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"Ich möchte noch sehr viel Musik schreiben, ich hab´ so viele Ideen"


Die "Celebration of the Music of Peter Maxwell Davies"
im englischen Lancaster





Im Nordwesten Englands, ungefährt 70 Kilometer oberhalb der Industrie- und Ballungszentren von Manchester und Liverpool liegt die kleine Stadt Lancaster. Sie ist mit ihren etwa 60.000 Einwohnern eher überschaubar, hat aber dennoch ihren Besuchern einiges zu bieten. Die mittelalterliche Altstadt, geprägt von robusten, hellen Sandsteingebäuden, wird überragt von Lancaster Castle, das in den Rosenkriegen der englischen Geschichte eine wichtige Rolle gespielt hat. Auf einem sanften Hügel am Rande des Stadtkerns liegt das 1963 gegründete St. Martin's College. Am dortigen "Department of Music and Performing Arts" fand nun Anfang April ein Kongress statt, der sich ausschließlich mit der Musik von Sir Peter Maxwell Davies beschäftigte, dem wohl bedeutendsten britischen Komponisten seiner Generation. Die "Celebration" war auch so etwas wie eine Nachfeier seines 65. Geburtstages im letzten September.

Veranstaltet hat den Kongress der Musikforscher, Komponist und Davies-Experte Richard McGregor. Ein Buch, das im Juni beim Verlag Ashgate erscheint und mit zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen über Maxwell Davies aufwartet, ist es schuld, dass nun der Kongress stattfand: "Es schien mir, dass es wesentlich mehr Sinn machen würde, die Ergebnisse auch in einem anderen Format nutzbar zu machen, besonders, weil ich die Autoren ja schon zusammenbekommen hatte. Daraus ist die Konferenz entstanden. "
Wenn englische Tagungen von Musikwissenschaftlern immer so angenehm ablaufen wie die "Celebration" in Lancaster, wünschte man sich dieses Modell auch für Deutschland: Kurze (etwa 30 Minuten lange) Vorträge wechselten sich ab mit Teepausen, Lunch und Dinner. Nicht zuletzt haben auch fünf musikalisch hochrangige Konzerte von Ensembles aus der Umgebung für Auflockerung gesorgt, die zudem oftmals auch auf die Beitragsthemen des Kongresses abgestimmt waren.

Die Musikforscher aus England, Schottland, den USA und Frankreich interessierte neben Allgemeinem auch Details, die Struktur von Maxwell Davies' Musik. Nicholas Jones (Wales) untersuchte architektonische Prinzipien der zweiten Sinfonie. Peter Owens (Edition Peters, England) widmete sich eingehend editionstechnischen Problemen und Analysen von magischen Quadraten. Sie sind ein Mittel, mit dem der Komponist auf vielerlei Ebenen sein musikalisches Material organisiert. Dass eingehende Exegese, gestaucht auf eine halbe Stunde jedoch auch ermüden kann, zeigte Rodney Lister vom New England Conservatory in Boston. Seine Analysen schienen eher zum Lesen als zumVorlesen geeignet. "Wahnsinn" im Werk von Maxwell Davies war ein Thema für Alan Shockley (Universitiy of Princeton, USA), Janet Halfyard (England, University of Leeds) und Alan Williams von der Salford University (England). Wie wirkt eigentlich die Natur der Wahlheimat von Maxwell Davies, die Orkney Inseln, auf sein Werk ein? Und was hat der Komponist zuletzt geschrieben? Auch diese Fragen blieben nicht offen. In intimen Gesprächsrunden schließen Sir Peter selber und seine Managerin Judy Arnold viele weitere Wissenslücken. Insgesamt entstand das Bild eines facettenreichen, faszinierenden und fantasiebegabten Komponisten, dem jegliche musikalischen Dogmen fremd sind.

Auch die Konzerte bestätigten diesen Eindruck. Peter Noke, "Pianist-in-Residence" am St Martin's College, führte mit "Farewell to Stromness" am Vorabend der Tagung Zahmes, beinahe Poupläres vor. Musiker des "Royal Northern College of Music" spielten Kammermusik, Frühwerke wie die Trompeten-, Klavier- oder Klarinettensonate fanden genauso Platz wie Avantgardistisches. Eine szenische Aufführung der "Eight Songs for a Mad King" besorgte das Ensemble "Psappha", Spezialisten für neue Musik aus Manchester. Und am Schluss durften Kinder aus Lancaster zwei Stücke von Maxwell Davies aufführen: Die "Kirkwall Shopping Songs" und "Dinosaurs at Large". Zufällig war die Positonierung am Ende der "Celebration" nicht: Durch seine Arbeit als Musiklehrer ist Sir Peter vertraut mit der Komposition für Kinder. Ihre musikalische Ausbildung liegt ihm am Herzen, hier sieht er jedoch auch noch große Defizite.

Im Gespräch betont er es noch einmal: "Ich habe selbst mit Kindern gearbeitet und weiß vielleicht besser als jemand, der nicht als Schullehrer tätig war, was leicht ist für die Kinder. Aber: es ist wichtig, dass es nicht zu leicht ist, denn dann ist es langweilig für sie." Das Verhältnis des Musikjournalismus zu seinen Werken für Kinder habe sich zudem geändert. "Früher wollte man nichts davon wissen. Das war von keinem Interesse, etwas, was man unter den Teppich kehrt. " Momentan hat Sir Peter eine neue Sinfonie in Arbeit, die siebte mittlerweile. Sie wird im Juni beim St Magnus Festival auf den Orkneys vom BBC Philharmonic Orchestra uraufgeführt. Aber eine achte mit dem Titel "Antarctica" ist bereits angedacht, ebenso ein Chorwerk und ein Hornkonzert. Im Auftrag des CD-Labels Naxos will Maxwell Davies zudem eine Reihe von zehn Streichquartetten schreiben. "Das werde ich vielleicht gegen Ende des Jahres anfangen. Ich habe natürlich über die Probleme des Schreibens für Streichquartette viel nachgedacht in den letzten zwei, drei Jahren. Ich werde das aber weiterbringen, wenn ich weiß, welches Quartett genau ich schreiben muss. " Das Ganze hört sich wirklich nach viel Arbeit an, zu der viel Ruhe und Konzentration nötig ist. Und die findet der Komponist auch weiterhin auf den Orkney-Inseln. Von ihnen bringt ihn auch in Zukunft nichts weg: "Ich habe in den letzten zehn Jahren so viele Reisen gemacht, so viele Konzerte dirigiert - ich möchte gern zu Hause bleiben. Ich bin schon fünfundsechzig Jahre alt, hoffentlich habe ich noch sehr viele Jahre, aber: man weiß nicht. Ich möchte noch sehr viele Musik schreiben, ich hab' so viele Ideen. "

Über den letzten Stand der Forschung wird bald das von Richard McGregor herausgegebene Buch Auskunft geben, "Perspectives on Peter Maxwell Davies". Für etwa 120 DM wird es ab Juni bei Ashgate zu haben sein. Ebenfalls bei Ashgate soll im nächsten Jahr zudem ein "Source Book" von Stewart R. Craggs erscheinen. Wer es etwas billiger haben will oder nicht mehr so lange warten kann: Sir Peters Homepage, maxopus.com, ist immer einen Mausklick wert.


Markus Bruderreck, Herne
April 2000






Da capo al Fine

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