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Unterwegs nach Walhall

Joachim Lange sprach kurz vor der Siegfried-Premiere in Halle (unsere Rezension) mit Andreas Schager, dem Sänger des Siegfried

Von Joachim Lange


OMM: Herr Schager, wie kommt man eigentlich als Österreicher in Halle klar? Haben Sie auch die Stadt ums Opernhaus drumherum erkundet? Und dabei womöglich ein Lieblings-Kaffeehaus gefunden?

Schager: Da ich in Berlin lebe, habe ich mich schon dem deutschen Geist angepasst – und Halle ist eine ganz wunderbare, lebendige Stadt, die viel zu sehr unterschätzt wird. Allein durch die Universität herrscht eine jugendliche, weltoffene Stimmung. Mein Lieblingskaffeehaus ist das „Wonnemond“ direkt neben der Oper – auch da geht es weltoffen zu. Da gibt es auch internationale Presse.

OMM: Die Generalprobe haben Sie hinter sich. Ist der Rest jetzt Schweigen - zumindest bis zur Premiere?

Schager: Da würden aber einige schauen – Kurt Rydl, der berühmte Bass, sagte einmal: „Das einzige, was der Stimme schadet, ist das Singen!“. Normales Sprechen und Leben sollte immer möglich sein.

OMM: Wie viel physische Kraft braucht man denn für den Siegfried?

Schager: Da ich von meinem Lehrer Oskar Hillebrandt eine wunderbare Technik lernen kann, immer weniger. Vielleicht eine gesunde Grundkonstitution und eine Geisteskraft, die reicht um die Konzentration über drei große Akte durchzuhalten.

OMM: Halle ist Händel-Stadt. Also eher mit der Barockmusik verbunden als mit Wagner. War Ihnen Halle vor Ihrem Engagement als Musikstadt ein Begriff?

Schager: Ich gestehe, als Musikstadt, nein. Aber direkt zu den Vorproben machte ich eine Stadtführung, bei der ich unweigerlich mit Händel konfrontiert wurde.

OMM: Für den gegenwärtigen Tannhäuser-Sänger in Bayreuth war Halle ein Probelauf. Schauen Sie auch (wenigstens ein bisschen) auf den Grünen Hügel?

Schager: Bayreuth ist für alle Sänger ein Meilenstein, eine Herausforderung. Es ist schon etwas besonderes, dort zu singen. Da mein wunderbarer Kollege Lance Ryan, den ich auch privat schätze, dort den Siegfried singt, schaue ich freudig dorthin.

OMM: Sie haben bisher den David in den Meistersingern, den Steuermann im Holländer und die Titelpartie im Rienzi gesungen. Im nächsten Jahr folgt der Tristan. Sind die beiden Siegfriede die richtige Rolle zum richtigen Zeitpunkt für Sie? Wenn man das sieht, scheint es, als stürmten Sie mit voller Kraft und sehenden Auges in die Riege der Wagner-Tenöre, also auf in Höhen, wo Ruhm und Verschleiß gleichermaßen winken?

Schager: Au weh. Das müssen andere entscheiden. Ich bin dankbar für die Chancen, den Siegfried und den Tristan singen zu dürfen. Volle Kraft nein, eher mit Demut und Dankbarkeit.

OMM: Sie singen den Supermann in Halle und in Ludwigshafen nicht nur im Siegfried, sondern im Herbst auch gleich noch in der Götterdämmerung. Geht man eigentlich entspannter an so eine Herausforderung, wenn man diese Chance in einem Haus abseits der Wagnerhochburgen bekommt?

Schager: Da die Welt durch die Globalisierung sehr klein geworden ist, ist die Herausforderung immer die gleiche. Durch die Vernetzung der Wagnerverbände ist man überall fachkritischen Augen und Ohren ausgesetzt, die das Werk länger und besser kennen als ich.

OMM: Hand aufs Herz: Sind Sie vor der Premiere aufgeregter als sonst, etwa als Florestan oder Max?

Schager: Ja.

OMM: Kontrollieren Sie sich bei der Arbeit eigentlich selbst? Es gibt Sänger, die haben jemanden im Parkett sitzen oder schneiden selbst mit. Wie machen Sie das? Haben Sie jemanden, der Sie (vielleicht auch nur unter vier Augen) kritisch berät?

Schager: Einerseits natürlich mein Lehrer (s. o.), der gestern extra für die Generalprobe den weiten Weg von Wien auf sich genommen hat. Und dann natürlich meine Freundin: Sie ist selbst Sängerin, Mezzosopran, mein größter Fan und mein schärfster Kritiker. Vor allem aber hat sie von Anfang an an mich geglaubt: Als ich noch David und Operette gesungen habe, sagte sie mir, sie wüsste, dass ich innerhalb eines Jahres meine erste Heldenrolle singen würde. Damals hielt ich sie für verrückt, heute vertraue ich ihr noch mehr.

OMM: Stimmte die Chemie zwischen dem Dirigenten Karlheinz Steffens und Ihnen von Anfang an?

Schager: Das kann ich nur von meiner Seite aus beantworten: Ja! Dass er nicht nur ein hervorragender Musiker, sondern auch ein toller, immer freundlicher Mensch ist, begeistert mich.

OMM: Eine Besonderheit dieses Rings sind ja die zwei Orchester, also das in Halle und das in Ludwigshafen. Haben Sie schon mit dem Orchester in Ludwigshafen geprobt – was meinen Sie, gibt es da spürbare Unterschiede?

Schager: Das Orchester in Ludwigshafen kenne ich noch nicht, aber habe viel Gutes darüber gehört.

OMM: Herr Schager - So richtig nett ist der Naturbursche, den Sie da verkörpern ja nicht. Ein erschlagener Ziehvater, ein toter Riesenwurm und ein entwaffneter Gott sind ja kein Pappenstiel? Andererseits der Geniestreich in der Schmiede und der Knabenmut vorm Frauen-Lager? Was für einen Siegfried verkörpern Sie in Hansgünther Heymes Inszenierung?

Schager: Einen kindlichen, überschwänglichen Knaben, der sich gar nicht bewusst ist, was da alles aus ihm herausrutscht, verbal und tatenmäßig. Wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, sich dieser Oper, der immer wieder Antisemitismus angehängt wird, zu nähern.

OMM: Manchen Sängern wird ja (vorsichtig ausgedrückt) eine gewisse Reserviertheit gegenüber ambitionierter Regie nachgesagt. Ihnen auch? Fühlen Sie sich wohler, wenn Sie auch als Darsteller gefordert werden, oder wenn man sie vor allem in Ruhe und an der Rampe singen lässt?

Schager: Ich versuche, immer offen zu allen Proben zu gehen. Wichtig ist, dass der Regisseur das Werk kennt, sein Handwerk versteht und Ehrfurcht vor der Musik hat. Dann ist alles erlaubt. Bei Herrn Heyme ist dies alles mehr als gegeben, ich fühle mich wunderbar.

OMM: Vielen Dank und toi, toi,toi!




(Mai 2012)




Foto Andreas Schager
Siegfried am Opernhaus Halle (2. Akt)
Foto © Gert Kiermeyer



Den Tenor Andreas Schager hat es als Österreicher im Laufe seiner Karriere nicht nur nach Deutschland verschlagen, sondern auch zu Richard Wagner. Gemeinsam mit seiner Freundin, der Mezzosopranistin Christina Khosrowi, lebt er in Berlin und verkörpert im Nibelungenring, den die Oper in Halle und das Theater im Pfalzbau Ludwigshafen gemeinsam produzieren, den sprichwörtlichsten aller Wagner-Helden im Siegfried und in der Götterdämmerung. Seine erste Siegfried-Gage wird Schager für ein Straßenkinderprojekt in Kenia spenden.

Weitere Informationen zum Ring des Nibelungen in Halle und Ludwigshafen gibt es unter
www.ring2013.de



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