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Händel-Festspiele

in Göttingen 1997



29. Mai - 2. Juni

Festspielkritik



Händels Italianità

Unter diesem Motto standen die diesjährigen Göttinger Händel-Festspiele, die am Donnerstag mit einem OPEN-AIR-KONZERT im Kaiser-Wilhelm-Park mit den Ensembles Messanza (Hannover) und German Brass eröffnet wurden. Das Festspiel-Programm war reichhaltig, vielseitig und erhellte in vielerlei Hinsicht einen frühen, aber sehr wichtigen und für Händels weiteren Schaffungsprozess entscheidenden Lebensabschnitt.

Zu einem ersten Einblick verhalfen die einführenden Beiträge im vorbildlichen Programmbuch, die zu den jeweiligen Konzerten den theoretischen Hintergrund lieferten. In dem - aus Platzgründen erstmals in die Aula der Universiät verlegten - EINFÜHRUNGSVORTRAG zum Thema HÄNDEL UND ITALIEN demonstrierte Festspielleiter Nicholas McGegan anhand zahlreicher Dias, was Händel in Italien an Kunst und Opernkultur vorfand und was ihn sicher bzw. möglicherweise beeinflusst hat.

Das INTERNATIONALE WISSENSCHAFTLICHE KOLLOQUIUM, das in Zusammenarbeit der Göttinger Händel-Gesellschaft mit der Società Italiana di Musicologia veranstaltet wurde, widmete sich HÄNDELS ITALIANITÀ auf ganz besondere Weise. Ausgewählte Kompositionen Händels, die auch bei den Festspielen zur Aufführung kamen, wurden in einer Art Werkstattgespräch auf spezifisch ausgewählte Schwerpunkte hin untersucht und näher erläutert. Um den Ausführungen folgen zu können, erhielt das Publikum eine kleine Broschüre mit den Notentexten der ausgewählten Stücke. Moderiert von Martin Staehelin wechselten Klangbeispiele, Kurzreferat und Diskussion einander ab. Zum Oratorium La Resurrezione HWV 47 (Nr. 1-6) referierten Carolyn Gianturco (Rom): "Die musikalische Charakterisierung der personae dramatis" und Terence Best (London): "Zur Sprachvertonung in La Resurrezione".

"Händels Concerti grossi im Verhältnis zu denjenigen Corellis" war das Thema von Hans Joachim Marx (Hamburg), bevor zur Oper Serse (II. Akt, Szene 1-3) Lowell Lindgren (Cambridge, Mass.) mit "Händels und Bononcinis Serse im Vergleich" und Pieru Gargiulo (Ferrara) mit "Das Pastorale in Händels Serse" ihre exemplarischen Erkenntnisse vortrugen. Ein zusätzlicher Service dieser Veranstaltung bestand darin, dass den Anwesenden zu den beiden letzten, auf Englisch gehaltenen Referaten, eine deutsche Übersetzung auf einem seperaten Papier zur Verfügung gestellt wurde.

Das OPEN-DOOR-KONZERT in der Aula der Universität - die dieses Mal erfreulich oft als Veranstaltungsort genutzt wurde - wartete gleich zu Beginn der Festspiele mit einer grossen Überraschung auf. Das Orchester der Göttinger Musikfreunde unter der Leitung von Christian Hammer bot eine - für ein Amateurorchester - derart erfreuliche Leistung, dass es - obwohl im unmittelbaren Umfeld der internationalen Spezialisten - eine Freude war, ihnen zuzuhören. Das Programm wurde dabei von zwei reinen Orchesterwerken von Händel (Concerto groso F-dur op. 6 Nr.2) und Johann Christian Bach (Sinfonie D-dur op. 18 Nr. 6) eingerahmt.

Im Zentrum stand die Solokantate La Lucretia: "O Numi eterni" von Georg Friedrich Händel. Solistin war Gerit Hammer (Sopran), die zwar mit diesem Werk an ihre stimmlichen Grenzen stiess, aber durch ihre intensive Darbietung für sich einzunehmen wusste.

Solistische Glanzpunkte setzte Sibylle Wolf (Violine), die in den Violinkonzerten Vivaldis (D-dur op. 3 Nr. 9 und E-dur op. 18 Nr. 6) nicht nur technisch brillierte, sondern auch musikalisch ungeheuer musikantisch und flexibel alle Nuancen der Musik auskostete. Dabei setzte sie das Orchester zwar zum Teil unter Tempodruck, aber ihre schwungvolle Interpretation von Vivaldis Musik war einfach begeisternd.

Im Mittelpunkt der Festspiele stand - wie jedes Jahr - die Opernproduktion im Deutschen Theater, einer idealen Spielstätte für Barockopern. Für dieses Jahr hatte man Händels 1738 uraufgeführte Oper SERSE ausgewählt, die eine Woche später auch bei den Händel-Festspielen in Halle als Neuproduktion zur Aufführung kam. Eine reizvolle Vergleichsmöglichkeit (siehe Rezensionen).

Nach einem morgendlichen OPEN-AIR-KONZERT mit German Brass, die nach ihrem Auftritt im Kaiser-Wilhelm-Park auch auf dem Wilhelmplatz im Stadtzentrum das Publikum zu begeistern wussten, folgten in der St. Johannis-Kirche zwei Oratorien, die in der Karwoche des Jahres 1708 in Rom aufgeführt wurden: ORATORIO PER LA PASSIONE DI NOSTRO SIGNORE GESÙ CRISTO von Alessandro Scarlatti und ORATORIO PER LA RESURREZIONE DI NOSTRO SIGNORE GESÙ CRISTO von Georg Friedrich Händel HWV 47. Da das Werk Scarlattis vor dem Händels entstanden ist und Händel Scarlattis Oratorium kannte, war dieses unmittelbare Nacheinander beider Werke sehr interessant.

Das ORATORIO PER LA PASSIONE DI NOSTRO SIGNORE GESÙ CRISTO von Alessandro Scarlatti wurde von Michael Schneider und seinem Ensemble La Stagione, Frankfurt/M. zwar nich durchgängig inspiriert und facettenreich interpretiert, aber die sich auf die christliche Heilsgeschichte beziehendenTexte der drei allegorischen Figuren Colpa (Schuld - Heidrun Kordes), Grazia (Gnade - Natalie Karl) und Pentimento (Reue - Graham Pushee) wurden vor allem durch die bezaubernde Stimme von Heidrun Kordes auf das feinste veredelt.

Wesentlich farbiger und temperametvoller klang die von Nicholas McGegan geleitete Aufführung von Händels Oratorium ORATORIO PER LA RESURREZIONE DI NOSTRO SIGNORE GESÙ CRISTO. Der Klang der Hannover Band (London) wirkte hierbei - im Gegensatz zur Oper SERSE - dem Charakter des Werkes in jeder Beziehung angemessen. Das ansonsten recht ausgeglichene Solistenensemble Dominique Labelle (Maddalena), Gloria Banditelli (Cleofe), Jörn Lindemann (San Giovanni) und David Thomas (Lucifero) wurde überstrahlt von Christine Brandes (Angelo) himmlisch-leuchtenden Sopran.

Im NACHTKONZERT 1 in der St. Marien-Kirche standen weltlichen Kantaten und kammermusikalische Werke von Alessandro Scarlatti, Georg Friedrich Händel, Silvius Leopold Weiss und Domenico Zipoli auf dem Programm. KIaus Mertens konnte sich dabei mit seinem wohlklingenden Bariton ebenso profilieren, wie die Instrumentalisten von Il Basso (Hamburg) mit Gerhart Darmstadt (Violoncello), Joachim Held (Laute) und Carsten Lohff (Cembalo und Orgel).

Im ORGELKONZERT in der St. Jacobi-Kirche präsentierte Matthias Eisenberg (Sylt) neben Werken von Georg Friedrich Händel, Alessandro und Domenico Scarlatti, Giovanni Battista Martini und Domenico Zipoli auch freie Improvisationen nach Händelschen Themen, wobei in extremsten dynamischen und klanglichen Abstufungen (wahrscheinlich) sämtliche Register der Orgel zum Einsatz kamen .

Das Concerto delle Donne (London) und Alastair Ross (Cembalo) präsentierten im KAMMERKONZERT in der Aula der Universität reizvolle Vokalwerke für 1-3 Soprane von Claudio Monteverdi, Giacomo Carissimi, Luigi Rossi, Agostino Steffani und Georg Friedrich Händel sowie Cembalokompositionen von Girolamo Frescobaldi und Georg Friedrich Händel. Da der harmonische Zusammenklang von mehreren Sopranen nun wirklich nicht allzu oft zu hören ist, gehörte dieses Konzert zu den interessantesten der Festspiele, auch wenn die Harmonie nicht immer lupenrein war..

Den insgesamt frischesten und temperametvollsten Orchesterklang konnte man beim ORCHESTERKONZERT in der St. Jacobi-Kirche bewundern. Thomas Albert als Leiter und Primgeiger und seine Fiori musicali aus Bremen legten sich so richtig ins Zeug und liessen die Werke von Georg Friedrich Händel, Antonio Maria Bononcini, Antonio Caldara, Arcangelo Corelli und Antonio Vivaldi so vital und schwungvoll erklingen, dass eine reine Freude war.

Einen krönenden Abschluss der Konzerte (am letzten Tag wurde dann noch einmal die Oper Serse gegeben) bildete das NACHTKONZERT 2 in der St. Marien-Kirche. Unter dem Motto Serenata italiana begeisterten Nicholas McGegan (Cembalo) und vor allem Christine Brandes (Sopran), die noch einmal alle Vorzüge ihrer Stimme in Arien aus Opern und Solokantaten zur Geltung bringen konnte. Neben Kompositionen von Georg Friedrich Händel erklangen auch Stücke von Bononcini, Stradella, Vivaldi, Galuppi sowie Alessandro und Domenico Scarlatti.


Im nächsten Jahr finden die Göttinger Händel-Festspiele vom 28. Mai bis zum 2. Juni statt und stehen unter dem Motto HÄNDEL UND DER ORIENT



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