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Peter Theiler wird ab 2018 die Intendant der Semperoper

Wenn Peter Theiler 2018 Intendant der Semperoper in Dresden wird, dann hat das Haus sechs intendantenlose Jahre hinter sich. Der erste Anlauf, einen Nachfolger für die 2012 verstorbene Intendantin Ulrike Hessler zu finden war gescheitert. Die damalige Kunstministerin Sabine von Schorlemer war mit der Berufung des erfolgreichen Intendanten der Oper Lyon Serge Dorny kühn durchgestartet, hatte aber, noch bevor Dorny loslegen konnte, im Februar 2014 eine Vollbremsung hingelegt. Dorny wurde wieder entlassen. Mit erheblichem Imageschaden für das Haus. Die Sache ging vor Gericht - und da liegt sie noch. Offensichtlich konnten sich Dorny und der Chef der Staatskapelle nicht auf einen gemeinsames Konzept für das Haus mit dem prominenten Orchester einigen.

Die neue Dresdner Kunstministerin Sabine Stange gab jetzt bekannt, dass der 1956 geborene Schweizer Peter Theiler ab 2018 Intendant der Semperoper wird. Seit 2008 ist Theiler Staatsintendant und Operndirektor am Staatstheater Nürnberg.

Über seine Erwartungen und Pläne sprach Joachim Lange mit dem designierten Intendanten.



Von Joachim Lange


OMM: Herr Theiler, Sie werden 2018 Intendant der Semperoper in Dresden. Die wird dann seit 2012 ohne ausgekommen sein. Braucht diese Oper überhaupt einen Intendanten?

Theiler: Das Haus ist dank des umsichtigen Führungsstils von Wolfgang Rothe ja nicht total verwaist. Aber natürlich braucht es einen Intendanten. Die Sächsische Staatsoper musste einige Schicksalsschläge verkraften. Denken sie an den Einschnitt durch den Tod der Intendantin Ulrike Hessler, dann gab es die Berufung des Kollegen Dorny, der dann nicht kam. Das hat natürlich zu Verwerfungen geführt. In einer solchen Situation gibt es natürlich Verunsicherungen und Irritationen. Es kommt dann zu Erwartungshaltungen und zu Ängsten - da muss einfach eine planerische Perspektive her.

OMM: Selbst, wenn Sie erst 2018 zum Zuge kommen?

Theiler: Ja, selbst wenn man sagt, der Theiler kommt erst 2018. Mit der Perspektive steige ich ein und damit ist wieder ein dramaturgisch inhaltliches Leitbild in Sicht. Man muss den Leuten das Gefühl geben, dass sie motiviert werden. Wer an einem Kunstinstitut arbeitet, wo nicht einfach nur nach dem Motto "Vorhang auf, Vorhang zu" produziert wird, muss spüren, dass das Ganze mit einer Vision verbunden ist. Dafür stehe ich in Nürnberg seit Jahren. Und das ist für mich auch die große Herausforderung in Dresden.

OMM: Wie sieht denn Ihr "Projekt Dresden" aus?

Theiler: Als gebürtiger Schweizer kenne ich die beiden möglichen Theatersysteme sozusagen aus eigener Anschauung. Also das Ensemble- und Repertoiresystem wie in Deutschland. Sobald man den deutschen Sprachraum verlässt, herrscht das Stagione-System. In Frankreich können sie dessen Vor-und Nachteile bestens studieren. Mit geht es vor allem um die Vorteile des Repertoiresystems. Dafür braucht man ein gut funktionierendes Ensemble. Es geht darum, mit einem dichten Repertoire möglichst viel Publikum zu erreichen und eine hohe Spielfrequenz zu sichern. Damit kann man nicht nur das Anrecht auf Beschäftigung beim Ensemble abgelten, sondern auch die künstlerische Perspektive fördern.

Die Semperoper ist aber auch ein Haus mit internationaler Reputation. Wenn man wie in München arbeiten will - in diese Liga gehört Dresden - dann braucht man einfach renommierte Besetzungen. Auch im Repertoire und bei den unbekannteren Stücken, um sie damit attraktiv zu machen - also: Ensemblearbeit mit einer Exzellenz krönen.

Daneben geht es um die Identifikation der Dresdner mit dieser kulturellen Institution. Es gibt nirgends so viel Unterstützer wie in Städten mit einer bestehenden Ensemblestruktur.

OMM: Wobei ja in Dresden die Hälfte der Besucher von auswärts kommen.

Theiler: Die 50% der Publikums, die aus der Stadt kommen, tragen die Oper nicht nur mit dem, was sie zahlen, sondern mit ihren Steuern und ihrer Treue. Wir müssen schauen, wie sich das demographische Umfeld entwickelt und wie man da hineinwirken kann. Die demographische Entwicklung bringt uns ja eine alternde Gesellschaft. Es wird immer wichtiger mit den Menschen zu arbeiten, die noch fit sind. Die wollen wir einbinden.

OMM: Meistens wird ja davon geredet, wie man die Jugend in die Oper bekommt ...

Theiler: Die Jugend kriegen wir sowieso. In Nürnberg haben wir eine starke theaterpädagogische Arbeit - ich habe die Theaterpädagogik um 100 % aufgestockt, als ich dort hin kam. Es ist manchmal geradezu amüsant, das jüngeres Publikum zu sehen, das in die Oper kommt und oft sogar viel schicker angezogen ist als deren Elterngeneration. Bei der demographischen Perspektive geht es auch um Zuschauer mit Migrations-Hintergrund (wobei deren Anteil in Dresden sehr überschaubar ist). Auch da gelingt es, sie teilhaben zu lassen. Man muss sich einfach die Zeit nehmen und es machen! Generell gilt: eine wichtige Aufgabe des - ich sage bewusst: Musiktheaters ist, diese Problemfelder aufzugreifen. Da hat die Oper für mich eine Aktualität wie das Schauspiel.

OMM: Wobei die Dresdner als eher konservativ gelten ...

Theiler: Das hieß es vom Publikum in Gelsenkirchen und in Nürnberg auch. Es kommt immer darauf an, wie man etwas vermittelt. Dabei soll ja niemand verschreckt werden. Den Rezipienten darf man nicht nur etwas zumuten, man muss sie auch mitnehmen. In Nürnberg ist uns diese Mischung gelungen. Da gibt es Handschriften wie die von Calixto Bieito, Lorenzo Fioroni, Tobias Kratzer oder auch Peter Konwitschny. Aber auch eine gefeierte "Le nozze" von Marianne Clement. Auf die Durchmischung kommt es an.

OMM: Weil Sie Konwitschny erwähnen - darf man mit dem dann in Dresden wieder rechnen?

Theiler: Wenn ich Nürnberg verlasse, dann werden wir vier Projekte mit ihm realisiert haben. Ich habe noch nicht mit ihm darüber gesprochen, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass er wieder dahin kommen würde, wo er herkommt.

OMM: Werden Sie in Dresden an den Hausgöttern Wagner und Strauss vorbeikommen?

Theiler: An denen will ich gar nicht vorbeikommen! Ich bin ein großer Wagnerfreund. Wir vollenden gerade den Ring mit einem spannenden Regisseur. Den übrigen Wagner haben wir schon gemacht. Ich muss also Wagner nicht erst in Dresden "lernen". Übrigens ist auch Verdi so ein Hausgott. Es wird immer vergessen, aber Fritz Busch hat in den 20er Jahren die Semperoper zu einer exzellenten Verdi-Bühne gemacht. Verdi und Wagner prägen jede Perspektive musikdramatischen Schaffens. Und zu Wagner gehört auch seine künstlerische Herkunft. Als junger Kapellmeister hat er das Repertoire gespielt, von dem er sehr geprägt wurde, also die Grand Opera. Die war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Bestandteil des Dresdner Spielplans. Schon, weil sie eine Steilvorlage für Wagner war, werde ich sie in den Spielplan einbeziehen.

OMM: Halevys von Wagner geschätzte La Juive war ja in Dresden kürzlich in der Stuttgarter Variante zu Gast.

Theiler: Sie hat mal kurz vorbeigeschaut. Mit drei Vorstellungen. Ansonsten hat man die Grand Opera vernachlässigt. Ein Stück pro Jahr kann man durchaus machen. Es gibt ja auch Nichtfranzosen wie Rossini mit seinem Guillaume Tell oder Moses und Pharao. Sie sind sängerfreundlich und spannende Stoffe, die mit dem Werden des bürgerlichen Zeitalters handeln. Oder wenn sie an die Religions-Konflikte in der Jüdin oder den Hugenotten denken….. Das ist hochspannend.

OMM: Und Richard Strauss und seine Zeitgenossen?

Theiler: Strauss muss natürlich gepflegt werden, das ist keine Frage. Doch auch viele seiner Zeitgenossen wurde in in der Zwischenkriegszeit häufig in Dresden gespielt - und von den Nazis als entartet aus dem Spielplan entfernt. Ein großes Opernhaus muss das angehen, gerade wenn Wagner und Strauss so eine Bedeutung haben wie hier.

Mich interessiert immer an einem Haus wie seine Tradition ist. Zur Tradition bekenne ich mich, aber man muss sie natürlich weiter entwickeln.

OMM: Neben den toten Hausgöttern gibt es auch lebende, die das Haus beherrschen (oder eben auch nicht). Mit Blick auf Christian Thielemanns Position als Chef der Staatskapelle und seine übersichtliche Präsenz im Opernspielplan die Frage: Besteht für die Oper nicht die Gefahr, als Anhängsel der übermächtigen Staatskapelle wahrgenommen zu werden?

Theiler: Die Staatskapelle hat eine große Tradition und ein Selbstbewusstsein, das nicht zuletzt durch Hofkapellmeister geprägt wurde, die selbst Komponisten waren. Und sie ist eins der besten Orchester in Deutschland, das einen Großteil seiner Dienste in der Oper macht. Es ist unbestritten ein Opernorchester. Doch auch mit einem eigenen Profil, das über seine philharmonische Tätigkeit bestimmt wird. Da wird ein Repertoire gepflegt, das der Kanon der Musikgeschichte ist. Mit Romantik und Spätromantik und Moderne. Ein Orchester mit diesem Eigenprofil muss auch gastieren können. Es kommt darauf an, wie man das mit den Bedürfnissen der Oper verzahnt. Aber die Oper ist als Institution mit ihrer hohen Spieldichte nicht zu übersehen, also Hauptspielort der Staatskapelle und keinesfalls bloß ihr Anhängsel.

OMM: Sie sehen das Selbstbewusstsein der Kapelle als Chance?

Theiler: Dieses Selbstbewusstsein ist eine Chance, die man noch besser nutzen muss. Bei den Gastdirigenten gibt es einige bedeutende internationale Namen, bei denen man schauen sollte, wie man sie mit den Aktivitäten des Orchesters im Opernhaus enger verbinden kann.

Und der Chefdirigent, der hat natürlich einen großen Aktionsradius. Ich rede mit ihm und bin im Einvernehmen mit ihm. Wir haben schon konkrete Vorstellungen entwickelt, über eine erste Spielzeit und wo es dann hingehen könnte. Bei den erwähnten Zäsuren ist die Zeit für eine abgestimmte Planung davon gelaufen. Es gab gar nicht die Möglichkeit, über mehr als ein zwei Spielzeiten hinaus zu planen. Man braucht aber für solche Institutionen drei vier Jahre…..

OMM: Aber finden Sie es richtig, wenn der Chefdirigent nur die Freischütz-Premiere und wenige Reprisen dirigiert?

Theiler: Ich kann das im Konkreten wirklich nicht beurteilen. Man muss aber bedenken, dass bei Dirigenten wie Thielemann der Kalender über Jahre im Voraus schon zu ist. Wir haben vor kurzem über ein Stück gesprochen, bei dem wir sicher auch Sänger aussuchen und dann entscheiden, ob wir das machen. Da hat man aber drei Jahre Vorlaufzeit. Serge Dorny ist ja relativ kurzfristig angetreten und versuchte dann innerhalb von anderthalb Jahren, seine Projekte umzusetzen…

OMM: Haben Sie lange überlegt, als es ernst wurde mit dem Angebot Dresden?

Theiler: Natürlich habe ich überlegt. Schon weil ich hier in Nürnberg in einer sehr komfortablen Position bin. Aber es ist halt doch eine besondere Herausforderung: Es ist ein tolles Haus, eine tolle Stadt, ich mag auch deren Mentalität. Es ist eine schöne Stadt mit allen Widersprüchen und allen Rissen und Brüchen, die es gibt. Aber ich bin sehr angezogen davon.

OMM: Wo wird die Semperoper sagen wir in 5 bis 10 Jahren stehen?

Theiler: Sie gehört in die erste Liga und muss im selben Atemzug mit München und Berlin genannt werden. Man muss aber auch die Träger überzeugen, dass es dazu der Mittel bedarf, um das zu alimentieren. Es geht um die Augenhöhe mit den entsprechenden Häusern in Deutschland und Europa. Im Kunstministerium hat man sich jedenfalls dazu bekannt. Aber wir brauchen schon einen langen Atem - man muss das Projekt ja im laufenden Betrieb verankern. Mein Mentor hat immer gesagt - an der ersten Spielzeit wirst du gemessen und an der dritten wird man dich erkennen….




(Juli 2015)




Foto

Peter Theiler (Foto © Staatstheater Nürnberg)








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