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Bruno Caproni: Entspannt auf dem Weg zur Weltkarriere

In Köln traf Thomas Tillmann den Verdi-Bariton Bruno Caproni


Von Thomas Tillmann
April 2001



OMM: Sie stammen aus Nordirland, aber Ihr Name klingt sehr italienisch. Wie ist das zu erklären?

Caproni: Ich bin tatsächlich italienischer Abstammung, meine Großeltern stammen aus der Toscana und sind nach Nordirland ausgewandert. Aber ich bin mit der italienischen Kultur und Sprache großgeworden (und offenbar auch mit der italienischen Küche, wie das wunderbare Abendessen zeigte, das er seinem hocherfreuten Gesprächspartner servierte, Anmerk. T.T.), was mir jetzt sehr zugute kommt. Meine Mutter hat mir schon als sehr kleines Kind immer italienische Platten vorgespielt und mir alles übersetzt, und so bin ich sozusagen mit der Oper aufgewachsen. Ich bin dann später von Belfast aus vier- oder fünfmal im Jahr nach London gefahren, um Vorstellungen im Royal Opera House zu besuchen, und ich habe auch schon sehr früh bei Schallplatten mitgesungen. Irgendwann hat jemand gesagt, daß ich doch Talent hätte und etwas daraus machen sollte; im Schulchor bin ich allerdings mit der Begründung abgelehnt worden, ich hätte keine Stimme ... Als ich dann so etwa 18 oder 19 war, habe ich als Hobby einmal pro Woche Gesangsunterricht bei einem Privatlehrer genommen, James Shaw - ein sehr, sehr guter Lehrer -, und er hat mir dann auch geraten, nicht in einem unserer Geschäfte oder "ballrooms" anzufangen, die meine Familie in ganz Nordirland besaß - wir haben übrigens das beste Eis in ganz Irland gemacht, "Caproni's".
Shaw hat mich sehr gut vorbereitet, er hat mir die Grundlagen der Atemtechnik und all das beigebracht, und ich bin dann zu Frederic Cox gegangen, der immer noch als Emeritus am Royal Northern College of Music in Manchester unterrichtete und dessen letzter Schüler ich war - er war schon 77, als ich zu ihm kam, das war 1983. Er war der Lehrer vieler berühmter Sänger - Ann Murray, Rosalind Plowright, Anne Howells, Ryland Davies, Dennis O'Neill -, und ich durfte dann, als er schon sehr krank war, zweimal pro Woche zu ihm nach Hause kommen. Ich verdanke beiden Lehrern sehr, sehr viel, leider sind beide tot. Aber es hilft auch sehr viel, einen guten Coach zu finden, ein guter Coach ist so wichtig wie ein guter Lehrer, und in Dr. Stephen Marinaro, der ja kein unbekannter in der Opernszene ist, habe ich wirklich einen phantastischen Coach gefunden, dem ich absolut vertrauen und auf dessen Ratschläge ich mich wirklich verlassen kann.

OMM: Sie haben schon während des Studiums John Sorel (in Menottis Konsul), Sharpless und Rigoletto gesungen. War Ihnen damals schon klar, daß dies Ihr Fach sein würde?

Caproni: Ja, es war mir und vor allem auch Frederic Cox klar, daß ich eines Tages diese Rollen singen würde, auch wenn er mich damals zu meinem Leidwesen nie die großen Arien hat singen lassen; heute bin ich ihm dankbar, daß er mich so behutsam behandelt hat. Ich habe schon für mein heutiges Fach geschwärmt, bevor ich gesungen habe! Es gibt da doch diese Anekdote von der Callas, die gesagt haben soll, daß sie als Verdibariton wiedergeboren werden möchte, weil es die schönste Stimmlage ist. Ich habe viele Freunde, die Tenöre sind, die mich beneiden, weil sie denken, daß ich weniger Stress habe als sie, aber ich muß sagen, daß es genug Stress für einen Bariton ist, ein hohes A oder so etwas zu singen, es liegt einfach nur anders, und ich kenne genug Fachkollegen, die Probleme damit haben, ein F zu singen... Als ich anfing, hatte ich nicht einmal ein E, ich habe lange dafür arbeiten müssen.

OMM: Sie haben dann eine ganze Reihe von Preisen gewonnen, u. a. den Vaughn Williams/Frederic Cox-Preis und den Opernpreis der Firma Ricordi, sie bekamen Auszeichnungen des Art Councils of Northern Ireland, der English National Opera und der Royal Opera Covent Garden, wurden dann Mitglied des National Opera Studio in London und bekamen direkt im Anschluß eine Art Praktikantenvertrag am Royal Opera House. War das eine wichtige Zeit für Ihre Entwicklung als Künstler?

Caproni: Ja, ich habe schon während der Studiozeit mein Covent-Garden-Debüt als Yamadori gemacht, ich habe im Don Carlo gesungen, Kilian im Freischütz, den Herold im Otello neben Domingo und Ricciarelli unter Carlos Kleiber, auch den ersten Schaunard, glaube ich. In dieser Zeit habe ich auch mit Sir Edward Downes Ezio (Attila), Don Carlo (Ernani) und Nabucco in konzertanten Aufführungen gesungen. Und ich habe Ping in Turandot abwechselnd mit Eva Marton, Gwyneth Jones, Ghena Dimitrova - ich werde sie nie vergessen in dieser Rolle, es war einfach unglaublich, noch viel besser als in der Aufnahme! - und sogar mit Grace Bumbry gemacht. Es war einfach unglaublich wichtig, mit diesen wunderbaren Sängern gemeinsam auf der Bühne zu stehen und von ihnen zu lernen, gerade auch in stilistischer Hinsicht. Ich habe zum Beispiel Marullo neben Ingvar Wixell, Matteo Manuguerra, Piero Cappuccilli und Leo Nucci gesungen, und es war so spannend, hautnah mitzubekommen, wie sie es machen, mit ihren ganz verschiedenen Stimmen. Manchmal war ich richtig enttäuscht, wenn ich besetzt war, weil ich es lieber aus dem Zuschauerraum erleben wollte - es gab eine Loge für Hausmitglieder, in der ich fast gewohnt habe zu dieser Zeit. Es klingt wie ein Klischee, aber bei mir ist es tatsächlich so, daß mein Beruf mein Hobby ist und umgekehrt.

OMM: Es scheint mir, daß Sie in London eigentlich sehr glücklich und zufrieden waren. Was hat Sie bewogen, 1992 ein Festengagement am Staatstheater Darmstadt anzunehmen?

Caproni: Es war auch mehr eine Verkettung von Zufällen. Der Artistic Director Peter Kapona hatte einen Freund zu Besuch, der Agent war und eine Vorstellung in Covent Garden besuchte; er hat mich vorgestellt, wir haben ein Vorsingen gemacht, und ich habe dann in Darmstadt vorgesungen, wo man mir einen Zwei-Jahres-Vertrag angeboten hat. Ich bin dann fünf Jahre geblieben und konnte dort viele wichtige Rollen ausprobieren: Onegin, Marcello, Michele und Gianni Schicchiin Puccinis Trittico, Renato, Germont, Carlo di Vargas, Rigoletto, Macbeth und Posa, auch dreimal den Méphistophélès in konzertanten Damnation de Faust-Aufführungen, und ich hatte genügend Freiräume für Gastspiele, ich habe in Braunschweig, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, Karlsruhe, Mannheim und Wiesbaden gastiert, war auch wieder als Gast in London, als Masetto, in Turandot, Les Huguenots, als Gusmano in einer konzertanten Alzira und als Egberto in einem konzertanten Aroldo sowie in Faurés Requiem, und in der letzten Spielzeit vor der Schließung habe ich dort Macbeth in der Fassung von 1847 gesungen. Es war eine gute Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, denn ich weiß nicht, ob ich an Covent Garden wirklich die Chance bekommen hätte, irgendwann auch größere Rollen zu singen; ich steckte schon ziemlich tief in der Comprimario-Schublade... Ich bin dann 1997 nach Köln gegangen, weil ich dort mein Repertoire um Amonasro und Enrico (Lucia) erweitern und auch wieder Marcello, Macbeth, Michele und Gianni Schicchi sowie Sharpless singen konnte.

Köln war aber auch in anderer Hinsicht ganz entscheidend für meine weitere Karriere, wenn auch eher zufällig: Pavarotti war für die offizielle Eröffnung der Kölnarena engagiert, und sein Agent, Herbert Breslin, war dabei, und er ist dann in eine Macbeth-Vorstellung in die Kölner Oper gegangen, hat mich gehört, ist in meine Garderobe gekommen und hat mich gefragt, ob ich schon eine Agentur in Amerika hätte, ob ich schon hier und dort vorgesungen hätte - und ich konnte alle seine Fragen nur mit Nein beantworten. Am nächsten Tag haben wir uns dann in seinem Hotel getroffen, and the rest is history... Innerhalb des nächsten Jahres habe ich dann in San Francisco in Un ballo in maschera debütiert, es war ein Riesenerfolg - Carol Vaness, die die Amelia gesungen hat und die ich als Junior Principle in Covent Garden als Vitellia, Donna Anna, Rosalinde und Trovatore-Leonora in London erlebt habe, hat hinterher zu mir gesagt: "Wir werden unsern Enkeln voller Stolz erzählen können, daß wir dabei waren, als Du debütiert hast!"; es war schon ein merkwürdiges Gefühl, als Ehemann von jemandem auf der Bühne zu stehen, den man als kleiner Student schon bewundert hat, und Carol hat zu mir gesagt, ich solle das nicht mehr erzählen, weil sie dann alle für schrecklich alt halten...
Breslin hat mir in der Folge sehr viele wirklich wichtige Vorsingen vermittelt, an wichtigen Häusern, für wichtige Dirigenten (Bruno Caproni hat mit solchen Größen wie Sir Colin Davis, Sir Edward Downes, Danielle Gatti, Sir Bernard Haitink, Carlos Kleiber, Zubin Mehta, Donald Runnicles und Jeffrey Tate zusammengearbeitet, Anmerk. T.T.) und so weiter. Er hat wahnsinnig viele Türen für mich aufgestoßen und sich immer ganz wunderbar um mich gekümmert, fast wie ein Vater - es ist ein sehr herzliches, menschliches Verhältnis. Und er denkt sehr genau über meine Karriere nach: Ich hatte ein Angebot von Riccardo Muti für Falstaff, und es ist schon sehr schwer, ihm abzusagen, aber Breslin hat abgeraten, unter anderem weil er nicht wollte, daß ich in einer Buffopartie an der Scala debütiere (im Mai 2001 wird er sich nun als Renato an diesem Traditionshaus vorstellen, Anmerk. T.T.) - im Nachhinein verstehe ich seine Entscheidung; er ist seit so vielen Jahren im Geschäft, und es geht ihm nicht ums Geld, er weiß einfach, was er tut. Ich hatte auch ein Angebot, in der Carnegie Hall in einer konzertanten Gioconda neben Jane Eaglen und Richard Margison Barnaba zu singen, aber er hat mir abgeraten, weil er die Rolle für mein New York-Debüt nicht geeignet hielt.

OMM: Was bedeutet Ihnen das Wort Karriere?

Caproni: Es bedeutet, ständig Arbeit zu haben, zukünftige Engagements zu haben, Engagements, die mich befriedigen, meine ich - ich werde nicht alles annehmen, nur um einen gut gefüllten Terminkalender und ein volles Portemonnaie zu haben! Ich möchte Nein sagen können zu Partien, die mir nicht gefallen oder die ich schädlich finde für meine Stimme. Und ich bin jetzt langsam in dieser Phase, daß ich mir leisten kann, Nein zu sagen. Aber man muß natürlich eine Menge dafür tun, diesen Status zu halten. Aber anders als manche Kollegen an der Hochschule war ich mir nie sicher, daß ich eines Tages eine sogenannte Karriere machen würde; ich war einfach nur glücklich, das machen zu können, was ich immer machen wollte und was mich glücklich macht, egal, wo es war oder ist, die Freude an der gemeinsamen Arbeit, die Ehre, auf einer Bühne zu stehen und diese wunderbaren Opern aufführen zu dürfen - mein Gott, es klingt so kitschig, aber es ist die Wahrheit. Einer der Höhepunkte meiner Karriere in künstlerischer Hinsicht fand in Kiel statt, eine Inszenierung von Franchettis Cristoforo Colombo, eine wirkliche Traumpartie! Jetzt ist es natürlich schon etwas anderes, jetzt muß ich gut singen, das war anders damals, als ich von Darmstadt aus gastiert habe. Ich bin nur ein bißchen traurig, daß ich von den großen deutschen Opernhäusern ignoriert werde - ich lebe und arbeite sehr gern in diesem Land.

OMM: Sie sind hier in Deutschland sicherlich mit sogenannten Regietheaterproduktionen konfrontiert worden. Kommen Sie zurecht mit den modernen Regisseuren oder bevorzugen Sie die eher traditionellen Inszenierungen?

Caproni: Man kann schon sehr interessante Aspekte in modernen Inszenierungen finden - ich fand zum Beispiel Robert Carsens Macbeth-Inszenierung hier in Köln sehr gelungen -, aber ich halte es gleichzeitig für bedenklich, wenn sich ein Regisseur dafür entschuldigen muß, daß er keine moderne Inszenierung macht, sondern etwas eher Traditionelles auf die Bühne bringt. Traditionelle Inszenierungen können sehr spannend sein, wenn der Regisseur sein Handwerk versteht! Wenn ein Regisseur jedoch die Partie des Großinquisitors im Don Carlo streichen will, weil er denkt, daß die katholische Kirche heute nicht mehr den Einfluß hat, den sie zur Zeit der Inquisition hatte, dann ist eine Grenze erreicht. Und ich habe das Gefühl, daß es mich als Sänger sehr behindert, wenn ich in einer Inszenierung auftrete, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Bisher war es für mich aber nie so unerträglich, daß ich das Gefühl hatte, die Produktion verlassen zu müssen, toi, toi, toi.

OMM: Sie haben schon auf einige der großen Debüts und wichtige Projekte der nächsten Jahre hingewiesen: Im November letzten Jahres waren Sie Nabucco an der English National Opera, gerade haben Sie sensationell an der Wiener Staatsoper als Posa debütiert, im Mai 2001 singen Sie Renato an der Scala, dann Miller in Luisa Miller in Wien, Marcello an der Met, Enrico in Lucia di Lammermoor in Dallas, 2002 dann Ernani in Wien und Trovatore an der Met. Wie fühlen Sie sich angesichts dieser Herausforderungen?

Caproni: Natürlich denke ich daran, daß ich jetzt an Häusern mit unglaublicher Tradition singe, und darauf freue ich mich sehr, auch auf die Zusammenarbeit mit neuen Kollegen. Trotzdem sehe ich das alles einigermaßen gelassen, weil ich bereits so oft in Covent Garden auf der Bühne gestanden habe und in San Francisco und beim Casals Festival in Puerto Rico im Sommer 1999 als Posa so großen Erfolg hatte und weiß, daß ich es kann. Und wenn Sie am Abend auf der Bühne stehen, dann vergessen Sie sehr schnell, in welcher Stadt sich diese Bühne befindet.

OMM: Haben Sie nicht manchmal Angst, daß das alles zu früh kommt und zu schnell geht?

Caproni: Nein, es gibt Kollegen, die viel jünger sind als ich und bereits dieses Fach singen. Ich stehe seit zehn Jahren professionell auf der Bühne, ich habe also eine gewisse Erfahrung, und meine Stimme hat sich schon sehr entwickelt in den letzten fünf Jahren, selbst in den letzten zwei Jahren, und ich finde, es ist jetzt genau die richtige Zeit. Ich fühle mich stimmlich im Moment unglaublich wohl, ich bin sehr glücklich mit meiner Technik. Ich bin auch als Mensch sehr entspannt und ruhig, und das ist schon eine große Hilfe.

OMM: Die meisten Ihrer Partien stammen aus dem Fach des sogenannten Kavalierbariton. Es gibt aber auch Überschneidungen zum Heldenbariton. Wo ordnen Sie sich selber ein?

Caproni: Riccardo Muti hat mich einen echten italienischen Bariton genannt, ich selber bezeichne mich immer als Verdi-Bariton. Das hat auch Dolora Zajick zu mir gesagt, die bei meinem Wiendebüt die Eboli gesungen hat. Ich halte nicht viel von diesen anderen Fachbezeichnungen. Wenn ich in die Fachbücher schaue, bin ich manchmal sehr überrascht, welche Partien welchen Fächern zugeordnet werden: Ist Posa, der mir wahrscheinlich der liebste unter den Partien ist, die ich im Moment singe, tatsächlich ein Heldenbariton, Renato aber lyrischer Kavalierbariton? Die schwierigste Rolle, die ich bisher gesungen habe, ist übrigens Macbeth; als ich zum ersten Male den Carlo in Forza gemacht habe, haben mich alle davor gewarnt, aber ich fand sie gar nicht so schlimm, und ich fühle mich immer sehr frisch nach Forza-Vorstellungen, während ich nach Macbeth fast immer Kopfschmerzen habe, was vielleicht auch an dem düsteren Charakter liegt. Rigoletto ist körperlich manchmal ziemlich anstrengend, es hängt auch von den Kostümen ab, rein gesanglich finde ich die Partie nicht schwerer als viele andere. Mein Wunsch ist es jedenfalls, möglichst viele der Verdi-Baritonpartien zu interpretieren und vielleicht auch wenigstens die Arien irgendwann aufzunehmen. Eine echte Wunschpartie von mir ist dagegen der Miller, den ich in diesem Jahr beim Klangbogen-Festival in Wien zum ersten Mal machen werde, eine wunderbare Rolle. Dann würde ich sehr gern Francesco Foscari singen, Francesco in Masnadieri, Guy de Montfort in Les vêpres siciliennes, die Titelpartie in Simon Boccanegra (den Paolo hat er bereits gesungen, Anmerk. T.T.), denn ich bin ohnehin für die nächsten zwei, drei Jahre ausgebucht, und wenn jetzt ein Angebot für Boccanegra in 2004 oder 2005 käme, würde ich es, glaube ich, annehmen. Ich freue mich auch auf Ernani, den ich im Frühjahr 2002 an der Wiener Staatsoper zum ersten Male machen werde. Ich habe auch keine Angst vor Iago. An der Met, wo ich mich im Herbst 2001 mit La Bohème vorstellen werde, werde ich ein Jahr später auch meinen ersten Luna singen, den ich für eine echte Belcantopartie halte, da kann man überhaupt nicht mogeln, denn die Orchestrierung ist ziemlich schlank, und die Tessitura ist schon recht hoch.

OMM: Sie haben den Enrico in Lucia und den Riccardo in I Puritani im Repertoire. Würden Sie auch Belcore in L'elisir d'amore, den Figaro im Barbiere di Siviglia, den Ernesto in Il pirata, Alfonso in La Favorita oder die Titelpartie in Rossinis Guillaume Tell singen?

Caproni: Ich war in Covent Garden Cover für Wixell als Belcore, aber ich habe es nie gesungen. Belcore war früher eigentlich immer eine Partie für die großen Verdibaritone, ebenso wie Marcello in Bohème, aber inzwischen werden diese Partien eher mit kleinen, lyrischen Stimmen besetzt, selbst Posa. Aber die drei anderen Rollen, die Sie genannt haben, finde ich wunderbar. Dagegen ist es für den Comte Almaviva und für den Rossini-Figaro inzwischen zu spät, denke ich, und es gibt genügend Kollegen, die hervorragend Don Giovanni singen können... Ich werde auch nicht den Wolfram im Tannhäuser singen, es gibt einfach zu viele gute Leute, die das besser machen können als ich, ich habe diese Affinität zum deutschen Fach einfach nicht, auch wenn ich diese Musik sehr liebe; insofern wird der Frank in Die tote Stadt, den ich in Köln zu singen hatte, sicher eine Ausnahme bleiben. Ein Problem ist auch, daß ich zu wenig Zeit habe, noch mehr neue Rollen zu studieren. Und ich überarbeite auch regelmäßig die Partien, die ich schon länger im Repertoire habe, und ich finde jedes Mal Dinge, die neu für mich sind und die ich inzwischen anders mache.

OMM: Glauben Sie, daß der Belcanto eine Zukunft hat?

Caproni: Er sollte! Ich weiß nicht, ob es viele Inszenierungen geben wird, denn viele Regisseure finden die Opern von Donizetti oder Bellini furchtbar langweilig, aber ich würde es mir wünschen. Ich würde auch sehr gern, um zu einem weiteren Bereich des Baritonrepertoires zu kommen, Gérard in Andrea Chénier machen, auch Alfio und Tonio natürlich, und ich habe in Wexford La cena delle beffe gemacht, das ist ein wunderbares Stück, das ich sehr gern wieder einmal singen würde. Über Scarpia habe ich lange nachgedacht, ich habe bisher immer Nein gesagt, aber vielleicht singe ich ihn bei der nächsten Wiederaufnahme hier in Köln - es ist eine sehr schwere Rolle, die ich auch noch in zehn Jahren machen kann. Ich hatte auch ein Angebot für Jack Rance, aber es kollidierte mit anderen Verpflichtungen, und Breslin hat auch abgeraten, weil er die Partie für doppelt so schwer hält wie Scarpia, und für Lescaut ist es jetzt ein bißchen spät. Dagegen habe ich eine unglaubliche Schwäche für Francesca da Rimini - die Ausschnitte aus diesem Werk mit Magda Olivero, die an ihre Fedora-Aufnahme bei Decca angehängt sind, höre ich fast jeden Tag! Und diese Live-Aufnahme aus der Scala zusammen mit Del Monaco, es ist unglaublich, was die beiden allein aus dem Text machen. Im französischen Fach würde ich gern den Athanael in Thaïs machen - den Escamillo habe ich bereits an der Welsh National Opera gesungen -, vielleicht auch einige andere Massenet-Partien, wir werden sehen. Eigentlich habe ich mit meinen italienischen Partien aber mehr als genug zu tun!

OMM: Wie stehen Sie zu den traditionellen Änderungen und Zusätzen beim Rigoletto wie z. B. dem höher gesungenen Schluß der großen Arie "Pari siamo" das As am Ende von "vendetta, vendetta, tremenda vendetta", die Wiederholung der Phrase "a l'onda" im 4. Akt und auch das "ah, la maledizione" ganz am Schluß, das im Original auch tiefer liegt. Muti hat ja mit Renato Bruson an der Wiener Staatsoper 1982 die originale, authentische Version gemacht.

Caproni: Das Publikum war damals sehr enttäuscht. Ich habe auch einmal diese Originalfassung gemacht, und ein Kritiker hat geschrieben, daß ich die hohen Töne ausgelassen hätte. Seitdem singe ich diese Stellen lieber wieder so, wie die Tradition sie verlangt ... Mir fallen ein As oder ein A nicht besonders schwer, aber ich bewundere schon Sänger wie Milnes oder Nucci, die diese Töne einfach nur so antippen können, aber meine Stimme ist einfach anders gelagert. Ich kann heute viel mehr ausdrücken mit meiner Stimme als früher, ich entdecke mit zunehmendem Alter und der größeren Erfahrung immer mehr Farben und Schattierungen in meiner Stimme, ich habe mehr Mut, mezza voce zu singen, mich auf das zu verlassen, was in der Partitur steht, während man als junger Sänger doch hin und wieder auch einfach nur Töne herausschmettert, und ich mache immer wieder die Erfahrung, daß das Publikum denkt, die Stimme sei schwach oder man wolle sich schonen, wenn man nicht den ganzen Abend durchbrüllt. Auf der anderen Seite höre ich in letzter Zeit immer wieder von Überlegungen, auch an wirklich renommierten Opernhäusern eine Art akustische Verstärkung einzuführen, was ich doch für einen sehr bedenklichen Trend halte, denn ob eine Stimme durchs Orchester hindurchkommt und ein Haus wie die Met füllt oder nicht, ist doch in erster Linie eine Frage der richtigen Gesangstechnik.

OMM: Interessieren Sie sich für Liedgesang?

Caproni: Ja, durchaus, ich mache viele Konzerte, meistens zusammen mit dem Konzertpianisten Julian Evans, den ich schon von der Hochschule her kenne und mit dem ich auch sehr gut befreundet bin. Ich singe gern die Arie antiche, Lieder von Tosti und viele englische Lieder, während die berühmten irischen Songs eigentlich alle für Tenöre geschrieben sind, und für das klassische deutsche Liedrepertoire gibt es wieder viele Kollegen, die das viel besser machen können als ich.

OMM: Ich weiß, daß Sie sich sehr intensiv mit den Aufnahmen Ihrer berühmten Kollegen aus der Vergangenheit beschäftigen. Welcher ist Ihnen der liebste?

Caproni: Ich sage immer: Cappuccilli ist der König der Baritone, aber Bruson ist der Aristokrat.

OMM: Vielen Dank für das Gespräch!





Foto Bruno Caproni

Bruno Caproni
Bariton an der Oper
der Stadt Köln













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Bruno Caproni
als Amonasro in Aida



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