Karlsruhe ins Leben gerufen hat. Insgesamt sieben Jahre lang fanden unter dieser Bezeichnug - neben zahlreichen anderen Veranstaltungen - jeweils eine Oper Händels den Weg auf die Opernbühne (Übersicht). Diese erfolgreiche Einrichtung wurde 1985 - dem Jahr des 300. Geburtstages Händels und zugleich dem europäischen Jahr der Musik - durch den Beschluss des Verwaltungsrates des Badischen Staatstheaters Karlsruhe in den Rang von Händel-Festspielen erhoben. Seitdem fanden bis 1996 zwölf Händel-Festspiele in Karlsruhe statt, das als dritte deutsche Traditionsstätte der Händelpflege (neben Halle und Göttingen) sich vor allem dessen Opernschaffen widmet. Um die kontinuirliche Händel-Pflege in Karlsruhe zu dokumentieren und damit zu einer Einheit zu fassen (nicht zu vergessen die Gründung der Internationalen Händel-Akademie), entschloss man sich zu diesem Zahlensprung. Also: die 20. Händel-Festspiele in Karlsruhe. Gratulation!

Eröffnet wurden die Festspiele mit der Neuproduktion von Agrippina. Da für den Regisseur Michael Hampe diese Oper so etwas wie eine alte Bekannte ist, durfte man gespannt sein, wie er - im Bühnenbild von Heinz Balthes und mit den geschmackvollen Empire-Kostümen von Mauro Pagano - diese Geschichte der Intrigen um die absolute Macht erneut gestalten würde. Das Ergebnis war so einfach wie genial. Keine erzwungenen Neuerungen sondern eine Zurücknahme auf das Wesentliche war das entscheidende Moment dieser Inszenierung.

Schon beim ersten Aufgehen des Vorhangs wird deutlich, worum es geht. Agrippina - mit dem Rücken zum Publikum - streckt ihre Hände nach dem Thron aus, der in der Mitte in einem etwas erhöhten, ein Halbrund bildenden Säulenumgang steht. Vom Anfang bis zum Ende des Stückes ist dieser Objekt der Begierde und massgeblich für das Handeln (fast) aller Figuren. Gleiches gilt übrigens auch für Poppea, die ebenfalls heiss begehrt wird und deren Bett folgerichtig an derselben Stelle plaziert ist wie der Thron; die Insignien für Macht und Liebe.

Das Bühnenbild, dessen Architektur durch das Säulenhalbrund als kontinuirliches Element geprägt wird, ist ganz in Weiss gehalten; nüchtern, aber funktionell. Dadurch werden die farbigen Kostüme und Requisiten umso mehr herausgehoben und bedingen somit die volle Konzentration des Zuschauers auf die handelnden Figuren. Die Personenführung ist ausgefeilt, das Timing stimmt und man wird so - auch dank des hervorragenden Librettos von Vincenzo Grimani - von Anfang an bis zum "glücklichen" Ende von den Ereignissen gefangen genommen. Dass dieses ohne Spannungsabfall geschieht liegt natürlich auch an den ganz hervorragenden Sängerschauspielern, die zudem noch völlig rollendeckend besetzt werden konnten!

In der Titelpartie der Agrippina dominierte Lynda Lee als wirklich mütterliche Intrigantin. Als ihre - im Stück zumindest zeitweilig ebenbürtige - unglaublich kecke und energische Gegenspielerin Poppea bot Manuela Uhl eine ausgezeichnete Leistung. Fastzinierend war auch die Darstellung des ewig als Spielball des Schicksals herumgeschubsten Ottone durch Graham Pushee. Der als operettenhafter Monarch gezeichnete Kaiser Claudius erhielt durch Renato Girolami seine nötige Un/Glaubwürdigkeit. Martina Stork-Freiberger als Nero war der ungestüme und unbedarfte Knabe, der als gefügiger Sohn von Agrippina als künftiger Kaiser ausersehen war. Selbst die kleinen Partien der zwei Minister und des Diener des Claudio waren mit Guido Jentjens, Robin Blaze und Almas Svilpa trefflichst besetzt.

Paul Goodwin war der musikalische Leiter dieser Produktion, die - oberflächlich gehört - einen rundum zufriedenstellenden Eindruck hinterliess. Obwohl es den Instrumentalisten durchaus anzuhören war, dass sie mit Engagement und Spielfreude musizierten, waren intonatorische und koordinatorische Mängel nur schwer zu überhören. Dass es nicht an Paul Goodwin liegen würde, konnte man allerdings erst vermuten, als die Präzision - der in den vergangenen Jahren herausragende Leistungen bietenden Deutsche Händel-Solisten - auch in anderen Aufführungen und Konzerten sehr zu wünschen übrig liess. Wahrscheinlich fehlt inzwischen doch die Sicherheit gebende, ordnende und inspiriernde Persönlichkeit eines ständigen musikalischen Leiters.

So konnten weder Roy Goodman in der Wiederaufnahme der Oper Amadigi aus dem letzten Jahr, noch Timothy Brown in seiner Aufführung des Oratoriums Solomon an die excellenten Leistungen der letzten Jahre anknüpfen. Allerdings konnten die Solisten sowohl in Amadigi als auch im Solomon weitgehend überzeugen, wobei der Clare College Choir, Cambridge - der mit Angharad Gruffydd-Jones (Königin von Saba) und Nicholas Mulroy (Diener) zwei hervorragende Solisten stellte - wiederum mit Ovationen gefeiert wurde.

Einen etwas unglücklichen Eindruck hinterliess auch Benjamin Brittens Bearbeitung von John Gays Bettleroper. Zwar konnte die lebendige Inszenierung von Wolfgang Zörner von den Opernsängern (!) des Badischen Staatstheaters beachtenswert umgesetzt und gestaltet werden, doch der eigentliche Reiz von Brittens Bearbeitung wollte sich einfach nicht einstellen. Zudem deckten die Mitglieder der Badischen Staatskapelle unter der Leitung von Wolfgang Heinzel - auf Grund der überhöhten Sitzordnung in dem ansonsten wunderbar gestalteten Bühnenbild von Heinz Balthes - alle Gesangsnummern der Solisten so zu, dass vom Text kaum etwas zu vernehmen war. Eine an das Original von Gay/Pepusch angelehnte Fassung wäre da, zumal im Stück immer wieder betont wurde, dass man hier "barock" spiele (Kostüme: Esther Schulz-Burck) - und das im Rahmen der Händel-Festspiele (!) - wahrscheinlich überzeugender ausgefallen.

Interessant, aber in den Dimensionen etwas lang geraten, war das Ballett Evirato Divo - Farinelli, das als Huldigung an die Karlsruher Händel-Festspiele von Germinal Casado choreographiert wurde. Im Mittelpunkt des Werkes steht das Leben des Kastraten Carlo Broschi, genannt Farinelli, dessen Biographie von der bewussten Operation bis zu seinen glanzvollen Jahren am Madrider Hof "bildweise" in abwechslungsreicher Ausstattung (ebenfalls von Germinal Casado) und zum Teil eindrucksvoller Choreographie nacherzählt wird. Nicht nur die Solotänzerinnen und -tänzer, sondern auch die unzähligen anderen Mitglieder des Ensembles konnten hierbei die Leistungsfähigkeit des Karlsruher Ballets unter Beweis stellen.

Auf dem Programm der Festspiele standen weiterhin ein Kammerkonzert der Deutschen Händel-Solisten, ein Countertenor-Konzert mit Robin Blaze, Paul Esswood und Charles Humphries, das Konzert der Preisträger der Jugend-Barock-Reihe der Händel-Gesellschaft Karlsruhe, ein Orgelkonzert mit Andreas Schröder und Marianne Kienbaum (Sopran), und das Festkonzert der Deutschen Händel-Solisten unter der musikalischen Leitung von Nicholas McGegan.

Abgerundet wurde das Programm durch das Symposium der 12. Internationalen Händel-Akademie, das dieses Jahr unter dem Motto stand Biblische Botschaft und politische Allegorie in den Oratorien Händels. Unter der Gesprächsleitung von Prof. Dr. Hans-Joachim Marx (Hamburg), referierten und diskutierten Priv.-Doz. Dr. Dorothea Schröder (Cuxhaven), Prof. Dr. Martin Staehelin (Göttingen), Prof. Dr. Jürgen Schläder (München), Dr. MIchael Zywietz (Münster) und Prof. Dr. Wolfgang Ruf (Halle).


Programm der Händel-Festspiele 1997 in Karlsruhe

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Gerhard Menzel
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