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Dirigent Christian Thielemann holt sich die volle Dröhnung

Ein Porträt des "heimlichen Herrschers" am Grünen Hügel in Bayreuth


Von Tilman Lücke
Juli 2002


Premieren hat er schon einige hinter sich, doch die Eröffnung der Bayreuther Festspiele 2002 dürfte ein besonderes Erlebnis für ihn sein: Christian Thielemann dirigiert zum ersten Mal zur Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele, und er dirigiert mit dem neuen Tannhäuser zum ersten Mal eine Neuproduktion und nicht nur Wiederaufnahmen bei den Festspielen.

Der Berliner Dirigent Thielemann steht eigentlich hauptsächlich als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin vor; doch spätestens von diesem Jahr an gilt er wohl als einer der wichtigsten Dirigenten in Bayreuth. Überdies führt er Verhandlungen mit den Münchner Philharmonikern, die ab 2004 einen neuen Chefdirigenten brauchen.

Für Christian Thielemann geht ein Traum in Erfüllung, immer wieder, wenn er Wagner dirigieren darf. Die ausschweifende, romantisch-mythische Musik des Richard Wagner hat es ihm angetan, seit er mit 13 die Walküre hörte. Deutsche Komponisten bevorzugt er, als Assistent Herbert von Karajans nach dem Abitur und bei seiner ersten Leitungsposition in Nürnberg - und genauso später in Düsseldorf und Berlin. Richard Strauss und Wagner spielt er vor allem, aber auch Werke von Pfitzner, der den Nazis nicht fern stand.

Sein Ansatz bis heute: Dem Werk gerecht werden, bloß keine Denkverbote aus Politik und Gesellschaft anerkennen. Werktreue verspricht er auch in Bayreuth 2002 beim neuen Tannhäuser: "Es muss das Stück stattfinden", sagt er, "jetzt, wo wir alles auf der Bühne erlebt haben, sexuelle Frustrationen und so fort, jetzt sind wir am Punkt, wo wir alles schon gesehen haben".

Christian Thielemann ist 43, trägt Goldkettchen und die blonden Haare brav gescheitelt. Photos zeigen ihn strahlend, gelegentlich herrisch, doch er ist ein Berliner Junge geblieben, auch als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper in Berlin. Dort konnte er reichlich Erfahrungen mit der Kulturpolitik machen: Sechs Mal wechselte der Kultursenator in den viereinhalb Jahren, die er am Haus arbeitet. Trotz Finanzmisere bekennt er sich zur Heimat, wenn er sagt: "Ich harre aus, denn noch hoffe ich, etwas bewirken zu können. Sonst würde ich ja meine Niederlage eingestehen, so würde es jedenfalls interpretiert, und das will ich mir noch nicht nachsagen lassen."

Das Orchester der Deutschen Oper Berlin hat er mit Beharrlichkeit aus der zweiten Liga zum Aufstieg geführt; selten aber taucht er persönlich am Pult auf. 14 Abende dirigiert er in dieser Saison, darunter keine einzige Premiere.

Nun ruft auch noch München: Die Philharmoniker der Stadt wünschen ihn sich als neuen Chefdirigenten, wenn 2004 ein Nachfolger für James Levine gebraucht wird. Anlass für Thielemann, die Deutsche Oper Berlin zu verlassen?

Nein, sagt er, das wäre ja Wahnsinn, diese Position aufzugeben. Statt dessen spricht er davon, eine neue "Nord-Süd-Zusammenführung" zu organisieren, Ost-West-Zusammenführung sei ja lange genug diskutiert worden. Zunächst muss er aber noch mit der umstrittenen Münchner Kulturdezernentin Lydia Hartl ins Reine kommen, möglicherweise noch im September 2002 soll der Vertrag unterschriftsreif sein.

Doch im Sommer dreht sich für Christian Thielemann alles um Wagner und Bayreuth. 11 Mal dirigiert er 2002 auf dem grünen Hügel, Tannhäuser und Die Meistersinger. Doch er will keiner dieser Jünger zu sein, die nur 'Wagner pur' gelten lassen. "Mich macht das fertig, der viele Wagner, hier hole ich mir die volle Dröhnung, und dann muss ich aber auch wieder weg davon."





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